Statistiken im Gesundheitswesen: Bundeshaushalt

Dr. Ines Niehaus, Redakteurin Observer Datenbank, Observer Gesundheit

Welche frei verfügbaren Datensätze über das deutsche Gesundheitswesen gibt es eigentlich, und wofür kann man diese verwenden? Mit den Beiträgen zu Statistiken im Gesundheitswesen geben wir Antworten auf diese Fragen. Wir zeigen in unserer losen Serie ausgewählte Datensätze, geben Inspirationen für mögliche Datenauswertungen, decken Trends im Gesundheitswesen auf und eröffnen einen kurzen verständlichen Einblick in die statistische Erhebungsmethodik. Mit diesem Wissen ist es möglich, bei nächster Gelegenheit diese Datensätze für ausgewählte Fragestellungen zu nutzen. Heute: Bundeshaushalt.

Der verwendete Datensatz

 

Tabelle 1

Quelle: In Anlehnung an [1].

 

Die Debatte zur aktuellen Haushaltsgesetzgebung (Haushaltsgesetz 2024, Finanzplan des Bundes 2023 bis 2027, Haushaltsfinanzierungsgesetz) ist voll im Gange. Die drastischen Kürzungen der Bundeszuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung werden angeregt diskutiert. Der folgende Trendbeitrag soll einen Blick in die Vergangenheit und Zukunft werfen, um aktuelle Entscheidungen in der Haushaltsgesetzgebung besser einordnen zu können. Hierfür wurde unter anderem die Quelle „Bundeshaushalt digital“ [1] verwendet.

 

Was ist mit dem Datensatz möglich?

In der Datenquelle „Bundeshaushalt digital“ können die Haushaltsdaten (2012–2024) abgerufen und visualisiert dargestellt werden. Dabei können Daten zu den Einnahmen und Ausgaben sowie zu den Soll- und Ist-Werten für Jahresvergleiche verwendet werden. Ferner stehen weitere Filterfunktionen zur Verfügung. So lassen sich beispielsweise die Bundeshaushaltsausgaben für das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) detailliert nach einzelnen Posten aufschlüsseln, z.B. gesetzliche Krankenversicherung (GKV), Prävention und Gesundheitsverbände oder Robert Koch-Institut.

Um die Trendentwicklung perspektivisch zu erweitern, wurden weitere Datenquellen für die folgenden Schaubilder hinzugezogen (z.B. [2,3,8]). 

 

Welche Trends lassen sich ableiten?

Der Bundeshaushalt und das BMG: Konsequenzen des Schließens der Einnahmen-Ausgaben-Schere zeigt sich zeitverzögert für das BMG

Die Entwicklungen der allgemeinen Einnahmen- und Ausgaben des Bundeshaushaltes für die Jahre 2012 bis 2027 sind in der Abbildung 1 dargestellt. Es wird deutlich, dass sich ab 2020 die Einnahmen und die Ausgaben des Bundes immer weiter voneinander entfernt haben. Diese Einnahmen-Ausgaben-Schere schließt sich ab dem Jahr 2022 wieder. Aus dem Finanzplan des Bundes [2] geht hervor, dass die nahezu vollständige Schließung der Schere in den nächsten Jahren erreicht werden soll. Dieses Ziel lässt sich aber ohne entsprechende Kürzungen nicht erreichen.

 

Abbildung 1: Bundeshaushalt, Einnahmen und Ausgaben von 2012 bis 2027

 

Abbildung 1

Quelle: Bundeshaushalt digital [1] und Finanzplan des Bundes [2]. 

 

Es stellt sich daher die Frage: Welche Konsequenzen hat diese Schließung explizit für das Gesundheitswesen? Einen ersten Eindruck vermittelt die Abbildung 2, in der der Anteil des BMG an den Gesamthaushaltsausgaben für die Jahre 2012 bis 2024 dargestellt ist. Die Konsequenzen bzgl. des Schließens der Einnahmen-Ausgaben-Schere zeigt sich mit einem Jahr Zeitverzögerung ab 2023 (–8 %) gravierend beim BMG. Von 2020 (8 %) bis 2022 (14 %) hatte das BMG einen steigenden Anteil an den Bundeshaushaltsausgaben. Für 2024 sind für das BMG noch ca. 16.220.500.000 € an Bundeshaushaltsausgaben geplant. Damit liegen 2024 die Bundeshaushaltsausgaben für das BMG nur noch leicht über den Ist-Ausgaben vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 (15.205.287.000 €).

