Vorschlag für eine neue Anreizstruktur für Gesundheitskioske

Dr. h.c. Helmut Hildebrandt

Anja Klose

Die Kritik einzelner Vertreter von Ärzteschaft und Krankenkassen an der Einführung von Gesundheitskiosken, die gegenteilig unterstützenden Ausführungen im Observer Gesundheit von Dr. Matthias Gruhl vom 2. September und 4. Juni, Matthias Mohrmann vom 15. September und von Dr. Dominik von Stillfried vom 22. September sowie die Kündigung des Vertrags in Hamburg durch die Ersatzkassen sind für uns Anlass, einige Punkte gerade zu rücken und einen zusätzlichen Punkt in die Diskussion zu bringen.

Insbesondere zielen wir dabei auf die Frage einer Refinanzierung der Kosten der Gesundheitskioske für die Krankenkassen. Denn natürlich muss es unser Ziel sein, kostspielige Folgen von Versorgungsfehlern und Krankheitskarrieren zu verhindern, anstatt neue Stellen zur Selbsterhaltung der jeweiligen Träger und zum Aufbau von Doppelstrukturen aufzubauen. Wir schlagen deshalb eine Anreizstruktur vor, bei der die Betreiber der Gesundheitskioske nach einer gewissen Anlaufzeit nur noch anteilig dann eine Finanzierung erhalten, wenn sie für die Versorgungspopulation Erfolge in einer relativen Kostenminderung gegenüber der üblichen vorweisen können.

Matthias Mohrmann hat in seinem ausgezeichneten Kommentar „Von Gesundheitskiosken überzeugt“ vom 15. September 2022 viele Argumente für die Etablierung von Gesundheitskiosken präzise ausgearbeitet. Dass uns in diesem Feld einiges verbindet, ist nicht überraschend, hatten wir von OptiMedis doch im Vorfeld und während der Entwicklung des Projekts in Billstedt/Horn viele gemeinsame Gespräche mit ihm. Für den Erstautor noch einen Disclaimer zu Beginn: Ja, mein Interesse ist klar, als Geschäftsführer der Gesundheit für Billstedt/Horn UG zur Zeit der Antragstellung beim Innovationsfonds und für die ersten 22 Monate der Projektlaufzeit und als Entwickler weiterer Gesundheitskioske in anderen Städten und mittlerweile auch in ländlichen Regionen bekenne ich gerne ein eigenes Interesse. Vielleicht wird dies von Dritten aber auch positiv gesehen, denn durch diesen Hintergrund können wir auf besondere Erfahrungen und Einblicke verweisen.

 

 Gesundheitssystem nicht auf Prävention ausgerichtet

Aufgrund der Diskussion um die „Anspruchshaltung“ einer eher der Mittelschicht zugehörigen Klientel ist die Tatsache in den Hintergrund gerückt, dass es eher die tendenziell abgehängten, bildungsferneren Schichten (übrigens auf dem Land wie in der Stadt) sind, die die Praxen und Krankenhäuser füllen und entsprechend hohe Kosten für Krankenkassen und Gesellschaft verursachen. Unser Gesundheitssystem ist nach wie vor auf Akutereignisse und die Behandlung bereits eingetretener Schäden ausgerichtet. Was fehlt, ist der Fokus auf Prävention und diejenigen, die es nicht gewohnt sind, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen, und die aus vielfältigen sozialen und arbeitsbedingten Gründen chronisch krank werden. Auch in der Pandemie traten die höchsten Inzidenzen bei Menschen auf, die in einem prekären Beschäftigungsverhältnis stehen und / oder auf engstem Raum leben und sich damit in bestimmten Stadtteilen oder Teilregionen konzentrieren. In diesem Zusammenhang wäre es eine interessante Forschungsaufgabe, herauszufinden, ob nicht auch in Pflegeheimen eher diejenigen infiziert wurden und schlimmer erkrankten, die zu den ärmeren Schichten gehören.

Eine neu vorgelegte Studie von Prof. Nico Dragano, Institut für Medizinsoziologie, Universität Düsseldorf, mit Daten der AOK Rheinland-Hamburg bestätigt noch einmal diese Argumentation. Danach hatten Kinder in benachteiligten Quartieren im Zeitraum 2020 bis Mitte 2021 ein dreifach erhöhtes Risiko, einen Covid-19 Krankenhausaufenthalt erleiden zu müssen[1].

