GKV-VEG: Dringend zeitgleich Reform des Morbi-RSA nötig!

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek)

Mit dem GKV-Versichertenentlastungsgesetz – GKV-VEG – setzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine für alle Beitragszahler bedeutsame Koalitionsvereinbarung um: die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das ist nicht nur für die Beitragszahler eine gute Nachricht. Es ist auch eine gute Nachricht für das System, nimmt es doch in Zukunft auch die Arbeitgeber mit der hälftigen Beteiligung wieder stärker in die Verantwortung für Kostensteigerungen und die weitere Gestaltung des Gesundheitswesens.

Beitragsentlastungen soll es auch für Selbständige geben. Die Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbständig Tätige wird um die Hälfte auf künftig 1.142 Euro gesenkt. Der Mindestbeitrag für diesen Personenkreis beträgt dann im Schnitt nur noch 171 Euro und dürfte der Leistungsfähigkeit von Selbständigen mit geringen Einkünften eher entsprechen, als es derzeit der Fall ist. Mit der Senkung geht eine deutliche Reduzierung der Verwaltungsaufwände in Bezug auf die Beitragsfestsetzung durch die Krankenkassen einher. Insbesondere bei Existenzgründern und bei Hilfebedürftigkeit des hauptberuflich selbständig Tätigen gab es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Prüfnotwendigkeiten, die nun entfallen.

Damit nicht genug: Bundesminister Spahn will mit diesem Gesetz Kassen, die über hohe Rücklagen verfügen, dazu bringen, ihre Beitragssätze weiter zu senken. Finanzreserven, die eine Monatsausgabe überschreiten, sind über eine Senkung des Zusatzbeitragssatzes über einen Zeitraum von drei Jahren – in Ausnahmefällen fünf Jahren – abzuschmelzen. Was sich für den Beitragszahler erst einmal gut anhört, hat aber aus Sicht des vdek Haken. Der Koalitionsvertrag sieht für die GKV eine Reihe von Reformelementen vor, die viel Geld kosten werden. Von daher muss zunächst klar werden, welche zusätzlichen Kosten auf die Kassen zukommen. Ohne diese Kosten exakt beziffern zu können, ist eine seriöse Finanzplanung für die Kassen nicht möglich. Ein weiterer Haken ist, dass die Rücklagen sehr unterschiedlich verteilt sind. Das liegt an den derzeit bestehenden Wettbewerbsverzerrungen, die der Verteilmechanismus des Finanzausgleichs in der Krankenversicherung verursacht. Wenn das GKV-VEG so verabschiedet wird, wie es vorliegt, wird sich der Wettbewerb deutlich verschärfen. Deshalb wird zwingend eine zeitgleiche Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) gebraucht. Andernfalls werden sich die Wettbewerbsverzerrungen verschärfen. In der Folge würden sich die heute schon sichtbaren Tendenzen zu regionalen monopolartigen Kassenstrukturen weiter verstärken. Das kann der Gesundheitsminister nicht wollen. Ziel der Politik muss sein, einen fairen Kassenwettbewerb zu ermöglichen.

Bundesminister Spahn will darüber hinaus die Beitragsschulden senken. Im Fokus steht hier die zum 1. August 2013 eingeführte obligatorische Anschlussversicherung (oAV), wonach freiwillige Mitgliedschaften in der GKV kraft Gesetz und ohne Mitwirkung des Betroffenen begründet werden können. In Zukunft ist eine oAV nur noch dann möglich, wenn der Aufenthalt der betreffenden Person geklärt ist (Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes oder überwiegender Aufenthalt dort). Freiwillige Mitgliedschaften müssen beendet werden, wenn die Personen nicht auffindbar sind. Mit diesen Maßnahmen soll verhindert werden, dass Kassen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für Versicherte erhalten, die keinerlei Leistungen in Anspruch nehmen und keine Beiträge entrichten. Dieses Phänomen ist in den vergangenen Jahren am Beispiel der „Saisonarbeiter“ deutlich geworden und hat den Gesetzgeber bereits in der letzten Legislaturperiode zu ersten Nachjustierungen veranlasst. Minister Spahn legt jetzt nach und verpflichtet die Krankenkassen, ihre Mitgliederbestände um solche „ungeklärten passiven Mitgliedschaften“ rückwirkend ab 1. August 2013 zu bereinigen. Solchermaßen zu Unrecht erhaltene Zuweisungen sind an den Gesundheitsfonds zurückzuzahlen. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Die in den letzten Jahren dynamisch gewachsenen Beitragsschulden werden sich damit reduzieren, insbesondere da davon auszugehen ist, dass sie teilweise „fiktiver“ Natur sind. Die Rückabwicklung ist von unmittelbarer Bedeutung für den Finanzausgleich in der GKV. Von daher sollte die Prüfung der Bereinigung einheitlich für alle Krankenkassen und unabhängig von den sonstigen Aufsichtszuständigkeiten durch das Bundesversicherungsamt (BVA) erfolgen.

Das Gesetz enthält viele gute Elemente. Es löst aber nicht die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen. Deshalb wird eine RSA-Reform gebraucht und zwar jetzt.


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