Die langfristige Beitragsentwicklung der PKV

Analyse auf Basis umfassender Versicherungsdaten der Debeka

Dr. Martin Albrecht, Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Gesundheitspolitik, IGES Institut

Der Wissensstand über die Beitragsentwicklung in der privaten Krankenversicherung (PKV) ist lückenhaft. Wiederkehrende Meldungen über „Beitragsexplosionen“ in der PKV beruhen meist auf Momentaufnahmen oder Einzelfallbetrachtungen. Abgesehen davon werden lediglich hochaggregierte Durchschnittswerte berichtet.

Um die Beitragsentwicklung in der PKV beurteilen zu können, sind aber Erkenntnisse sowohl über langfristige Verläufe notwendig, als auch differenziertere Aussagen über die Variabilität der Beitragsentwicklung unter den Versicherten und deren Ursachen.

Die Debeka, der größte private Krankenversicherer in Deutschland (Marktanteil rund 29 %), hat das IGES Institut bereits mehrfach umfassende Analysen auf Basis ihrer Daten durchführen lassen. Dabei ging es jeweils um die langfristige Beitragsentwicklung über 20 Jahre aus Versichertenperspektive. Aktuell liegen die Ergebnisse für ca. 860.000 Versicherte vor, die im Zeitraum 2003 bis 2023 durchgehend versichert waren, darunter knapp 104.000 Arbeitnehmer und Selbständige.[1]

 

Beitragsentwicklung über 20 Jahre

Im Durchschnitt über die gesamte Gruppe dieser Versicherten und den Zeitraum 2003 bis 2023 betrug der Beitragsanstieg 2,2 % jährlich. Das Spektrum ohne Extremwerte reicht hierbei von einem Beitragsrückgang um 1,6 % jährlich (1 %-Perzentil) und einer Beitragszunahme um 6,7 % jährlich (99 %-Perzentil).

Zur Beschreibung der Heterogenität der Beitragsentwicklung innerhalb der Versichertengruppe bietet sich zunächst eine Unterscheidung nach Versichertenstatus an. Hierbei unterscheiden wir drei Gruppen:

  • Versicherte mit Beihilfeanspruch (v. a. Beamte), die in der PKV lediglich eine Restkostenversicherung benötigen,
  • Arbeitnehmer und Selbständige,
  • Status-Wechsler, also z. B. Versicherte, die nur in einem Teil des 20-jährigen Zeitraums einen Beihilfeanspruch hatten.

Hierbei zeigt sich, dass die Beihilfeversicherten mit 2,1 % jährlich im Durchschnitt geringere Beitragserhöhungen hatten als die Gruppe der Arbeitnehmer und Selbständigen mit jahresdurchschnittlich 3,3 %. Unter anderem wählen die Beihilfeversicherten – bezogen auf den nicht durch die Beihilfe gedeckten Teil – weit weniger häufig einen sehr umfangreichen Versicherungsschutz als die Nicht-Beihilfeversicherten.[2]

Am geringsten war der durchschnittliche Beitragsanstieg in der Gruppe der Status-Wechsler mit 2,0 %. Allerdings gab es in dieser Gruppe auch die größte Spreizung: So lag die durchschnittliche Rate im oberen Drittel mit den höchsten Beitragsanstiegen bei 7,2 % – deutlich höher als im oberen Drittel der Arbeitnehmer/Selbständigen (4,8 %).

Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Zeitraum 2003 bis 2023 (Stand: November) um durchschnittlich 2,0 % pro Jahr, die Ausgaben für Krankenversicherungsleistungen in der PKV hingegen um durchschnittlich 3,8 % pro Jahr (bis 2021 – aktuellere Daten liegen noch nicht vor). In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erhöhte sich der Beitrag für einen Arbeitnehmer mit jeweils durchschnittlichem Einkommen im Zeitraum 2003 bis 2023 um durchschnittlich 2,9 % pro Jahr.

 

Versicherte mit starken Beitragserhöhungen

Mit Blick auf die öffentlichen Diskussionen interessant ist vor allem eine Einschätzung, welcher Anteil der Versicherten starke Beitragserhöhungen hatte. Hierfür ist zunächst ein Maßstab festzulegen, ab welcher Stärke Beitragszuwächse als stark eingestuft werden. Für die Arbeitnehmer eignet sich der Vergleich mit der GKV: Hier könnten sie sich alternativ zum GKV-Höchstbeitrag freiwillig versichern. Als Grenzwert für relativ starke Beitragserhöhungen wurde in der Analyse daher ein um 10 % höherer Beitragsanstieg im Vergleich zum jahresdurchschnittlichen Zuwachs des monatlichen GKV-Höchstbeitrags (inklusive dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz gemäß § 242a SGB V) gewählt – das entspricht einem jährlichen Anstieg der Monatsprämie um mehr als 17,29 Euro im Zeitraum 2003 bis 2023.

