27.04.2018
Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt – Gutachten zum Gemeinsamen Bundesausschuss
Prof. Dr. Andrew Ullmann MdB, Mitglied und FDP-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestages
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet über das Wohl und Wehe von über 70 Mio. gesetzlich Versicherten. Ins Leben gerufen wurde er 2004 unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Das Gremium besteht aus Vertretern der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser sowie der gesetzlichen Krankenkassen zusammen mit drei sog. unparteiischen Mitgliedern. Der G-BA legt unter anderem fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung erstattungsfähig sind und beschließt Maßnahmen zur Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich. Der Einfluss dieses Gremiums ist dabei in den letzten Jahren immer weiter gewachsen und damit auch die Zahl seiner Kritiker.
Bei aller Kritik um die Verfahrensfragen des G-BA – exemplarisch das Verfahren zum quadrivalenten Grippeimpfstoff – wird dieser seiner ihm übertragenen verantwortungsvollen Aufgabe zumeist gerecht. Den G-BA daher als Entscheidungsgremium insgesamt in Frage zu stellen, wäre kurzsichtig. Auf der anderen Seite müssen sich auch solche Strukturen und Institutionen immer wieder der Überprüfung ihrer Rechtfertigung durch den Souverän in Gestalt des Parlaments unterziehen lassen, insbesondere dann, wenn es aus dem rechtstaatlichen oder demokratischen Gesichtspunkten geboten erscheint.
Anstoß zu einer solchen Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen für die Tätigkeit des G-BA gab schon im Jahr 2015 das Bundesverfassungsgericht. Dies veranlasste das Bundesministerium für Gesundheit im Dezember 2016 dazu, drei umfassende Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Bewertung der Rechtsgrundlagen für die Entscheidungsbefugnisse des G-BA einzuholen. Das war gut und richtig. Denn solche Gutachten können als Grundlage für Diskussionen, Debatten und die Entscheidungsfindung im Parlament einen wertvollen und notwendigen Beitrag leisten.
Umso verstörender ist es, wenn sich die Bunderegierung um die konkrete Beantwortung klarer und eindeutiger Fragen zu den Gutachten windet. Sie behandelt diese Gutachten wie ein Staatsgeheimnis und lässt die Mitglieder des Bundestages absichtlich uninformiert. Nicht mehr verwunderlich ist, dass die Regierungsfraktionen aus Union und SPD dieses Top-Down-Regieren auch hier stützen und nibelungentreu als einzige gegen den Antrag der FDP-Fraktion auf Herausgabe der Gutachten gestimmt haben.
Um es klar zu sagen: In dieser Frage geht es nicht um das Verhältnis zwischen Regierungsfraktionen und Opposition, sondern um das Verhältnis von Parlament und Regierung. Es geht um Rechtstaatlichkeit und Transparenz. Es geht um Grundsätzliches, wenn dem Parlament die Instrumente zur Überprüfung der von ihm erlassenen Gesetze vorenthalten werden. Es geht um unser Grundgesetz, wenn sich die Regierung als Gesetzgeber aufspielt. Es geht darum, dass hier der Schwanz mit dem Hund wedelt.
Die Prüfung der Gutachten ist nicht alleinige Sache von Jens Spahn und der Bundesregierung, der er angehört. Die Entscheidung darüber, ob überhaupt und wenn ja, welcher Handlungsbedarf bei den gesetzlichen Grundlagen für das Handeln des G-BA besteht, ist Sache des Bundestages und damit jedes einzelnen Mitglieds des Parlaments. Das wissen, da gibt es keinen Zweifel, die Koalitionäre von Union und SPD. Mit ihrer Ablehnung drehen die Abgeordneten von Union und SPD der Opposition nicht nur eine lange Nase. Sie schneiden in das Fleisch des Parlamentarismus und damit auch in ihr eigenes.
Deshalb kann eines bereits jetzt über Arbeit der nicht mehr so großen Koalition gesagt werden: In Sachen Rechtstaat und Transparenz besteht dringender Nachholbedarf.
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