Podiumstalk und Frühlingsfest von Pro Generika

Bork Bretthauer, Geschäftsführer Pro Generika, eröffnet den Podiumstalk.
Paula Piechotta MdB (Bündnis 90/Die Grünen) vertritt allein die Ampel.
Josip Mestrovic (Pro Generika) meldet sich zu Wort.
Georg Kippels MdB (CDU) spricht für die Opposition.
Erst der Podiumstalk, dann Frühlingsfest von Pro Generika: Andreas Burkhardt (Pro Generika), Paula Piechotta MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Georg Kippels MdB (CDU) und Moderatorin Monika Jones (v.l.n.r.)
Ingrid Blumenthal (Pro Generika) mischt sich ein.
Andreas Burkhardt (Pro Generika) hält nicht hinter dem Berg.
Selbstbewusster Auftritt in der Höhle des Löwen: Johannes Bauernfeind (AOK Baden-Württemberg) mit Gloria von Schorlemer (Pro Generika)
Die ABDA unter sich mit Mathias Arnold, Sebastian Schmitz und Thomas Benkert (v.l.n.r.)
Die Kenner beim Fachsimpeln: Johannes Bauernfeind (AOK Baden-Württemberg), Thomas Müller (BMG), Bork Bretthauer (Pro Generika) (v.l.n.r.)
Gabriele Regina Overwiening (ABDA) im angeregten Gespräch
Lukas Löffler (Shop Apotheke) und Henning Stötefalke (DAK-Gesundheit) mit Kai Joachimsen (BPI) (v.l.n.r.)


Bei den Generika brennts! Das war – verkürzt ausgedrückt – die Botschaft, mit der Pro Generika zum diesjährigen Frühlingsfest lud. Das Problem ist allseits bekannt: Das Preisregime der GKV drückt die Generika-Preise auf das betriebswirtschaftliche Minimum. Explodierende Preise für Energie und andere Produktionsfaktoren lassen sich damit nicht auffangen.

Da wirkte es wie ein Omen, dass pünktlich zum Beginn des Empfangs neben der Landesvertretung von Baden-Württemberg drei Einsatzwagen der Feuerwehr auffuhren. Die Einsatzkräfte kamen – wie häufig in Berlin – mit großem Tatütata aus allen Richtungen. Schnell gab es Entwarnung: Aus Sicht der Feuerwehr war draußen alles gut. Drinnen hatte Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer schon seine Vorstände mobilisiert, um später auf dem Podium den Eindruck zu vermeiden, es handele sich auch bei ihrem Alarmruf um einen Fehlalarm. Berichte aus der Praxis der ehrenamtlichen Vorstände sind bekanntlich das beste Mittel, Verbänden Autorität zu verleihen.

Doch zunächst fand sich das Team von Pro Generika im Eingangsbereich und kümmerte sich gewohnt liebenswürdig um die eintreffenden Gäste. Die Vertretung eines Südlandes ist kulinarisch eine sichere Bank, und so konnte sich jeder gut betreut und herzlich willkommen fühlen. Bei einem Weckle gegen den kleinen Hunger erreichte die politisch interessierten Gäste dann die unerfreuliche Nachricht: Der Bundestag war eher schlank vertreten. Für die Ampel waren Paula Piechotta von den Grünen und für die Opposition Georg Kippels von der Union fürs Podium angesagt.

Ob man da neue Erkenntnisse erwarten konnte? Das schlanke Podium bot dann jedoch eine Überraschung: Piechotta zeigte unerwartet eine ausgezeichnete Performance. Ihre Situation war höchst unbequem. Als einzige Vertreterin der Regierungskoalition richteten sich alle Probleme und Fragen an sie. Dabei konnte sie zu vielen Fragen nicht konkret werden. Vor den internen Verhandlungen zu einem Gesetz muss das Nähkästchen der Parlamentarier üblicherweise fest verschlossen bleiben. Diese politische Etikette gilt auch für das anstehende Generikagesetz, auf dessen Endfassung die Branche mit Spannung wartet. Piechotta hielt sich jedoch tapfer, versteckte sich selten hinter Floskeln und ließ ihre grundsätzliche Haltung recht ungeschminkt erkennen.

 

Grünen-Politikerin auf der Bremse

Die grüne Abgeordnete begann mit kollegialem Dank an Georg Kippels von der Union und gestand ein: Sie habe mit Kippels vereinbart, dass dieser, wenn möglich, immer zuerst und möglichst lang antworten werde. Kippels, ganz Gentleman der alten Schule, hielt sich auf dem Podium daran und schenkte der regierenden Kollegin damit Zeit, sich für ihre eigenen Statements zu sortieren. Piechotta nutzte dies für klare Botschaften: Sie wolle „nicht primär“ den Preisdruck senken, sondern eher die Lieferketten diversifizieren. „De-Risking“ sei das Motto für die Zukunft, das europäische Los sei hierfür essentiell. Sie werbe allerdings dafür, das Augenmerk eher auf die EU zu legen; Lieferengpässe seien schließlich ein globales Problem. Und: Man solle sich besser nicht daran gewöhnen, dass der Staat den Unternehmen unter die Arme greife. Stattdessen sollten Ärzte und Apotheken steuernd in die Nachfrage eingreifen. Schließlich sei das Geld in Deutschland knapp. Zum Vergleich mit dem Ausland forderte Piechotta die Industrie auf, Stellung zu beziehen: Sei es wirklich gewollt, dass der Staat, wie zum Beispiel in Frankreich, aktiv in private Produktionsanlagen investiere?