Unter den Arbeitnehmern und Selbständigen waren nach diesem Maßstab für etwa ein Fünftel der Versicherten (21 %) die Beitragszuwächse relativ stark. Unter den Status-Wechslern lag der Anteil mit 28,2 % noch höher.

Welche Faktoren in der individuellen „Versichertenbiographie“ gehen einher mit relativ starken Beitragserhöhungen? Auf fast alle (93 %) der Arbeitnehmer und Selbständigen mit stark gestiegenen Beiträgen traf mindestens eines der folgenden Merkmale zu: ein sehr umfangreicher Leistungsumfang im Jahr 2023, eine Erhöhung des Leistungsumfangs während der 20-jährigen Versicherungslaufzeit, eine zusätzlich vereinbarte Beitragsermäßigungen im Alter und ein Risikozuschlag. Eine multivariate Analyse bestätigte, dass Erhöhungen und Absenkungen des Leistungsumfangs von mehreren untersuchten Einflussfaktoren den weitaus stärksten Effekt auf Prämienänderungen hatten.

 

Höhe der Beiträge nach 20 Jahren

Nach Betrachtung und Vergleich der Beitragsveränderungen über 20 Jahre stellt sich die Frage, welche Beitragshöhe im Jahr 2023 damit erreicht wurde. Für Beihilfeversicherte lag die Monatsprämie im Durchschnitt mit etwa 230 Euro erwartungsgemäß deutlich niedriger als für Nicht-Beihilfeversicherte mit rd. 560 Euro. Der Beitrag für Arbeitnehmer/Selbständige war damit bei der Debeka im Durchschnitt jedoch nur geringfügig höher als der Beitrag für Durchschnittsverdiener in der GKV (555 Euro monatlich) und deutlich geringer als der GKV-Höchstbeitrag (808 Euro). Dabei lag der monatliche Beitrag für rd. 85 % der Nicht-Beihilfeversicherten in der Debeka zwischen 300 Euro und 650 Euro.

Differenziert man die monatlichen Durchschnittsbeiträge im Jahr 2023 für Nicht-Beihilfeversicherte nach dem Alter, zeigt sich zunächst ein Anstieg von rd. 430 Euro im Alter 43 Jahre bis zum 60. Lebensjahr auf knapp 620 Euro (Abbildung 1). In den Altersstufen danach liegen die Beiträge mal z. T. deutlich niedriger, mal wieder höher im Vergleich zur jeweils vorherigen Altersstufe – der Höhepunkt beim Alter 60 wird jedoch im Schnitt der einzelnen Altersstufen nicht mehr erreicht. Nach Vollendung des 60. Lebensjahres entfällt die Zahlung des gesetzlichen Beitragszuschlags und bewirkt eine Beitragsentlastung. Kontinuierlich höhere Beitragszahlungen mit zunehmendem Alter lassen sich insgesamt nicht feststellen.

 

Abbildung 1:  Durchschnittliche monatliche Prämien der Nicht-Beihilfeversicherten in der Grundgesamtheit nach Geschlecht und Alter, 2023

Abbildung 1

Quelle: IGES auf Basis von Daten der Debeka. Anmerkung: Die dargestellte Verteilung der Prämienhöhen bezieht sich auf das spezifische Teilkollektiv der Debeka-Versicherten mit kontinuierlicher Versicherungszugehörigkeit im Beobachtungszeitraum. Die Darstellung ist daher nicht repräsentativ für den gesamten Versichertenbestand.

 

Obwohl das Beitragsniveau für ältere Versicherte nicht über dem Durchschnittsbeitrag für 60-jährige liegt, kann die effektive Beitragsbelastung für Arbeitnehmer nach Wechsel in den Ruhestand höher liegen. Eine mögliche Ursache hierfür ist, dass in der Regel die Beitragszuschüsse der Gesetzlichen Rentenversicherung, absolut betrachtet, geringer sind als die Beitragszuschüsse der Arbeitgeber, da sich ihre Höhe am Zahlbetrag der (geringeren) Rente bemisst. Zu berücksichtigen ist jedoch hierbei, dass in der vorliegenden Analyse die Wirkungen des gesetzlichen Beitragszuschlags, der im Jahr 2000 eingeführt wurde, noch nicht vollständig zum Tragen kommen. Bei einem Vergleich mit der GKV ist zudem zu beachten, dass von freiwillig gesetzlich versicherten Ruheständlern Beiträge auf die Gesamteinkünfte erhoben werden, also auch auf vorhandene Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Kapitalvermögen.

