Wiedereinweisung in Kliniken hängt nicht nur von patientenbezogenen Faktoren ab

Analyse einer neuen US-amerikanischen Studie basiert auf Daten von mehr als 4,6 Millionen Patienten



Unabhängig von individuellen, patientenbezogenen Faktoren scheint das behandelnde Krankenhaus zum Risiko einer außerplanmäßigen Wiedereinweisung beizutragen. Das ist das Ergebnis einer neuen US-amerikanischen Studie[1], die auf einem Datensatz, der mehr als 4,6 Millionen Patienten umfasst, basiert. Danach erweist es sich als eher wahrscheinlich, dass derselbe Patient innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung erneut ins Krankenhaus eingewiesen wird, wenn die Behandlung in einem Krankenhaus mit allgemein höheren Wiedereinweisungsraten als in einem Krankenhaus mit allgemein niedrigeren Wiedereinweisungsraten erfolgt ist.

In den USA spielt die von den Zentren für Medicare und Medicaid Services[2] (CMS) durchgeführte Berechnung und Berichterstattung der risikostandardisierten 30-tägigen-Wiedereinweisungsraten eine zunehmend größere Rolle in der Gesundheitsversorgung. Dabei stellen die Raten das Fundament der Krankenhausbeurteilung im Rahmen des „Hospital Readmissions Reduction Program“, einem Qualitätsanreizprogramm, dar und sollen unter Berücksichtigung von Case-Mix-Unterschieden die Versorgungsqualität bewerten.

Mit der zunehmend wachsenden Rolle der Wiedereinweisungsraten werden ebenfalls auch die Gegenstimmen lauter, die deren Eignung als Qualitätsindikator in Frage stellen.[3] Hierbei wird insbesondere die Adäquanz der Risikoadjustierung angezweifelt.

Um einen möglichst fairen Vergleich zwischen Krankenhäusern zu ermöglichen, dient ein Verfahren zur Risikoadjustierung allgemein dazu, mögliche Störgrößen zu kontrollieren, auf die das Krankenhaus zwar selbst keinen Einfluss ausübt, die allerdings die Ergebnisse beeinflussen und somit den Vergleich verzerren. Dabei werden die Ergebnisse idealerweise um alle messbaren, nicht durch das Krankenhaus zu beeinflussenden Unterschiede wie bspw. das Alter des Patienten und das Erkrankungsstadium korrigiert. Es existieren verschiedenste Verfahren zur Risikoadjustierung, wobei es immer ein verbleibendes Restrisiko gibt, dass die Ergebnisse maßgeblich durch Faktoren, die schier nicht berücksichtigt werden oder schwierig bzw. überhaupt nicht zu messen sind, beeinflusst werden.[4]

Anlehnend an die Bedenken einer geeigneten Risikoadjustierung bei den risikostandardisierten CMS-Wiedereinweisungsraten adressiert die neue US-amerikanische Studie die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Krankenhaus und dem Risiko einer Wiedereinweisung gibt, der komplett unabhängig von jeglichen Patientenfaktoren ist. Hierzu wurde die Tatsache ausgenutzt, dass viele Patienten für eine ähnliche Diagnose in mehr als einem Krankenhaus behandelt werden. Für Patienten mit Mehrfachaufnahmen konnten so die potenziell zu beobachtenden Wiedereinweisungen innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung aus den Krankenhäusern verglichen werden.

Die Wissenschaftler griffen für die Analyse auf einen Medicare-Abrechnungsdatensatz zurück, der für das Jahr Juli 2014 bis einschließlich Juni 2015 insgesamt knapp 7 Mio. Entlassungen von über 4,6 Mio. 65-jährigen oder älteren Patienten in über 4.700 Krankenhäusern innerhalb der USA umfasst. Für die Analyse wurde dieser Datensatz in einem ersten Schritt per Zufall geteilt. Aus der einen Hälfte des Datensatzes wurden die risikostandardisierten CMS-Wiedereinweisungsraten der Krankenhäuser zunächst sortiert und dann auf Basis dieser Sortierung in vier gleich große Abschnitte, von den Autoren Leistungsquartile genannt, geteilt. Das leistungsschwächste Quartil umfasst somit die 25% der Krankenhäuser der Datensatzhälfte mit den höchsten Wiedereinweisungsraten, das Leistungsstärkste demgegenüber die 25% mit den niedrigsten Raten. Die Mittelwerte der Wiedereinweisungsraten des leistungsstärksten bis hin zum leistungsschwächsten Quartil liegen bei 15,0%, 15,4%, 15,7% und 16,5%.

Aus der anderen Hälfte des Datensatzes wurden diejenigen Patienten in die Krankenhausvergleichsanalyse eingeschlossen, die folgende zwei Einschlusskriterien erfüllten: Einerseits mussten sie innerhalb des Studienjahres (zwischen Juli 2014 und Juni 2015) mit derselben oder einer vergleichbaren Diagnose[5] in zwei unterschiedliche Krankenhäuser eingewiesen worden sein[6], andererseits mussten diese beiden unterschiedlichen Krankenhäuser, basierend auf ihren CMS-Wiedereinweisungsraten, zu verschiedenen Leistungsquartilen gehören. So konnten insgesamt über 37.500 Patienten identifiziert werden, die sich als geeignet erwiesen. Für jede der zwei Einweisungen pro Patient wurde überprüft, ob es zu einer Wiedereinweisung innerhalb von 30-Tagen nach Entlassung gekommen ist. Die Gegenüberstellung der beobachteten Wiedereinweisungsraten erfolgte dabei nach Quartilspaaren, das heißt es wurden für den Paarvergleich von Quartil 1 und 2 bspw. alle beobachteten Wiedereinweisungsraten derjenigen Patienten verglichen, die bei ihrer ersten Einweisung in einem Krankenhaus, das zum ersten Leistungsquartil gehört, und bei ihrer zweiten Einweisung in einem Krankenhaus, das zum zweiten gehört, behandelt worden sind.