Dass unser Gesundheitssystem an vielen Stellen eine Komplexitätsstufe erreicht hat, die selbst Insider überfordert, wird kaum jemand bestreiten können. Care und Case Management als Unterstützung, um unnötige Progressionen von Krankheit zu vermeiden und die richtigen Wege zu Problemlösungen aufzuzeigen, sind insofern eine wichtige Stellschraube, um künftige Kosten zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Wenn seitens der Ersatzkassen kürzlich behauptet wurde, dass die Evaluationsstudie des HCHE zu Billstedt-Horn noch zu keinen eindeutigen Ergebnissen gekommen sei, so ist dem zuzustimmen. Ja, sie war neben ersten Auswertungen zu der Akzeptanz und der Zufriedenheit der Patienten zu dem Ergebnis gekommen, dass die kurze Projektzeit für eine echte gesundheitsökonomische Analyse noch zu kurz war[2]. Aber das ließe sich ja leicht ändern, dazu müssten die Ersatzkassen nur die vorhandenen Abrechnungsdaten ihrer Versicherten in Billstedt und Horn dem HCHE zur Verfügung stellen, damit die Auswertung verlängert werden kann.

 

Alternativen zu Gesundheitskiosken?

Jetzt könnte man fragen, ob es der Einführung einer weiteren Koordinierungs- und Beratungsinstanz bedarf, also eines Gesundheitskiosks, oder ob durch kostenlose Regelveränderungen die gleiche Lösung erreicht werden kann? Vier Wege könnten sich anbieten und werden ja auch gelegentlich vorgeschlagen:

Erstens die Delegation dieser Aufgabe an die Hausärzt:innen. Dagegen ist einzuwenden, dass genau diese in den oben erwähnten Regionen auch schon heute überlastet bzw. gar nicht vorhanden sind. Obwohl Hamburg als Ganzes gut versorgt ist, wies Billstedt/Horn, als wir damals starteten, einen deutlichen Mangel an Haus- und Kinderarztpraxen auf. Gleichzeitig waren die vorhandenen Praxen mit Scheinzahlen massiv überlastet und sahen auch – ganz abgesehen von den sprachlichen Herausforderungen – gar keine Chance, die Patient:innen in Ruhe und adäquat beraten zu können. Ähnliches erleben wir in ländlichen Regionen wie zum Beispiel im Werra-Meißner-Kreis in einem Teilbereich des Ringgaus oder in Seltenrain, einem Teil des Unstrut-Hainich-Kreises in Thüringen, wo wir aktuell auch mit einer Reihe von Gesundheitskiosken starten. Außerdem muss man fragen, ob sich die hochkompetent ausgebildeten Allgemeinärzt:innen angesichts der Fachkräfteknappheit nicht besser auf diejenigen Themen bei den Patient:innen konzentrieren sollten, bei denen ihre medizinisch-fachliche Expertise auch wirklich benötigt wird, anstatt sich um die sozialen Hintergründe und die Organisation der Krankheitsbewältigung zu bemühen.

Der zweite Weg könnte die Delegation an die Krankenkassen darstellen. Auch heute schon stellen viele Krankenkassen Supportlösungen für ihre Versicherten bereit, meist über zentralisierte Dienstleister oder Kompetenzzentren. Zum einen wäre allerdings zu befürchten, dass ein Flickenteppich von Krankenkassen mit Unterstützungsleistungen und solchen ohne entsteht, zum anderen, dass diese Leistungen aufgrund der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung der Krankenkassen auf das jeweilige Jahresergebnis weniger das langfristige Patienteninteresse berücksichtigen, sondern eher das rational verständliche kurzfristige Einsparinteresse.

Ein dritter Weg könnte noch überlegt werden: die Aufgabenerweiterung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Um nicht missverstanden zu werden – die Kritik an der betrüblichen Ausgestaltung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Deutschland in den letzten Jahren teilen wir sehr. Vor 30 Jahren war das unser Antrieb gewesen, mit Projekten zu „Gesunde Städte und Gemeinden“ und dem Aufbau eines Netzwerks drumherum eine aktivere Rolle des ÖGD in Partnerschaft auch mit den sozialen und ökologischen Bewegungen herbeizuführen. Leider war das nicht in vielen Städten von Erfolg gekrönt, aber in Nürnberg, Frankfurt, München, Hamburg und anderen ist schon einiges in die richtige Richtung gelaufen. Nur: Die Arbeiten konzentrierten sich meist auf eher präventive Aktivitäten, während sich die Verbindung zur Versorgung, also zu den Gesundheitsberufen, den Praxen und Krankenhäusern sich unseres Wissens fast nirgendwo verstetigt hat. Unsere Sorge: Auch der Pakt für Gesundheit wird – so ist angesichts der administrativen Hürden, die schon berichtet werden – nicht dazu führen, dass überall aus dem ÖGD heraus eine aktivierende, auf das Gemeinwesen und die jeweiligen Communities ausgerichtete Vernetzungsarbeit unter Einschluss der Versorgungspartner entsteht.