 

Sprunghafte Beitragsveränderungen

Selbst wenn der Beitragsanstieg über den Gesamtzeitraum betrachtet moderat ausfällt, können sich Belastungen der Versicherten durch sprunghafte Beitragserhöhungen ergeben. Für die Analyse haben wir Beitragsentwicklungen als sprunghaft definiert, wenn sich Beiträge im Zeitraum 2003 bis 2023 mindestens fünfmal um mind. 10 % oder mindestens zweimal um mind. 20 % erhöhten. Nach dieser Definition war die Beitragsentwicklung für insgesamt knapp 17 % der versicherten Arbeitnehmer und Selbständigen sprunghaft. Besonders die kleine Gruppe der Status-Wechsler war hiervon häufig betroffen, für sie lag der entsprechende Anteilswert bei 30 %.

Für rund 51 % der von einer sprunghaften Beitragsentwicklung betroffenen Arbeitnehmer und Selbständigen geht diese ebenfalls mit mindestens einem der folgenden Merkmale einher: sehr umfangreicher Leistungsumfang im Jahr 2023, Erhöhung des Leistungsumfangs während der 20-jährigen Versicherungslaufzeit, zusätzlich vereinbarte Beitragsermäßigung im Alter und Risikozuschlag. Auf knapp die Hälfte von ihnen trifft dies jedoch nicht zu. Bei ihnen macht sich der Einfluss der bestehenden Kalkulationsvorschriften bemerkbar, welche die Möglichkeiten der privaten Krankenversicherungen beschränken, Beitragssteigerungen gleichmäßiger über die Zeit zu verteilen.

Dieser Einfluss zeigt sich auch, wenn man die durchschnittlichen Beitragsveränderungen in den einzelnen Jahren zwischen 2003 und 2023 vergleicht (Abbildung 2). Hierbei ergibt sich ein sprunghaftes Bild mit durchschnittlichen Zuwachsraten in einem Spektrum von -1,3 % (2016) und +17,3 % (2021) für die Beihilfeversicherten und zwischen +15 % (2021) und -0,1 % (2023) für die Nicht-Beihilfeversicherten.

 

Abbildung 2: Durchschnittliche jährliche Prämienveränderung für Beihilfe- und Nicht-Beihilfeversicherte, 2004-2023

Abbildung 2

Quelle: IGES auf Basis von Daten der Debeka. Anmerkung: Die Veränderung bezieht sich jeweils auf den Zeitraum vom 2. Januar bis zum 1. Januar des darauffolgenden Jahres, d. h. beispielsweise die Werte für das Jahr 2004 beziehen sich auf den Zeitraum vom 2. Januar 2003 bis zum 1. Januar 2004.

 

Entsprechend variiert auch der Anteil der Versicherten, die von starken Beitragssteigerungen betroffen waren, von Jahr zu Jahr deutlich (Abbildung 3). So gab es bei den Nicht-Beihilfeversicherten in den Jahren 2004 und 2021 für 81 % der langfristig Versicherten Beitragszuwächse von mindestens 10 % (dabei im Jahr 2021 für 14 % der Versicherten sogar von mindestens 20 %). Andererseits gab es im Zeitraum 2003 bis 2023 sechs Jahre, in denen für mindestens 90 % der Versicherten die Beiträge unverändert blieben oder sogar sanken (im Jahr 2008 verringerten sich die Beiträge für 20 % der hier dargestellten Gruppe der Nicht-Beihilfeversicherten).

 

Abbildung 3: Anteile der Nicht-Beihilfeversicherten nach Höhe der prozentualen Prämienveränderung im Vergleich zum Vorjahr, 2004-2023

 

Abbildung 3

Quelle: IGES auf Basis von Daten der Debeka. Anmerkung: Die Veränderung bezieht sich jeweils auf den Zeitraum vom 2. Januar bis zum 1. Januar des darauffolgenden Jahres, d. h. beispielsweise die Werte für das Jahr 2004 beziehen sich auf den Zeitraum vom 2. Januar 2003 bis zum 1. Januar 2004.

