Das GVSG biegt in den nächsten Wochen auf die parlamentarische Zielgerade ein. Mit ihm soll nicht nur die Entbudgetierung der Allgemeinmedizin, sondern auch eine weitreichende Reform der hausärztlichen Honorare kommen. Umstrittener Kern ist die Umstellung auf Jahrespauschalen und die Anbindung der Vorhaltefinanzierung an konkrete Leistungsvoraussetzungen. Wer hier allerdings allein auf die daraus resultierende Umverteilungswirkung schaut, verpasst möglicherweise die Chancen, die diesem Reformansatz innewohnen. Voraussetzung ist allerdings, dass nicht nur plakativen Überschriften der Debatte Gehör finden, sondern Zielstellung und Wirkmechanismen trotz aller Komplexität genau hinterfragt werden. Als Anstoß dazu bietet diese …
04.06.2024
Bürgergeld-Bezieher: Gesundheitsausgaben übersteigen Beitragszahlungen um neun Milliarden Euro
TrendsDie Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steht wieder im Vordergrund der gesundheitspolitischen Diskussion, seitdem sich die Finanzierungsdefizite häufen und die Zusatzbeitragssätze steigen. In diesem Zusammenhang werden auch wieder verstärkt die sog. „versicherungsfremden Leistungen“ thematisiert, also gesamtgesellschaftliche Aufgaben, welche die GKV übernimmt und aus ihrem Budget bezahlt, die aber sachgerecht aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren wären (z. B. familienpolitisch begründete Leistungen bzw. Beitragsentlastungen).
Über die genaue Abgrenzung und Quantifizierung solcher versicherungsfremden Leistungen besteht weder fachlich noch politisch Einigkeit. Seit dem Jahr 2004 werden diese „pauschal“ durch einen Steuerzuschuss …
Anfang Januar 2024 nach dem Krisengipfel zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat das Bundesministerium für Gesundheit ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung vorgelegt [1]. Im Fokus steht die Reform der hausärztlichen Honorierung. Doch welche Effekte lassen sich mit den Vorschlägen zur Veränderung der Honorierung erwarten?
Um Antworten auf diese Frage zu finden, setzt sich dieser Wissenschaftsbeitrag mit ausgewählten Honorierungsmodellen auseinander und bezieht deren Anreizwirkungen auf die aktuellen hausärztlichen Reformvorschläge. Als Fundament für die Diskussion dient eine neu erschienene Studie von Brosig-Koch et al. [2]. Die Studie [2] liefert wichtige …
Der Wissensstand über die Beitragsentwicklung in der privaten Krankenversicherung (PKV) ist lückenhaft. Wiederkehrende Meldungen über „Beitragsexplosionen“ in der PKV beruhen meist auf Momentaufnahmen oder Einzelfallbetrachtungen. Abgesehen davon werden lediglich hochaggregierte Durchschnittswerte berichtet.
Um die Beitragsentwicklung in der PKV beurteilen zu können, sind aber Erkenntnisse sowohl über langfristige Verläufe notwendig, als auch differenziertere Aussagen über die Variabilität der Beitragsentwicklung unter den Versicherten und deren Ursachen.
Die Debeka, der größte private Krankenversicherer in Deutschland (Marktanteil rund 29 %), hat das IGES Institut bereits mehrfach umfassende Analysen auf Basis ihrer Daten durchführen lassen. …
08.01.2024
US-Non-Profit-Modell – ein Rezept für geringere Preise und gegen Arzneimittellieferengpässe
WissenschaftDie Diskussion um Arzneimittellieferengpässe ist nicht nur in Deutschland in vollem Gange. Im Trendbeitrag „Civica senkt Generikapreise drastisch“ ist im Observer Gesundheit ein innovatives Non-Profit-Geschäftsmodell (Civica Rx) aus den USA-vorgestellt worden. Civica Rx wurde ins Leben gerufen, um der vorherrschenden Arzneimittelknappheit und den steigenden Generikapreisen in den USA zu begegnen. Was ist aus dem Non-Profit-Geschäftsmodell geworden? Eine Antwort auf diese Frage liefert die Studie von Dredge und Scholtes [1]. Basierend auf aktuellen Zahlen haben die Wissenschaftler analysiert, wie sich der Arzneimittelzugang und die Preise auf dem US-Markt entwickelt haben. Wie …
Welche frei verfügbaren Datensätze über das deutsche Gesundheitswesen gibt es eigentlich, und wofür kann man diese verwenden? Mit den Beiträgen zu Statistiken im Gesundheitswesen geben wir Antworten auf diese Fragen. Wir zeigen in unserer losen Serie ausgewählte Datensätze, geben Inspirationen für mögliche Datenauswertungen, decken Trends im Gesundheitswesen auf und eröffnen einen kurzen verständlichen Einblick in die statistische Erhebungsmethodik. Mit diesem Wissen ist es möglich, bei nächster Gelegenheit diese Datensätze für ausgewählte Fragestellungen zu nutzen. Heute: Bundeshaushalt.