Insgesamt hatte man das Gefühl, die grüne Abgeordnete stehe beim Geldausgeben mächtig auf der Bremse. Eine solche Haltung stünde ihr als Mitglied des Haushaltsausschusses auch gut zu Gesicht. Richten sich doch viele Augen auf den – dank Schuldenbremse – angespannten Bundeshaushalt. Respekt vor so viel Ehrlichkeit: allein auf weiter Flur. Georg Kippels hatte es da als Oppositionspolitiker deutlich einfacher. Er zeigte Verständnis für die Sorgen der Industrie, gab aber zu bedenken: Die aktuellen Probleme mit der Inflation sollten nicht vermischt werden mit dem Problem der Lieferengpässe. Das seien unterschiedliche Baustellen. Mit dieser sauberen Analyse liegt Kippels sicherlich richtig. Das nützt der Industrie allerdings wenig. Die betriebswirtschaftliche Kalkulation der Hersteller bleibt die gleiche, egal wie fein die kalkulierten Zahlen vorher differenziert wurden.

 

Die neue Zahl ist fünf

Dies verdeutlichten schließlich auch die Vorstände von Pro Generika, die sich aus der ersten Reihe zu Wort meldeten. Nachdenklich stimmte der Bericht eines großen Versorgungsbetriebes: Der Hersteller musste ein Brustkrebsmittel, das bereits mehrfach knapp war, aus dem Portfolio nehmen, weil die Produktionskosten sich um ca. 50 Prozent erhöht hatten. Hierfür gebe es – bei größtem Bedauern – unter der geltenden Preisbildung in der GKV keine andere Lösung, beklagte der Deutschland-Chef des Unternehmens. Das Beispiel war sicherlich nicht zufällig gewählt, hatte doch das BMG die Förderung der Onkologika gerade erst wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Karl Lauterbach hatte dies kürzlich damit begründet, er wolle sich erst vortasten und die neue Förderung auf Antibiotika beschränken. Der Rückzug eines heimischen Herstellers aus der Produktion eines Brustkrebsmittels wirft nun die Frage auf, ob der Moment des Vortastens nicht bereits verstrichen sein könnte.

Um die widrigen Rahmenbedingungen zu verbessern, präsentierte Pro Generika schließlich ein Modell, das auf der Zahl 5 basiert. Der Verband hat traditionell ein enges Verhältnis zu Zahlen und versucht seit vielen Jahren, mit der „Zahl des Monats“ gegen die stets freundliche Gelassenheit der politischen Klasse anzukämpfen. Seit der letzten (Fiebersaft-) Krise zum Jahreswechsel ist die Gelassenheit dahin, und es wurde Zeit für eine Zahl der Reform. Andreas Burkhardt machte als Verbandsvorsitzender einen Vorschlag: Sobald für einen Wirkstoff nur noch fünf Anbieter im Markt sind, sollte der Lieferengpass-Beirat beim BfArM prüfen, ob dies wirtschaftliche Gründe hat. Bejahen die Experten die Frage, sollten für fünf Jahre alle Rabattverträge ausgesetzt und Festbeträge wie Preismoratoriums-Obergrenzen um 50 Prozent angehoben werden. Das klingt auf den ersten Blick recht plausibel und könnte als „die generische FÜNF“ in die politische Debatte eingehen. Um nach der Diskussion „Ergebnisse zu erzielen“, bat Moderatorin Monika Jones die Krankenkassenvertreter, per Handzeichen ihre Zustimmung zu Burkhardts Vorschlag zu signalisieren. Der Vorstoß missglückte, die Hände blieben unten und der Saal füllte sich mit Heiterkeit. Damit war zumindest die Überleitung zum gemütlichen Teil des Abends bestens gelungen.

Die Gäste blieben gerne, gab es doch genug Gesprächsstoff, sei es zu den politischen Botschaften des Abends, sei es zu der – erneut – anberaumten Fusion der Schwesterverbände BPI und BAH. Mehrfach zitiert fand sich auch Paula Piechotta. Die Grüne hatte ein Statement auf dem Podium eingeleitet mit der Bemerkung: „Wenn man dem BMG ausnahmsweise eine positive Intention unterstellen möchte.“ Da schien das Nähkästchen dann doch für einen Moment offen. Alles in allem ein schöner Abend mit unerwarteten Erkenntnissen und einem möglichen neuen Schlachtruf: Es lebe „die generische FÜNF“.

 

Sebastian Hofmann


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