Als vierte Lösung wird angeregt, die Aufgaben der Gesundheitskioske durch die Pflegestützpunkte vornehmen zu lassen. Selbstverständlich ist es absolut notwendig, die Pflegestützpunkte eng mit den Gesundheitskiosken zu verknüpfen, allerdings gehen die Aufgaben der Kioske ja deutlich über die der Pflegestützpunkte hinaus, nicht nur in der Ansprache jüngerer und anderer Zielgruppen, sondern auch in den inhaltlichen Schwerpunkten. In den Eckpunkten des BMG ist die Vermittlung zu den „bestehenden Beratungsstrukturen der Pflegeversicherung, insbesondere die Pflegestützpunkte“, ausdrücklich als Aufgabe beschrieben, und bei Bedarf sollen die Patienten dorthin sogar begleitet werden.

Im Ergebnis: Alle vier Lösungen sind keine einfachen Ersatzmodelle. Und: Alle vier Lösungen sind natürlich auch nicht kostenlos zu haben, sondern fordern ebenso erhebliche, wenn nicht sogar noch höhere Mitteleinsätze.

 

Ist Personal vorhanden und zu gewinnen?

Es wird behauptet, dass das Personal für die Gesundheitskioske gar nicht vorhanden wäre. Ja, die Kioske benötigen Personal, am besten eine Mischung aus qualifizierten Pflegekräften – gerne mit Hintergrund im Community Health Nursing und / oder mit Zusatzqualifikationen in Ernährung, Bewegung, Geriatrie und Psychiatrie. Geeignete Fachkräfte sind aber auch Sozialarbeiter:innen mit Gesundheitsbezug, Sozialversicherungsfachangestellte, Medizinische Fachangestellte, Case und Care Manager:innen u.a. In großstädtischen Milieus sind zusätzlich Sprachkenntnisse in den dort gesprochenen Sprachen wichtig.

Dieses Personal ist aus unserer Sicht durchaus zu mobilisieren. Es lässt sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus der Arbeitsmarktreserve rekrutieren, wenn man zum Beispiel an Mitarbeiter:innen denkt, die etwa aufgrund ihrer persönlichen Situation auf der Suche nach familienfreundlicheren und flexibleren Arbeitszeitmodellen als im Schichtsystem von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sind. Es stellt für diese gleichzeitig eine Aufwertung, also ein Job Enrichment dar, und ist insofern attraktiv. In einigen Bundesländern wird mit dem Modell der Gesundheitsfachberatung oder dem der Gemeindepflege gearbeitet, so auch bei uns in den oben schon erwähnten ländlichen Regionen. Dort gibt es keine Probleme, Menschen dafür zu gewinnen, die dem Arbeitsmarkt ansonsten nicht zur Verfügung gestanden hätten. Ein Blick auf andere Länder zeigt, dass eine derartige beratende und aktivierende Arbeit, die später auch einfache, selbstverantwortlich durchzuführende Leistungen umfassen kann, das Interesse am Berufsbild einer qualifizierten Gesundheits- und Krankenpflege steigern kann.

