Mehr Patientennutzen und -beteiligung bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen

Maria Klein-Schmeink MdB

Konstantin von Notz MdB

Auch in Zeiten von Corona ist es essentiell, nicht nur die derzeit stark im Fokus stehenden Themen wie die Entwicklung einer Tracing-App, die Schaffung zusätzlicher Testkapazitäten oder die Sinnhaftigkeit eines Immunausweis zu bearbeiten, sondern auch die weiterzuverfolgen, die für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens dringend notwendig sind. In einem gerade im Bundestag vorgelegten Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, die Digitalisierung des Gesundheitswesens endlich nach den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer zu gestalten.

Zum Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) der Großen Koalition haben wir einen eigenen Antrag in den Bundestag eingebracht. In unserer Initiative fordern wir, Patientenorientierung und Patientenbeteiligung sicherzustellen und eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur nach klaren rechtsstaatlichen Kriterien aufzubauen. Patientinnen und Patienten sollen mehr Mitspracherechte erhalten. Zugleich wollen wir die Arbeit von Forscherinnen und Forschern erleichtern. Wir drängen darauf, die IT-Sicherheit und den Datenschutz nicht zu vernachlässigen und durch transparente Prozesse Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen.

 

Frühzeitig Nutzer-Perspektive einbeziehen

Patientenbeteiligung ist für uns notwendige Bedingung für eine gelungene Digitalisierung. Sie ist ein echtes Qualitätskriterium und muss endlich ernst genommen werden, denn nur wer die Nutzer-Perspektive frühzeitig einbezieht, kann die Versorgung verbessern und Vertrauen schaffen. Erst wenn Patientenvertreterinnen systematisch eingebunden werden und Antrags- und Auskunftsrechte in den relevanten Gremien erhalten, können sie Prozesse relevant beeinflussen. So wird sichergestellt, dass die Ergebnisse auch tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen.

Ein gleichberechtigter Zugang zu Gesundheits- und Versorgungsleistungen bleibt für uns elementar. Noch immer mangelt es häufig an Informationen und Digitalkompetenz ausgerechnet bei denjenigen, die am meisten von der Digitalisierung profitieren könnten. Junge und gesunde Menschen werden sicherlich einen Vorteil davon haben, die Dokumente des gelegentlichen Arztbesuchs in der elektronischen Patientenakte (ePA) speichern zu können. Doch gerade chronisch Kranke und multimorbide Patientinnen und Patienten stehen häufig vor dem Problem, einen Überblick über verschiedene Dokumente zahlreicher (Fach)Ärzte zu behalten. Daher ist es nötig, Hürden für die Nutzung digitaler Anwendungen abzubauen und zielgruppenorientierte Angebote zur Förderung von Digitalkompetenz anzubieten – u.a. bei Patientenorganisationen, Selbsthilfeverbänden und Seniorenorganisationen.

 

Verschenkte Potenziale beim e-Rezept

Am Beispiel des e-Rezepts wird deutlich, was geschieht, wenn man es verpasst, die Patienten-Perspektive einzunehmen: Aktuell soll lediglich der Transportweg digitalisiert werden, Patienten erhalten also statt des klassischen Rezeptes zukünftig ein Token auf ihr Smartphone oder, wenn sie keines haben, einen entsprechenden Ausdruck. Diese Umsetzung verschenkt Potenziale. Sinnvoller wäre es, wenn beispielsweise auch Erinnerungs- und Notizfunktionen in die App integriert würden. Diese Funktionen nutzen Daten, die ohnehin in den ärztlichen Systemen vorliegen und könnten eine echte Erleichterung darstellen, insbesondere für Menschen, die verschiedene Medikamente nehmen müssen. Bei möglichen Nebenwirkungen könnte eine Notizfunktion helfen, im nächsten Gespräch mit der Ärztin die Probleme präzise zu beschreiben und sich später daran zu erinnern, welches Medikament man nicht gut vertragen hat. So könnte die Arzneimitteltherapiesicherheit nachhaltig verbessert werden.

Auch in der Gesundheitsforschung müssen sich Maßnahmen nach den konkreten Bedürfnissen der Nutzer ausrichten. Derzeit erfahren wir, wie wichtig medizinische Forschung ist und wie abhängig Forscherinnen und Forscher von einem Zugang zu hochwertigen Daten sind. Das Ziel darf nicht die bloße Anhäufung riesiger Datenmengen sein. Vielmehr müssen Zugänge zu bestehenden Datensätzen vereinfacht und die Qualität der Daten verbessert werden.

 

Vereinheitlichung des Datenschutzrechts gefordert

Dazu wollen wir das bestehende, extrem fragmentierte Datenschutzrecht vereinheitlichen, zum Beispiel in Form eines Bund-Länder-Staatsvertrags. Anforderungen an die Datennutzung und Schutzstandards wollen wir auf hohem Niveau sichern und das Zeugnisverweigerungsrecht in Form eines Forschungsgeheimnisses auf Forscher ausweiten, um die Daten der Patientinnen und Patienten in jedem Kontext bestmöglich zu schützen. Die Datenqualität wollen wir mit einer dezentralen Forschungsdateninfrastruktur verbessern, in der Daten mit einheitlichen Standards dezentral und unter Einhaltung der FAIR-Kriterien (findable, accessible, interoperable und reusable) vorgehalten werden.

Die zahlreichen Anmerkungen und sehr deutlichen Hinweise des Datenschutzbeauftragten zum Gesetz der Bundesregierung zeigen, dass hier dringender Nachholbedarf besteht, bspw. bezüglich eines rechtskonformen Berechtigungsmanagements für die ePA und die frühzeitige Einbeziehung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik in alle Prozesse. Durch beste IT-Sicherheitsstandards und die Vereinheitlichung bestehender datenschutzrechtlicher Regelungen wollen wir Vertrauen schaffen und so für die notwendige Akzeptanz neuer digitaler Angebote sorgen. So stellen wir sicher, dass die Digitalisierung nicht zu einem reinen Selbstzweck wird, sondern ihr großes Potenzial gerade im Hinblick auf Verbesserungen bezüglich der Versorgung im Gesundheitsbereich tatsächlich ausgeschöpft wird.

 

Maria Klein-Schmeink MdB

gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

Konstantin von Notz MdB

stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen


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