Neues Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen scheitert bei Kontrastmitteln

Chakib Lemzouri, Leiter für Gesundheitspolitik bei der Bracco Imaging Deutschland GmbH

Kürzlich hat der Bundestag das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) verabschiedet. In Bezug auf Kontrastmittel ändert sich allerdings nichts – ein folgenschwerer Fehler, der die Patienten- und Versorgungssicherheit gefährdet.

Anlass für das neue Gesetz waren die vermehrten Lieferengpässe der vergangenen Jahre vor allem bei patentfreien Arzneimitteln. So mangelte es beispielsweise nach einer Infektionswelle im letzten Winter insbesondere an Antibiotika sowie Fieber- und Hustensaft für Kinder. Auch Medikamente für Krebspatienten waren zwischenzeitlich knapp. Allein bei den versorgungsrelevanten und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wies die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführte Übersicht über Lieferengpassmeldungen am 26. Januar 2023 beispielsweise 440 Einträge auf. Auch Kontrastmittel eines internationalen Herstellers waren von Lieferengpässen betroffen und teilweise nicht lieferbar. Dennoch wurden Kontrastmittel nicht berücksichtigt, als das ALBVVG zur Vorbeugung von Lieferengpässen und zur Sicherstellung der Versorgung beschlossen wurde.

 

Positive Aspekte von Versäumnissen überschattet

Durch das Gesetz soll unter anderem ein verbindliches Frühwarnsystem entwickelt werden, das bereits drohende Lieferengpässe schnell erkennt. Dies ermöglicht es Herstellern, besser zu planen. Ein weiterer positiver Punkt sind die geschaffenen Anreize für die Produktion von Arzneimitteln, die als besonders wichtig für die öffentliche Gesundheit gelten: Beispielsweise wird es Herstellern von anerkannten Reserveantibiotika mit neuen Wirkstoffen ermöglicht, den bei Markteinführung gewählten Abgabepreis auch über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus beizubehalten. Zudem entfallen die Verhandlungen zur Höhe des Erstattungsbetrags. Außerdem können die Preise für Arzneimittel, die von Lieferengpässen betroffen sind, vorübergehend angehoben werden. All das könnte dazu führen, dass Hersteller in Zukunft verstärkt in die Produktion dieser Arzneimittel investieren und sich so die Versorgungssicherheit erhöht.  Doch auch wenn das ALBVVG einige gute Ansätze enthält, macht der Gesetzgeber einen folgenschweren Fehler: Es umfasst keine Kontrastmittel. Dabei sind diese für die Erkennung einer Vielzahl von Erkrankungen versorgungsrelevant. Stehen diese Mittel nicht zur Verfügung, wirkt sich dies unmittelbar auf die Versorgung aus: Denn ohne Diagnose keine Behandlung. Arzneimittel für die Behandlung von Krebserkrankungen im Gesetz zu berücksichtigen, aber einen Mangel an Medikamenten in Kauf zu nehmen, mit denen sich die Krankheit überhaupt erst erkennen lässt, greift viel zu kurz und hilft Patienten nicht.

Engpässe bei Kontrastmitteln ergeben sich vor allem im Zusammenhang mit aus meiner Sicht rechtswidrigen Exklusivausschreibungen. Diese Ausschreibungspraxis ermöglicht es Krankenkassen in den KV-Regionen Nordrhein, Westfalen-Lippe, Saarland und Schleswig-Holstein, einen einzigen Hersteller festzulegen, der die gesamte Region exklusiv mit Kontrastmitteln versorgt. Dadurch wird nicht nur die Therapiefreiheit der Ärzte untergraben, die Exklusivverträge schließen andere Unternehmen systematisch von der Regelversorgung aus und führen zu einem künstlichen Verdrängungswettbewerb mit am Ende monopolähnlichen Strukturen. Dass die Ausschreibungen den Wettbewerb beschneiden und auf diese Weise die Versorgungssicherheit gefährden, wurde bereits in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen belegt. Beispielsweise stammten bereits 2017 knapp zwei Drittel der Verordnungen mit Lieferproblemen aus Rabattverträgen mit nur einem einzigen Anbieter[1] – diese Entwicklung hat in den letzten Jahren noch weiter zugenommen.

 

Neue gesetzliche Regelungen erforderlich

Auch wenn das ALBVVG einige positive Ansätze enthält, ist es zu stark auf bestimmte Arzneimittel begrenzt und behebt bei vielen Medikamenten nicht die eigentliche Problematik. Insbesondere bei Kontrastmitteln bedarf es weiterhin dringend neuer gesetzlicher Regelungen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen Lieferketten definitiv unabhängiger von einzelnen Lieferanten gestaltet werden. Das Ein-Partner-Modell sollte deshalb bei Ausschreibungen im Gesundheitsbereich abgeschafft werden. Eine bessere Lösung wären Exklusivausschreibungen in Mehr-Partner-Modellen oder ausgewogene Open-House-Verträge, die Ausfallrisiken minimieren und die Anbietervielfalt gewährleisten. Denn nur in funktionierenden Märkten gibt es auch genügend Anbieter. Außerdem ist es von zentraler Bedeutung, dass Produkte weiterhin in Deutschland und Europa hergestellt werden können, um Arbeitsplätze zu erhalten und die Wirtschaft zu stärken. Deshalb sollte auch der Produktionsstandort eine Rolle bei der Wahl des Herstellers spielen. Kontrastmittel müssen zusätzlich als versorgungskritische Arzneimittel klassifiziert werden und Aspekte wie Rohstoffpreisentwicklungen, Inflation und internationale Ereignisse, die einen Einfluss auf die Produktions- und Herstellungskosten haben, sollten von der Politik berücksichtigt werden.

 

[1] Pro Generika e. V., basierend auf Studie „Nichtverfügbarkeit von rabattierten Arzneimitteln“ des IGES Instituts 2019. Online verfügbar unter: https://www.progenerika.de/publikationen/studien/rabattvertraege-lieferengpaesse/ Zugriff am 25.11.2022.

 

Das Positionspapier finden Sie hier.


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