 

Die Gretchenfrage: Kosten-Nutzenverhältnis

Das Gesundheitsministerium befand sich in einer schwierigen Lage. Kurz nach der Bekanntgabe der Einsparpläne für die 17 Milliarden Euro wurde die Planung einer Leistungserweiterung, die Einrichtung der Gesundheitskioske angekündigt. Verständlich, dass sich alle diejenigen beschwerten, die für die Einsparziele büßen sollen. Und auch verständlich, dass sich zunächst alle darauf kaprizierten, die zusätzlichen Kosten in den Mittelpunkt der Kritik zu stellen. Bis zu einer Milliarde Euro würden die Gesundheitskioske verschlingen, so wurde schnell multipliziert, wenn die von Billstedt/Horn genannte Summe von einer Million Kosten auf 1.000 Kioske hochgerechnet würde. Natürlich wussten die Kritiker, dass sich Billstedt/Horn auf insgesamt 120.000 Menschen in beiden Stadtteilen bezieht und nicht auf die vom BMG vorgesehenen 80.000, dass kein Kick-Start von 1.000 Kiosken zu erwarten ist, und auch, dass die Million Euro pro Kiosk nicht den Planungen des BMG entspräche. Sie wussten auch, dass die Evaluation des HCHE schon in der kurzen 3-Jahres-Frist gezeigt hatte, dass eine steigende Zahl ambulanter Arztbesuche einem gleichzeitigen Rückgang vermeidbarer Krankenhausaufenthalte entsprach und die Evaluation deshalb wie auch der G-BA zu einer positiven Beurteilung der Aufnahme in die Regelversorgung kam. Hinsichtlich der Kosten für Billstedt-Horn kamen ohnehin Besonderheiten hinzu, die Folge der Innnovationsfondsfinanzierung und deren Regeln sind, und nicht für neue Einrichtungen gelten müssen. Die vom Ministerium vorgesehene Regelung mit 500.000 Euro pro Kiosk dürfte knapp sein, aber eher zutreffen, und ein allmähliches Anwachsen der Zahl ist eher anzunehmen als ein Kick-Start.

Erstaunlich ist, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach nicht das Ziel der langfristigen Kostenersparnis, der Morbiditätssenkung und der Angleichung der Lebensjahre zu den besser gestellten Regionen durch die Gesundheitskioske stärker in den Mittelpunkt gestellt hat. Richtig ausgerichtet und incentiviert soll und muss die Beratung und Unterstützung in den Kiosken ansonsten unnötig entstehende Progressionen von Erkrankungen und damit Kosten im Gesundheitswesen vermeiden und im Gegensatz zu den Annahmen, dass keine Wirtschaftlichkeitseffekte zu erwarten sind (v. Stillfried), Leistungsausgaben sehr wohl langfristig einsparen. Unser gemeinsam mit Partnern gestellter Innovationsfondsantrag für Billstedt/Horn sah deshalb auch vor, dass sich der Kiosk und die Vernetzung dort nach drei Jahren Anschubfinanzierung durch den Fonds im Anschluss aus den Einsparungen selbst tragen sollte – aus einem bereits vorab geschlossenen § 140a-Vertrag mit den beteiligten Krankenkassen. Deren Ersparnisse in der Zeit der Anschubfinanzierung sollte die Anschlussfinanzierung über ein Einsparcontracting nach dem Modell von Gesundes Kinzigtal sicherstellen und gleichzeitig die Geschäftsführung und die Gesellschafter des Kiosks darauf ausrichten, sich wirklich gezielt um diejenigen zu kümmern, die ansonsten hohe Folgekosten verursachen könnten, und dazu mit allen Partnern vor Ort – von den Praxen bis zu den sozialen Einrichtungen, der Selbsthilfe und dem ÖGD – produktiv zusammenzuarbeiten. Leider wurde dieses Konzept der In-sich-Refinanzierung aufgrund der restriktiven Haltung des BMG und einer damals mangelnden Unterstützung später nicht weiterverfolgt und durch eine Projektfinanzierung abgelöst.

Unserer Auffassung nach sind Anreize in derartigen reinen Projektfinanzierungen oder auch in der jetzt vom BMG vorgeschlagenen Finanzierungsart problematisch. Sie können dazu führen, sich nur innerhalb der zugesagten Finanzierung zu bewegen, die Stellen im Sinne des Trägers möglichst „kosteneffizient“ zu besetzen, also mit möglichst billigem und jungem Personal (um ein wenig Spielraum zu haben) und ansonsten mit allmählicher Vermehrung der Finanzierung die eigene Selbsterhaltung zu sichern. Eine Einsparcontracting-Lösung würde dagegen zu einem Investitionsinteresse der Gesundheitskioskbetreiber führen, um in den Folgejahren dann durch vergleichsweise geringere Ausgaben der Krankenkassen daran zu partizipieren. Es würde einen deutlich unternehmerischeren Ansatz mit einer sehr viel höheren Ergebnisverantwortung und einem Interesse an dem nachhaltigen Ergebnis zugunsten der GKV produzieren. Einsparcontracting hat zweifellos auch einige Herausforderungen – die für beide Seiten faire Methode der Erfolgsrechnung ist so eine. Eine andere ist das Problem der sehr spät erst im Folgejahr gesicherten Datenlage. Insgesamt überwiegen aber aus unserer Sicht die Vorteile, insbesondere in der Ausrichtung der Anreize und damit der generellen Einführung von ergebnisabhängigen Vergütungen im Gesundheitswesen.