Der verwendete Datensatz
Quelle: In Anlehnung an [1].
Die Debatte zur …
„Die ambulante Versorgung in Deutschland steht auf dem Spiel“ und „Die Praxen stehen vor dem Kollaps“: Diese Warnhinweise von Ärzteseite begleiten die diesjährigen Verhandlungen zur Honoraranpassung für das Jahr 2024 zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband. Kaum jemand weiß außerhalb von Expertenrunden, wie ambulant tätige, selbstständige Ärztinnen und Ärzte honoriert werden. Und selbst wer die Regeln kennt, kann die Ergebnisse der jährlichen Honorarverhandlungen für Ärztinnen und Ärzte nicht nachvollziehen, weil diese Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Die Mär von der Gier der Ärzte verfängt deshalb immer noch. Jenseits …
Die Debatte um Generika in Deutschland hat sich festgefahren. Die Relevanz ist unvermindert hoch. Die Versorgung in Deutschland ist nicht mehr sicher. Unversöhnlich scheiden sich die Geister an der Frage: Ist der starke Preiswettbewerb durch GKV-Ausschreibungen ursächlich für die zunehmenden Lieferengpässe? Auch hier gilt der Grundsatz: Wenn man (argumentativ) auf der Stelle tritt, lohnt sich der Blick über den Tellerrand. In den USA stellt gerade ein Non-Profit-Geschäftsmodell für Generika die dortigen Verhältnisse auf den Kopf. Ein früher unvorstellbarer Vorgang, der gewohnte Argumente auch in Deutschland in ein neues Licht rückt. …
12.06.2023
Krankenhausreform in Deutschland: Veränderung der Patientenströme wirkt sich auf Kosten aus
WissenschaftDie dritte und bislang umfassendste Empfehlung der Regierungskommission zur Krankenhausreform liegt seit Dezember 2022 auf dem Tisch (1). Derzeit arbeiten Bund und Länder an einem Eckpunktepapier, das noch vor der Sommerpause fertiggestellt werden soll. Das Ziel – Anfang 2024 ein Gesetz. Eine sehr ambitionierte Zielsetzung. Doch was bedeutet eine Veränderung des Patientenvolumens in medizinischen Fachrichtungen für die Kostenentwicklung im Krankenhaus? Die Studie von Freeman et al. (2) untersucht fachrichtungsübergreifend, wie sich die Kosten für geplante und ungeplante Patienten entwickeln, sobald sich das Patientenvolumen in medizinischen Fachrichtungen ändert. Ein Datensatz …
Nach der Insolvenz von zwei nach Verordnungszahlen extrem erfolgreichen DiGA-Herstellern ist die Frage gerechtfertigt: Trägt das Modell der DiGA? Die beiden Fälle unterscheiden sich deutlich, zeigen aber beide das Problem: Ungewissheit über den Preis und das damit verbundene hohe unternehmerische Risiko. Beide Fälle – „M-sense“ und „Zanadio“ – sollen hier analysiert und Schlüsse für die künftige Versorgung mit DiGA gezogen werden.
Fall 1: Scheitern beim Nachweis des medizinischen Nutzens
„M-sense Migräne“ wurde am 4. April 2022 auf Antrag des Herstellers aus dem Verzeichnis gestrichen.[1] Die Herstellerwebseite informierte im März …
Neue Arzneimittel verändern die Strukturen im verschreibungspflichtigen Teil der Arzneimittelversorgung, dem sog. RX-Markt. Dies geschieht nicht erst seit kurzem, sondern schon seit Jahrzehnten, aber mittlerweile mit wachsendem Tempo. Die betriebswirtschaftliche Kehrseite dieser Entwicklung ist, dass im RX-Apothekenportfolio die Umsätze, Mengen und Preise im „Alt“-Arzneimittelsegment und im dazu komplementären Innovationssegment auseinanderdriften. Was bedeutet das für den Apothekenbetrieb? Welche betriebswirtschaftlichen Aspekte sollten beachtet werden? Wie ist es um das Niveau und die Balance von Erlösen, Kosten und Deckungsbeiträgen im RX-Markt bestellt?
Zerlegung des RX-Apothekenportfolios in „Alt-Arzneimittel“ und „Arzneimittelinnovationen“
Für die weitere Betrachtung …
„Es hat Fehler gegeben“, so berichtete es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beispielsweise im ZDF heute journal, als er eine Bilanz nach drei Jahren Corona-Pandemie zog [1]. Er räumte ein, dass es falsche Schwerpunkte bei der Kontaktreduzierung gegeben hätte. Schulen und Kindertagesstätten hätten z.B. mit einem entsprechenden Testkonzept früher eröffnet werden können [1]. Doch was ist rückblickend eigentlich die beste Lockdown-Strategie, um Infektionen und Todesfälle zu vermeiden? Eine Antwort auf diese Frage gibt eine Studie von Bonardi et al. [2], die basierend auf Daten von 178 Ländern Handlungsempfehlungen für eine optimale Lockdown-Strategie …