Laptop und Lederhose auch in der Gesundheitspolitik?

Ein Blick in das neue CSU-Grundsatzprogramm

Robin Rüsenberg, Lehrbeauftragter am Institute of Comparative Politics and Public Policy an der TU Braunschweig

Noch nicht ganz im Fokus der breiten Öffentlichkeit ist – neben der großen Schwester CDU – auch die CSU dabei, sich ein neues Grundsatzprogramm zu geben. Titel: „Für ein neues Miteinander“. Mit Stand vom 17. April 2023 liegt nun eine Beschlussvorlage vor.

Die CSU gibt sich – stark vereinfacht – jedes Jahrzehnt ein neues Grundsatzprogramm, nur die 1980er Jahre wurden ausgelassen. Die gültige Version von 2016 behandelt das Politikfeld Gesundheit und Pflege recht knapp. Das absehbare neue Grundsatzprogramm gibt der Gesundheitspolitik schon mehr Raum. Wohin könnte die gesundheitspolitische Reise gehen?

 

Mehr Raum für Gesundheitspolitik

Die Partei bleibt sich dabei in den wesentlichen Zügen treu, d. h. etwa freie Arzt- und Krankenhauswahl sowie Therapiefreiheit, Freiberuflichkeit der Ärzte, flächendeckende Versorgung als Ziel, Eigenverantwortung ohne den Einzelnen zu überfordern oder alleinzulassen, etc. Dazu ein paar regionale Spezifika, zuvorderst natürlich Lob der bayerischen Kurorte, Heilbäder sowie Rehabilitationseinrichtungen. Bei der Finanzierung ging die CSU immer schon einen dritten Weg zwischen Bürgerversicherung („Einheitsversicherung“) und „Kopfpauschale“, die übrigens genauso auch in dem Entwurf genannt wird – beide werden abgelehnt. Rolle des Bundeszuschusses? Wird nicht erwähnt. Außerdem steht man zu gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Effizienzgewinne könnten zudem durch Bürokratieabbau, intersektorale und interdisziplinäre Zusammenarbeit erreicht werden. Soweit alles klassisch CSU.

Ein Update gibt es aber doch: Resilienz steht auch bei den Christsozialen hoch im Kurs, konkret bei (Kinder-) Arzneimittel- und Schutzausrüstungssicherheit. Der Klimawandel und seine Auswirkungen werden erwähnt. Außerdem soll das Potenzial der Telemedizin ausschöpft werden. Und die Partei bekennt sich zu innovativer Arzneimittel- und Medizinprodukteversorgung, effizienter Nutzung von Gesundheitsdaten und natürlich zum „Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland mit seinen innovationsstarken Unternehmen“. Hier wird der nicht unwichtige Pharmastandort Bayern mitgedacht (siehe auch die jüngsten Initiativen zum Thema von Gesundheitsminister Holetschek). Wie weit diese gesundheitswirtschaftliche Ausrichtung am Ende geht, wird man sehen müssen. Denn es gilt auch: „Die Krankenversorgung darf nicht primär der Generierung von Gewinnen dienen. … Wir sind gegen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen.“ Außerdem wird die Stabilität der Sozialversicherungsbeiträge erwähnt. In der Tagespolitik wird hier womöglich ein Austarieren notwendig werden.

Bemerkenswerterweise wird in dem Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm gar nicht auf die Länderkompetenzen im Bereich Krankenhausplanung gepocht, was vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Lauterbachsche Krankenhausreform ein wenig überrascht. Auch die Hausärzteschaft, die sich beim § 73b SGB V auf die CSU verlassen konnte, wird nicht hervorgehoben. Dafür erfahren die Pflegekräfte Wertschätzung. Ihre Arbeitsbedingungen sollen verbessert werden.

 

Schnittmengen zum CDU-Grundsatzprogramm

Zum Verhältnis zum neuen CDU-Grundsatzprogramm, das sich ja ebenfalls in der Mache befindet: Dass es zwischen den beiden Schwesterparteien auch gesundheitspolitisch ruckeln kann, ist bekannt. Mit Angela Merkels Gesundheitsprämie ist die CSU nie warm geworden, Horst Seehofer trat einst als stellvertretender Fraktionsvorsitzender deswegen zurück. Auch auf die Hausarztverträge ­– ein weiteres Beispiel – hatte man andere Sichtweisen (insofern interessant, dass ausgerechnet die CDU diese nun im neuen Grundsatzprogramm positiv erwähnt). Am Ende hat man sich aber immer geeinigt (notfalls gab es zum gemeinsamen Wahlprogramm eben noch einen zusätzlichen „Bayernplan“, so etwa 2017 und 2021). Und die große Schwester verzichtet ja nun wahrscheinlich ohnehin auf die „Kopfpauschale“. Prävention, Eigenverantwortung, Gesundheitswirtschaft, etc. – die Schnittmengen sind natürlich auch grundsatzprogrammatisch vorhanden. Ein Punkt fällt aber auf: Die CDU will das Versorgungsgeschehen künftig stärker steuern (keine freie Arztwahl, ggf. Praxisgebühr). Das sehen die Christsozialen ganz offenbar anders (s. o.).

 

Fazit

Eine gesundheitspolitische Revolution steht bei den Christsozialen nicht ins Haus. Für Grundsatzprogramme typisch definiert der Entwurf auch eher Ziele und weniger schon konkrete Maßnahmen. Das neue Grundsatzprogramm soll auf dem Parteitag am 6. Mai 2023 beschlossen werden.

 

Der Autor vertritt seine private Meinung. 

 

Weitere Beiträge von Robin Rüsenberg zur Programmatik von Parteien und Koalitionen: 

„CDU-Gesundheitspolitik back to the future?“, Observer Gesundheit, 20. April 2023,

„Wie drei ungleiche Parteien sich auf Gemeinsames einigen“, Observer Gesundheit, 14. Februar 2022,

„Ampel-Schaltung: Wie geht es jetzt bei den Koalitionsverhandlungen weiter“, Observer Gesundheit, 27. Oktober 2021,

„Was erwartet Deutschland bei einer Ampel-Koalition“, Observer Gesundheit, 1. Oktober 2021.


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