Die Wissenschaftler überprüften zudem, dass sich die einzelnen Quartile einerseits nicht grundlegend in Bezug auf die Patientencharakteristika unterscheiden und andererseits die Reihenfolge der Einweisungen in das gemessen an den CMS-Wiedereinweisungsraten vergleichsweise bessere bzw. schlechtere Krankenhaus bei den verschiedenen Krankenhauspaaren gleichermaßen variiert.

Die Abbildung stellt die absolute Differenz in den Wiedereinweisungsraten – ausgedrückt in Prozentpunkten – zwischen zwei Quartilen graphisch dar, wobei hier die Unterschiede in Bezug auf die jeweilige Referenzkategorie (links oben neben dem jeweiligen Kasten) abgebildet sind. Der Paarvergleich zeigt, dass die beobachteten Wiedereinweisungsraten bei Krankenhäusern in schlechter abgeschnittenen Quartilen stets höher liegen. Allerdings erweist sich die absolute Differenz zwischen den Raten einzig bei der Gegenüberstellung des besten zum schlechtesten Quartils (Q1 vs. Q4) als statistisch signifikant. Dabei liegt der absolute Unterschied der beobachteten Wiedereinweisungsraten bei 2 Prozentpunkten (1. Quartil: 23,1% zum 4. Quartil: 25,1%). Anders ausgedrückt bedeutet dies eine zusätzliche Wiedereinweisung für jeden 50. Patienten, der in ein Krankenhaus eingewiesen wird, das gemessen an den risikostandardisierten CMS-Wiedereinweisungsraten zu dem schlechtesten Leistungsquartil gehört, anstelle eines Hauses, das zu dem besten Quartil gehört.

 

 

Gemäß den Studienergebnissen scheinen Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit einer Wiedereinweisung zwischen Krankenhäusern vorzuliegen, die unabhängig von patientenbezogenen Faktoren sind. Worauf diese Unterschiede allerdings im Detail zurückzuführen sind, bleibt zunächst offen. Während sich für Patienten die CMS-Wiedereinweisungsraten – insbesondere deren Extremausprägungen – als relevant darstellen und somit bei einer Krankenhauswahl nicht unberücksichtigt bleiben sollten, heißt es für das Krankenhausmanagement vorerst, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um die Unterschiede zwischen Krankenhäusern erklären zu können.

Fazit: Die Analyse dieser Studie zeigt, dass es sichtbare Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit einer Wiederweinweisung zwischen Krankenhäusern zu geben scheint, die losgelöst von jeglichen Patientenfaktoren sind.

Was bleibt offen? Ob diese Unterschiede nun durch die Leistung des Krankenhauses selbst verschuldet werden oder auf äußere, nicht durch die Leistung des Krankenhauses zu beeinflussende, Faktoren zurückzuführen sind, bleibt an dieser Stelle unklar. Die bereits zitierte Studie von Herrin et al. (2015) liefert diesbezüglich folgende Tendenz: Charakteristika der Gemeinde, in der das Krankenhaus sich befindet und die demnach außerhalb des Einflussbereiches des Krankenhauses liegen, üben einen größeren Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Wiedereinweisung aus als leistungsbezogene krankenhausspezifische Faktoren.

 

[1] Krumholz, Harlan, Wang, Kun, Lin, Zhenqiu, Dharmarajan, Kumar, Horwitz, Leora I., Ross, Joseph S., Drye, Elizabeth E., Bernheim, Susannah M. und Sharon‑Lise T. Normand (2017): „Hospital-Readmission Risk – Isolating Hospital Effects from Patient Effects“, The New England Journal of Medicine.

[2] Medicare und Medicaid Services stellen US-amerikanische-Gesundheitsdienstleistungen für ältere Menschen sowie sozialhilfeartigen Leistungen dar.

[3] Z.B. Herrin, Jeph, St. Andre, Justin, Kenward, Kevin, Joshi, Maulik S., Audet, Anne-Marie J. und Stephen C. Hines (2015): “Community Factors and Hospital Readmissions Rates”, Health Services Research. Besprochen im Observer Gesundheit (2018): Wiedereinweisungen von Patienten stellen kein gutes Qualitätsmaß für Krankenhäuser dar, https://observer-gesundheit.de/wiedereinweisungen-von-patienten-stellen-kein-gutes-qualitaetsmass-fuer-krankenhaeuser-dar/

[4] Becker, Andreas, Stausberg, Jürgen, Fischer, Burkhard, Carstanjen, Dirk und Maria Weyerman (2016): „Der zunehmend größeren Rolle stehen eine zunehmend“, Das Krankenhaus.

[5] Unter vergleichbarer Diagnose werden im Spezifischen Hauptdiagnosen, die nach der Einteilung der ICD-9 (Internationalen Klassifikation der Krankheiten, 9. Revision) zu der gleichen Diagnosekategorie gehören, verstanden.

[6] Die Einweisungen in die verschiedenen Krankenhäuser müssen mindestens 30 Tage auseinanderliegen, sodass es keine Überscheidungen zu den zu analysierenden Wiedereinweisungen innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung gibt.

 

Redaktion / Mona Groß


Observer Gesundheit Copyright
Alle Beiträge Management/Wissenschaft ansehen