AMNOG-Erstattungspreise eignen sich nicht zur Skandalisierung!

Erwiderung zum Kommentar von Jens Baas, TK,: „Zukunft der Arzneimittelpreise: Es geht nicht ohne Transparenz“

Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V.

Die Techniker Krankenkasse (TK) gehört sicherlich zu den innovationsoffeneren Kassen. Insofern verwundert die Einlassung ihres Vorsitzenden Dr. Jens Baas setzen  umso mehr, der wiederholt und wie in jedem Jahr pünktlich zum Herbstanfang das Schreckgespenst ausufernder Arzneimittelausgaben an die Wand wirft und davon abgeleitet Anpassungen des AMNOG-Prozesses fordert. Und auch in diesem Jahr lohnt der Blick auf die Fakten.

Bevor ich mich den Argumenten aber im Einzelnen widme, lassen Sie mich eins vorwegschicken: Die Corona-Pandemie zeigt sehr deutlich, dass der wesentliche Baustein für die Behebung der Krise in geeigneten Arzneimitteln und Impfstoffen liegen wird. Dies gilt in gleicher Weise auch für bisher nicht ausreichend oder unbehandelbare und vielfach seltene Erkrankungen außerhalb von Corona. Dies anzuerkennen bedeutet auch, die Rahmenbedingen für die Industrie, die diese Arzneimittel und Impfstoffe entwickelt, so zu gestalten, dass auch zukünftig derartige Innovationen entstehen können.

 

„Extreme Ausgabensteigerungen“ – nicht bei Arzneimitteln!

Baas beklagt siebenstellige Kosten für hochinnovative Arzneimittel aus dem Bereich der Gentherapien. Er vergisst zu erwähnen, dass es sich in der Regel um Einmaltherapien handelt, die bei einem Therapieerfolg eine dauerhaft zu verabreichende Arzneimitteltherapie und von den Kassen zu zahlende Therapie ersetzen können. Zudem kommen diese Therapien nur für sehr wenige Patienten in Betracht, die zudem noch in spezifischen ausgewählten Zentren qualitätsgesichert behandelt werden. Und vor allem wird nicht erwähnt, dass die Arzneimittelausgaben der GKV seit Jahren stabil sind (siehe Grafik 1 unten). Die pharmazeutischen Hersteller leisten weiterhin ihren Beitrag zur Stabilisierung der GKV durch verschiedene Abschlags- und Rabattleistungen, Festbeträge und das nunmehr seit 2009 (!) bestehende Preismoratorium. Alleine die Rabatte aus AMNOG-Erstattungsbeträgen beliefen sich im Jahr 2019 auf 3,15 Mrd. Euro (siehe Grafik 2 unten), erheblich mehr als die Summe, die der Gesetzgeber bei der Einführung des AMNOG ins Auge gefasst hatte!

Als Beispiel für angeblich ausufernde Kosten der Vergangenheit wird erneut die so genannte „1000 Euro-Pille“ genannt. Gerade die Behandlung der Hepatitis C, die man mit gutem Grund auch als Heilung bezeichnen darf, ist ein völlig ungeeignetes Beispiel. Zum einen wurden durch die neuen Arzneimittel in erheblichem Ausmaß Folgekosten für die GKV eingespart, zum anderen wurden Patienten geheilt, die ansonsten lebenslang unter dem Fortschreiten der Erkrankung gelitten hätten. Und durch die schnelle Zulassung von weiteren Wirkstoffen im Anwendungsgebiet stellte sich zügig ein Preiswettbewerb ein – zusätzlich zu der Tatsache, dass die Preise aller neuen Wirkstoffe verhandelt wurden auf der Basis einer vorher durchgeführten Zusatznutzenbewertung. Sowohl bei der Zusatznutzenbewertung als auch bei der Preisverhandlung sitzt die GKV am Tisch.

Weiterhin genannt wird der Wirkstoff Alemtuzumab als Beispiel für Preissprünge bei weiterentwickelnder Forschung. Dieses Beispiel stammt aus dem Jahr 2012 und ist damit ein wirklicher Griff in die AMNOG-Mottenkiste. Allein die Tatsache, dass ein aktuelleres Beispiel wohl nicht zu finden war, erübrigt eigentlich jeden weiteren Kommentar. Dennoch auch hier der Hinweis, dass der AMNOG-Prozess als „lernendes System“ sofort angepasst wurde. Seitdem würden derartige Arzneimittelweiterentwicklungen einer Zusatznutzenbewertung und Erstattungsbetragsverhandlung unterliegen. An beidem ist die GKV maßgeblich beteiligt. Zur Skandalisierung sind alle Beispiele nicht geeignet.

 

AMNOG-Verfahren zur Preisregulierung ausreichend

Da die aufgeführten Beispiele ungeeignet sind, gilt das auch für die aus ihnen erfolgte Ableitung, das AMNOG sei alleine nicht mehr ausreichend. Die Behauptung, die Kassen hätten der Pharmaindustrie in den Verhandlungen nichts mehr entgegenzustellen, deckt sich nicht mit den täglichen Erfahrungen unserer Mitglieder, die den GKV-Spitzenverband keinesfalls hilflos erleben, sondern als sehr harten Verhandlungspartner. Und es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die GKV bereits im Bewertungsverfahren im G-BA in der Lage ist, an wesentlichen Stellschrauben mit zu drehen, um eine Zusatznutzenbewertung zu erhalten, die sie in den Preisverhandlungen in eine komfortable Position bringt.

Es ist in keiner Weise angebracht, die bereits derzeit ungleichen Spieße weiter zugunsten der GKV zu verlängern.

Und es ist auch überhaupt nicht nötig, denn derzeit bleiben innovative Ansätze wie erfolgsabhängige Vergütungsmodelle weitgehend ungenutzt. Diese werden auch als Pay-for-Performance-Modelle bezeichnet. (Das Positionspapier des BPI dazu finden Sie hier.) Sie könnten für bestimmte  hochinnovative Arzneimittel bspw. aus dem Bereich der Gentherapien zu Einsatz kommen, wenn beide Verhandlungsparteien dies wollen. Derzeit gibt es regulatorische Benachteiligungen für das Aufsetzen derartiger Modelle, für die der BPI in einem Positionspapier Lösungsansätze entwickelt hat. An dieser Stelle wären wir der TK für Unterstützung durchaus dankbar!

Auch die Behauptung fehlender Transparenz trägt nicht. Es gibt kaum einen transparenteren Prozess als den AMNOG-Prozess. Alle Bewertungsunterlagen inkl. des Dossiers des pharmazeutischen Unternehmens werden auf den Webseiten des G-BA veröffentlicht, dazu auch eine wörtliche Mitschrift der Anhörung. Und auch den verhandelten Erstattungsbetrag kann jeder ohne größeren Aufwand erfahren.

 

 

 


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