Patientenversorgung mit Cannabisarzneien verbessern

Simone Borchardt MdB, Mitglied des Gesundheitsausschusses, Berichterstatterin für Sucht- und Drogenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Innerhalb des letzten Jahres kam es zu einem regelrechten Hype rund um die Cannabislegalisierung. Mit diesem Vorhaben will die Ampel ein Wahlversprechen und Vorhaben des Koalitionsvertrages einlösen, mit dem besonders junge Wählerinnen und Wähler adressiert werden. Doch es mehren sich Stimmen aus verschiedenen Fachdisziplinen, die einer Legalisierung aus guten Gründen skeptisch gegenüberstehen. Auch vor dem Hintergrund geltenden EU-Rechts ist die Umsetzung des Vorhabens sehr fraglich, denn Anbau und Vertrieb von Cannabis für den Freizeitgebrauch sind innerhalb der EU verboten.

Sollte die Bundesregierung aus Brüssel wider Erwarten grünes Licht bekommen und die Legalisierung umsetzen, dann könnte das neben all den Gefahren für Kinder und Jugendliche, steigenden Kosten für die Behandlung von Suchtkranken durch eine Zunahme psychischer Erkrankungen darüber hinaus sogar zu einer Gefährdung der Patientenversorgung mit Cannabisarzneien kommen. Vor allem letzteres ist ein Aspekt, der in der aktuellen Diskussion um Cannabis häufig vollkommen untergeht.

 

Verschreibung von Cannabisarzneimitteln seit 2017 erlaubt

Cannabisarzneimittel können per Gesetz seit 2017 als Therapiealternative bei Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen verschrieben werden. Um die Auswirkungen dieser Regelung zu evaluieren und um Hinweise zu möglichen Anwendungsgebieten von Cannabisarzneimitteln und zu Nebenwirkungen zu erhalten, wurde das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit einer Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln beauftragt, die im März 2022 abgeschlossen wurde. Auf Grundlage dieser Begleiterhebung sowie im Zuge eines Anhörungsverfahrens wird der G-BA demnächst entscheiden, inwieweit der Genehmigungsvorbehalt bei der Verschreibung von Cannabisarzneien fortgeführt wird.

Beim Blick in die Begleiterhebung wird deutlich, dass Patientinnen und Patienten bei verschiedenen schweren Erkrankungen von der ärztlichen Behandlung mit Cannabisarzneien in unterschiedlichen Darreichungsformen profitieren können und schwere Nebenwirkungen eher selten sind. Damit zeigt sich, dass die Entscheidung der vorherigen Bundesregierung, Cannabis für medizinische Zwecke zu legalisieren, richtig und richtungsweisend war. Auch die Statistik belegt das. Während die im Jahr 2017 importierte Menge an Cannabis zur medizinischen Verwendung und zu Forschungszwecken noch bei ca. 1,8 Tonnen lag, so betrug sie im Jahr 2021 bereits ca. 20,5 Tonnen. Auch die an Apotheken abgegebene Menge lag im Jahr 2017 noch bei knapp unter einer Tonne und stieg auf über neun Tonnen im Jahr 2021. Letztlich hat die unionsgeführte Bundesregierung mit dem Gesetz die Grundlagen für die verbesserte wissenschaftliche Erforschung des Nutzens und der Wirkung von Cannabisarzneien in Deutschland geschaffen und der hohen Nachfrage nach hochreinen medizinischen Cannabisprodukten Rechnung getragen.

Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die Ampelkoalition im Sinne des Patientenwohls diesen Weg durch ein Nichthandeln im medizinischen Bereich nicht nur nicht weiter beschreitet, sondern im schlimmsten Fall sogar noch durch das Legalisierungsvorhaben gefährdet. In diese gravierende Lücke stoßen wir als Union mit einem eigenen Antrag (Drs. 20/5561), mit dem wir eine Reihe von Forderungen an die Bundesregierung richten. Dass wir mit diesem Ansatz auf dem richtigen Weg sind, zeigen erste nervöse Reaktionen aus den Reihen der Ampel. Das ist verständlich, denn einerseits hängt der koalitionsinterne Haussegen schief, weil man mit dem Legalisierungsvorhaben nicht so schnell vorankommt wie erhofft. Zum anderen schwant der Ampel wohl, dass man sich mit der Legalisierung übernommen haben könnte. Hinzu kommt noch, dass damit in diversen Ressorts viel Personal gebunden wird, das an anderer Stelle derzeit viel sinnvoller eingesetzt wäre. Auch die Komplexität wurde unterschätzt. Nicht ohne Grund gibt es erste Überlegungen, die Entkriminalisierung von Cannabis vom restlichen Prozess zu entkoppeln und so das EU-Recht zu umgehen. Fatal: Dadurch würde der Schwarzhandel aufblühen und Kinder und Jugendliche noch stärker gefährden.

 

Therapiehoheit der Ärzte stärken

Unabhängig von einer Cannabislegalisierung ist die Stärkung wirksamer Aufklärung und Prävention wichtig, insbesondere mit Fokus auf junge Menschen. Auch hier hat die Ampel das Gegenteil gemacht und den entsprechenden Haushaltsposten für dieses Jahr um eine Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr gekürzt. Weiterhin ist es angesichts der anstehenden Entscheidung des G-BA zum Genehmigungsvorbehalt unverständlich, dass die Ampelparteien sich hier noch nicht wahrnehmbar positioniert haben. Die Daten des BfArM sowie auch Gespräche mit verschiedenen großen gesetzlichen Krankenkassen belegen nicht nur den Nutzen von Cannabisarzneien, sondern sie zeugen auch von dem hohen bürokratischen Aufwand bei Verschreibung und Genehmigung von Cannabisarzneien, der durch das aufwändige Prüfverfahren bedingt ist.

Um die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit hochreinen Cannabisarzneimitteln sicherzustellen und zu verbessern, fordern wir die Bundesregierung zum Handeln auf. Wesentliche Kernpunkte unserer Forderungen sind neben der Stärkung von Forschung sowie Aus- und Fortbildung im medizinischen und pharmazeutischen Bereich vor allem die Stärkung der ärztlichen Therapiehoheit. Jede Ärztin und jeder Arzt muss selbst entscheiden dürfen, welche Behandlung er in Absprache den Patienten wählt. Dabei ist das Risiko zum Missbrauch ist in Fällen verschriebener Cannabisarzneien nicht anders zu bewerten, als bei jedem anderen Medikament.

Angesichts der gesundheitlichen Risiken, die der Konsum von Cannabis insbesondere für junge Menschen hat, fordern wir zusätzlich unverzüglich umfassende Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen für einen verbesserten Schutz von Kindern- und Jugendlichen, und zwar unabhängig einer Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken.


Observer Gesundheit Copyright
Alle Kommentare ansehen