Für die besondere Situation der Gesundheitskioske und der umgebenden Bevölkerung würden wir mit Blick auf die Erfahrungen in Billstedt/Horn und auch den anderen Regionen von uns eine hybride Lösung vorschlagen. Da davon auszugehen ist, dass mit einem derartigen Projekt teilweise Unterversorgung erst entdeckt wird, die im laufenden Jahr dann höhere Kosten produziert, halten wir einen Zeithorizont von fünf Jahren für sinnvoll. Dieser müsste nach dem bisher vom BMG vorgeschlagenen Modell gemischt finanziert werden. Ab dem sechsten Jahr könnte man dann schrittweise je zu einem Viertel auf ein Einsparcontracting anhand der Ergebnisse des Vorjahrs umswitchen und das Ganze mit Qualitätskennzahlen ergänzen.

 

Prozentuale Finanzierung ist Problem

Verständlicherweise wünschen sich einige Krankenkassen, dass die Kommunen einen höheren Anteil als die avisierten 20 Prozent der Kosten tragen. Allerdings ist schon dieser Anteil für die kommunalen Gebietskörperschaften, die Gesundheits- und Versorgungsprobleme bei ihrer Bevölkerung aufweisen, nicht leicht zu erbringen. Dies sind üblicherweise eher die ärmeren Kommunen oder die, die schon unter den Begrenzungen der Haushaltssicherung durch die Kommunalaufsicht stehen. Denkbar wäre aber natürlich, dass die Bundesländer für diesen Zweck Fonds auflegen, um dann die Kommunen dabei zu unterstützen. Denkbar wäre auch, dass die § 90a-Gremien der Länder sich ein gewisses Mitspracherecht sichern, um die Kioske wirklich auch in den Regionen zu etablieren, die künftige Engpässe und Morbiditätsprobleme aufweisen. Am Rande sei hier auf die ausgezeichnete Arbeit des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung verwiesen, das mit dem Morbiditäts- und Sozialatlas eine beispielgebende Vorbereitung für die Aufdeckung derartiger Regionen liefert und dem sich die anderen Krankenkassen dringend anschließen sollten.

Da letztendlich die Krankenkassen den Hauptnutzen an der Beratungs- und Unterstützungsarbeit der Gesundheitskioske erwarten können – zumindest mit der mittelfristigen Umwandlung auf ein Einsparcontracting –, erscheint das Finanzierungsverhältnis ausgesprochen angemessen und eine logische Folge des weit über die Krankenbehandlung hinausgehenden Auftrags der Krankenkassen nach § 1 des Sozialgesetzbuchs V, der hiermit noch einmal in Erinnerung gerufen werden soll: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten.“

 

[1] Association of Household Deprivation, Comorbidities, and COVID-19 Hospitalization in Children in Germany, January 2020 to July 2021 | Adolescent Medicine | JAMA Network Open | JAMA Network

[2] https://www.hche.uni-hamburg.de/forschung/transfer/invest/2021-03-31-evaluationsbericht-langfassung.pdf

 

Dr. h.c. Helmut Hildebrandt

Vorstandsvorsitzender OptiMedis AG, Hamburg

Anja Klose

Managerin, Projektentwicklung Gesundheitskioske, OptiMedis AG, Hamburg

 

Lesen Sie weitere Beiträge zum Thema:

Dr. Dominik von Stillfried: Lasst tausend Kioske erblühen? Observer Gesundheit, 22. September 2022

Matthias Mohrmann: Von Gesundheitskiosken überzeugt, Observer Gesundheit, 15. September 2022

Dr. Matthias Gruhl: 1, 2, 3, …, ganz viele Gesundheitskioske, Observer Gesundheit, 2. September 2022,

Dr. Matthias Gruhl: Gesundheitskioske – eine Einordung zur geplanten Einführung, Observer Gesundheit, 4. Juni 2022


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