 

Fazit

Mit einem umfassenden Datensatz der Debeka Krankenversicherung konnte die individuelle Beitragsentwicklung von mehr als 860.000 privat Krankenversicherten über einen Zeitraum von 20 Jahren (2003 bis 2023) untersucht werden. Die Debeka Krankenversicherung ist – trotz ihrer Marktgröße – nur eingeschränkt repräsentativ für die gesamte PKV, u. a. wegen ihres überdurchschnittlich hohen Anteils Beihilfeversicherter. Dennoch kann die vorliegende Studie aufgrund dieser einmaligen Datengrundlage zur weitergehenden empirischen Fundierung und damit zur Objektivierung der gesundheitspolitischen Diskussion über die Beitragsentwicklung in der PKV beitragen.

Die Untersuchung brachte folgende zentrale Ergebnisse:

  • Beitragsentwicklung: Etwa ein Fünftel der Arbeitnehmer und Selbständigen hatten relativ starke Beitragserhöhungen. Unter den Versicherten, deren Status hinsichtlich eines Beihilfeanspruchs innerhalb der 20 Jahre wechselte, lag dieser Anteil bei etwas mehr als einem Viertel. Häufig standen die starken Beitragserhöhungen in Verbindung mit Erhöhungen des Leistungsumfangs.
  • Beitragshöhe im Vergleich zur GKV: Im Jahr 2023 zahlten die Nicht-Beihilfeversicherten nach 20-jähriger Versicherungszugehörigkeit im Durchschnitt Beiträge, die deutlich unter dem GKV-Höchstbeitrag und in etwa auf dem Niveau eines durchschnittlichen GKV-Beitrags für Arbeitnehmer lagen.
  • Beitragshöhe in Abhängigkeit vom Alter: Unter den langfristig Versicherten steigt im Jahr 2023 die Beitragshöhe nicht kontinuierlich mit dem Lebensalter. Vergleicht man die Durchschnittsprämien je Altersstufe, so wird der Gipfel beim Alter von 60 Jahren erreicht und liegt in höheren Altersstufen darunter.
  • Beitragssprünge: Knapp 15 % der langfristig Versicherten hatten eine sprunghafte Beitragsentwicklung, bei den Status-Wechslern war dies überdurchschnittlich häufig (30 %). Die Beitragsveränderungen in den einzelnen Jahren gestalten sich teilweise sehr unterschiedlich: Jahren, in denen die Beiträge für mehr als 80 % der langfristig Versicherten stärker als 10 % stiegen, stehen mehrere Jahre gegenüber, in denen die Beiträge für mehr als 90 % der Versicherten unverändert blieben oder sogar sanken.

Während die Beitragsveränderungen über den gesamten Zeitraum betrachtet häufig durch versichertenindividuelle Faktoren – wie Veränderung des Leistungsumfangs oder Gewinn/Verlust eines Beihilfeanspruchs – erklärt werden können, lassen sich die beobachteten sprunghaften Beitragsveränderungen auch auf die regulatorischen Rahmenbedingungen zurückführen. Die gegenwärtigen Kalkulationsvorschriften verhindern eine stärkere Glättung der Beitragsentwicklung. Sie bewirken, dass Änderungen der Rechnungsgrundlagen oft nur verzögert, dann aber zeitlich stark komprimiert berücksichtigt werden. Empfehlenswert ist daher, Möglichkeiten zu regelmäßigeren Anpassungen zu schaffen, indem z. B. Schwellenwerte für die sogenannten auslösenden Faktoren abgesenkt oder auch Änderungen der Zinsentwicklung als auslösender Faktor anerkannt werden.

 

[1] Insgesamt sind rd. 2,5 Millionen Personen bei der Debeka Krankenversicherung vollversichert. Für die Analyse ausgewählt wurden hiervon diejenigen Personen, die im Jahr 2023 eine ununterbrochene 20-jährige Versicherungszugehörigkeit aufwiesen.

[2] Ein sehr umfangreicher Versicherungsschutz zeichnet sich bei der Debeka Krankenversicherung durch die Komponenten „Einbettzimmer“ und „stationäre Wahlleistungen“ aus.

 

Albrecht M., Sander M., Hildebrandt S. (2023): Beitragsentwicklung in der PKV: Studie zur Entwicklung der Beiträge im Bestand und ihren wesentlichen Bestimmungsfaktoren Ergebnisse für den Zeitraum 2003 bis 2023, IGES Institut, Berlin.

 


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