 

Abbildung 2: Anteil des Bundesministeriums für Gesundheit an den Gesamthaushaltsausgaben des Bundes von 2012 bis 2024

 

Abbildung 2

Quelle: Bundeshaushalt digital [1].

 

Die Bundeszuschüsse und die GKV-Ausgaben: Zuschuss wieder auf Vor-Corona-Niveau

Wo wurde im BMG-Budget am meisten gespart? Hier lohnt sich ein Blick auf die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Im Jahr 2022 bezuschusste der Bundeshaushalt die GKV noch mit 49.729.472.000€ [1]. Im Jahr 2024 betragen die geplanten Bundeszuschüsse für die GKV nur noch 14.520.580.000€ [1]. Es handelt sich hierbei also um eine Kürzung von fast 70 %.

Wie kommt diese drastische Senkung der Bundeszuschüsse für die GKV zustande? Die Antwort darauf ist die Corona-Pandemie. In der Abbildung 3 sind ausgewählte Ausgabenentwicklungen des Bundes für die GKV dargestellt. Es zeigt sich, dass die Leistungen des Bundes im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ab 2023 drastisch zurückgegangen sind. Ab 2025 sollen sich die GKV-Bezuschussung des Bundes nur noch auf den Posten für die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben (14,5 Milliarden €) beschränken und damit wieder das „Vor-Corona-Niveau“ erreichen.

 

Abbildung 3: Bundeszuschuss zur GKV von 2012 bis 2027

 

Abbildung 3

 

Quelle: Bundeshaushalt digital [1] und Finanzplan des Bundes [2]. 

 

Die Ausgaben der GKV sind in den letzten Jahren zunehmend angestiegen [3] und werden dies perspektivisch auch weiter tun, so die Prognose von Experten [8]. Der Bundeszuschuss trägt nur einen kleinen Anteil der GKV-Ausgaben (siehe Abbildung 4). Bedingt durch die Corona-Pandemie, deckte der Bundeszuschuss 2020 (7 %), 2021 (11 %) und 2023 (16 %) einen höheren Anteil der GKV-Ausgaben ab. Basierend auf den vorherigen Erkenntnissen (d.h. Fixierung des GKV-Bundeszuschusses auf 14,5 Milliarden € und steigende GKV-Ausgaben) wird der Bundeszuschuss immer weniger zu der Deckung der GKV-Ausgaben beitragen, was auch in Abbildung 4 deutlich wird.

 

 Abbildung 4: Prozentualer Anteil des GKV-Bundeszuschusses an den GKV-Ausgaben von 2012 bis 2024

 

Abbildung 4

Quelle: Bundeshaushalt digital [1], GBE-Bund [3] und BAS [8].

 

Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge und die soziale Pflegeversicherung: Durchbruch der 40er-Schallmauer – weniger Zuschüsse, dafür höhere Beiträge

Wie kommt nun mehr Geld ins System? Über höhere Beiträge. Die Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge sind in Abbildung 5 dargestellt. Im Jahr 2023 wurde erstmalig die 40er Schallmauer, zeitgleich mit den Konsequenzen der schließenden Einnahmen-Ausgaben-Schere (siehe Abbildung 1 und 2), durchbrochen. Eine Erhöhung für die Krankenkassenbeiträge zeigte sich im prognostizierten Zusatzbeitragssatz. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung erhöhte sich ab dem 01. Juli 2023 am stärksten, von 3,05 % auf 3,4 %. Mitglieder mit mehreren Kindern werden ab dem zweiten bis zum fünften Kind mit einem Beitragsabschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind entlastet. Ebenfalls erhöhte sich im Rahmen der Pflegeversicherung der Zuschlag für Kinderlose von 0,35 % auf 0,6 %. Die Finanzierung der Pflegeversicherung ist angespannt. Mit dem Finanzplan des Bundes [2] soll die soziale Pflegeversicherung ebenfalls weitere Einschnitte erfahren. Der Bundeszuschuss zur pauschalen Beteiligung an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung (1 Milliarde €) soll für 2024 bis 2027 entfallen. Zur Gegenfinanzierung soll die Zuführung an den Pflegevorsorgefonds für 2024 bis 2027 auf 700 Millionen € reduziert werden.

