Umsetzung des Koalitionsvertrages zu Pflegepersonalkosten im Krankenhaus

Maximilian Gerade

Während 2013 das Kapitel „Gesundheit und Pflege“ des damaligen Koalitionsvertrages schwerpunktmäßig die Qualität der Versorgung betonte, steht im diesjährigen Koalitionsvertrag die Pflege im Mittelpunkt. Eine durchaus nachvollziehbare Resonanz auf die zunehmenden pflegerischen Probleme in den Institutionen und bei der Personalgewinnung, die sich bei der absehbaren demographischen Entwicklung noch verschärfen werden. Neben der Langzeitpflege trifft dies auch und im besonderen Maße auf die Krankenhausversorgung zu. Von daher wird ein ganzes Bündel von Maßnahme für die Pflege gerade in der stationären Versorgung im Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode vorgegeben: von einer verbesserten Pflegeausbildung und Schulgeldfreiheit, über eine Refinanzierung von Tarifkostensteigerungen, die Absicherung von Pflegepersonaluntergrenzen, die Pflegekostenerstattung, bis hin zu einem möglichen Bedeutungszuwachs der Pflege und der anderen Gesundheitsfachberufe bei den Zuständigkeiten – deutliche Eckpunkte für eine Stärkung der Pflege.

Erstaunlich ist allerdings, wie schnell Um- und Fehlinterpretationen dieser Agenda um sich greifen – insbesondere beim Thema der Pflegepersonalkosten: Dabei ist der Koalitionsvertrag doch eigentlich in diesem Punkt glasklar. Jedem Haus werden seine Aufwendungen für die Pflege 1:1 vergütet. Selbstverständlich werden die bisher in den DRGs berücksichtigten Pflegekosten bereinigt. Damit decken künftig die Fallpauschalen nur noch 75 bis 80 Prozent der durchschnittlichen Kosten ab, genug um das wettbewerbliche Handeln der Krankenhausversorgung aufrecht zu halten. Die restlichen 20 bis 25 Prozent der Ausgaben für die hausindividuellen Pflegekosten werden unabhängig davon erstattet. Damit unterliegt die Pflege nicht mehr den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Häuser, anders ausgedrückt: Bei der Pflege zu sparen, macht keinen Sinn mehr. Gute Pflege wird so gestärkt.

Ganz nebenbei kann damit einiges an bürokratischem Ballast abgeworfen werden: Der aufwändige Pflegekomplexmaßnahmen-Score (PKMS) kann ebenso entfallen, wie die Abfrage der Pflegegrade für die DRG-Berechnung. Bei den Kalkulationskrankenhäusern und im INEK können die Erhebung, Abfrage und Berücksichtigung der Kostenanteile für die Pflege an den DRGs entfallen. Ein guter Beitrag zum immer wieder eingeforderten Bürokratieabbau.

Natürlich ist – um die Worte des neuen Bundesgesundheitsministers aufzugreifen – noch einiges an Gehirnschmalz für die Ausgestaltung notwendig: Für welche Berufsgruppen und Tätigkeitsfelder im Krankenhaus genau gilt die Kostenerstattung? Wie kann verhindert werden, dass bisher von anders oder weniger qualifiziertem Personal wahrgenommene Aufgaben auf examinierte Pflegekräfte rückübertragen werden?

Die darüber hinaus im Koalitionsvertrag abgesicherte Refinanzierung von Tarifanpassungen ist als Maßstab für die Pflegepersonalkostenerstattung ebenso wichtig, wie die Ausweitung der Pflegepersonaluntergrenzen, die dazu dienen, gefährliche Pflege auf jeden Fall zu verhindern – da auch die komplette Refinanzierung von Pflegepersonal nicht davor schützt, dass das Haus zu wenig Pflegekräfte vorhält.

Der Dreiklang Untergrenzen, Refinanzierung der Tarifanpassungen und Kostenerstattung ist von daher wohlweißlich aufeinander abgestimmt und soll Krankenhäusern eine auskömmliche Refinanzierung des Pflegpersonals und diesem gut bezahlte und fachlich vertretbare Pflege ermöglichen.

Umso erstaunlicher sind die Missinterpretationen, die momentan in Berlin kursieren. Der GKV-Spitzenverband denkt anscheinend über eine zweite DRG-ähnliche Pflegepauschale nach und will den Pflegeaufwand tages- und patientenbezogen in aufwandgleiche Gruppen einordnen, was überhaupt nichts mit hausindividueller Kostenerstattung zu tun zu haben scheint. Die DKG begrüßt zwar den neuen Gedanken erst einmal, will aber eigentlich nicht, dass den Krankenhäusern die Option genommen wird, an der Pflege zu sparen. Sie spricht deshalb von Spielräumen, die den Krankenhäusern verbleiben sollen, das Geld für die Pflege nach ihrem Gusto einzusetzen. Und selbst der neue Bundesgesundheitsminister sinnierte bei seiner ersten Rede vor dem DRG-Kongress darüber, die Pflegekostenerstattung „managementfähig“ auszugestalten. Auch hier bleibt unklar, wie eine klare und einfache Kostenerstattung durch das Management beeinflusst werden soll.

Wir gehen einmal freundlich davon aus, dass hier simple Verständnisprobleme in Bezug auf das Gewollte vorliegen. Oder sollten hier bewusst falsche Fährten gelegt werden, weil man nicht will, dass die Pflege aus dem ökonomischen Primat des Krankenhausmanagements herausgeholt wird? Das wäre zwar trickreich, aber negiert den Koalitionsvertrag, der nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch durchaus als verbindlicher Auftrag an die Handelnden zu verstehen ist.

Jahrelang haben die Krankenhäuser an der Pflege gespart und sind damit riskant mit der Gesundheit von Patienten und Pflegepersonal umgegangen. Alle Beteiligten sollten dankbar sein, wenn dieser Makel in unserem Gesundheitswesen politisch korrigiert wird und die Krankenhäuser dafür noch finanziell voll kompensiert werden. Das Projekt gehört schnell umgesetzt und nicht zerredet.


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