 

 Abbildung 5: Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge in Prozent von 2020 bis 2023

 

Abbildung 5

Quelle: BMG [4] und GKV-Spitzenverband [5-6].

 

Es wird ersichtlich, dass die aktuelle Haushaltsgesetzgebung für ordentlich Zündstoff im Gesundheitswesen sorgt. Es bleibt abzuwarten, ob und ggf. wie sich die Sparmaßnahmen der Bundesregierung noch abwenden lassen – wahrscheinlich ist es nicht. Der Bundesrat spricht sich eindeutig für eine Erhöhung des Bundeszuschusses zur sozialen Pflegeversicherung aus [7].

 

 

[1] Bundesministerium für Finanzen. Bundeshaushalt digital. Abgerufen am 16.10.2023. Abrufbar unter: https://www.bundeshaushalt.de/DE/Bundeshaushalt-digital/bundeshaushalt-digital.html.

[2] Deutscher Bundestag. Unterrichtung durch die Bundesregierung – Finanzplan des Bundes 2023 bis 2027. Drucksache 20/7801. Abgerufen am 16.10.2023. Abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/20/078/2007801.pdf.

[3] Gesundheitsberichtserstattung des Bundes. Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (insgesamt in Mrd. €, je Mitglied in € und je Versicherten in €). Abgerufen am 16.10.2023. Abrufbar unter: https://www.gbe-bund.de/gbe/pkg_olap_tables.prc_set_hierlevel?p_uid=gast&p_aid=25579786&p_sprache=D&p_help=2&p_indnr=627&p_ansnr=48174433&p_version=5&p_dim=D.000&p_dw=3732&p_direction=rollup.

[4] Bundesministerium für Gesundheit. Daten des Gesundheitswesens 2022. Abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/230223_BMG_DdGW_2022.pdf.

[5] GKV-Spitzenverband. Zusatzbeitragssatz. Abgerufen am 16.10.2023. Abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/kv_grundprinzipien/finanzierung/zusatzbeitragssatz/zusatzbeitragssatz.jsp.

[6] GKV-Spitzenverband. Faktenblatt – Rechengrößen und Grenzwerte im Versicherungs- u. Beitragsrecht 2023. Abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/service_1/zahlen_und_grafiken/20230101_Faktenblatt_Rechengroessen_Beitragsrecht.pdf.

[7] Bundesrat. Stellungnahme des Bundesrates – Entwurf Haushaltsfinanzierungsgesetz. Drucksache 366/23. Abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0301-0400/366-23(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1.

[8] Bundesamt für Soziale Sicherung. Pressemitteilung (12.10.23): GKV-Schätzerkreis schätzt die finanziellen Rahmenbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung für die Jahre 2023 und 2024. Abgerufen am 23.10.2023. Verfügbar unter: https://www.bundesamtsozialesicherung.de/fileadmin/redaktion/Presse/2023/Pressemitteilung-BAS_Schaetzerkreis_2023.pdf.

 

 

Lesen Sie zu dieser Reihe auch:

Dr. Ines Niehaus: „Statistiken im Gesundheitswesen: Pflegestatistik“, Observer Gesundheit, 13. Februar, 2023,

Dr. Ines Niehaus: „Statistiken im Gesundheitswesen: Gesundheitspersonalrechnung“, Observer Gesundheit, 27. Juli 2022.


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