Niedrigschwellige Diagnostik stärkt Prävention und Telemedizin

Dr. Daniel Werner, Gründer und CEO von Probatix

In der Bevölkerung steigt in den letzten Jahren sowohl das Gesundheitsbewusstsein als auch die Prävalenz chronischer Erkrankungen, sodass diagnostische Tests an Bedeutung gewinnen. Spätestens seit der Corona-Pandemie gehört Diagnostik für jeden zum Alltag dazu, und die Bereitschaft, die eigene Gesundheit zu überwachen, wird zur Selbstverständlichkeit. Die Hürde, umfassende diagnostische Tests zur Prävention durchzuführen, ist aufgrund fehlender niederschwelliger Angebote oftmals noch zu hoch. Für eine bedarfsgerechte Versorgung ist es deshalb notwendig, eine innovative und niederschwellige Teststruktur zu etablieren und diese langfristig entsprechend zu vergüten!

Blutwerte können ein frühes Indiz für Erkrankungen sein. Diese machen sich oftmals erst bemerkbar, wenn sie ein fortgeschrittenes Stadium erreicht haben und dann komplexe und behandlungsintensive Komplikationen verursachen. Regelmäßigen Check-ups können helfen, frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Vergleichsweise günstige diagnostische Tests verhindern somit hohe Behandlungskosten und entlasten die Solidargemeinschaft durch günstigere Prävention. Gleichzeitig stärkt die niederschwellige Diagnostik das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Die Zukunft liegt im mündigen Patienten, der seine Gesundheitsversorgung bereits vor dem Ausbruch einer Erkrankung aktiv mitgestalten kann. Fehlende Anlaufstellen, umständliche Terminbuchungen und unattraktive Vergütungen haben jedoch bisher die Möglichkeiten der präventiven Krankheitserkennung ausgebremst. Stattdessen könnte Diagnostik in Probeentnahmestellen, Apotheken, Laboren und speziell darauf ausgerichtete Arztpraxen niederschwellig und flächendeckend angeboten werden.

 

Telemedizin in der Breite – nicht ohne Diagnostik

Aufgrund des demografischen Wandels und des daraus resultierenden Ärztemangels liegt die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung in der Inanspruchnahme von Telemedizin. Wird jedoch nach oder für eine telemedizinische Sprechstunde Diagnostik benötigt, ist weiterhin eine Probeentnahme notwendig. Dafür sollten niedrigschwellige Testmöglichkeiten bestehen – in der Praxis oder bei Probeentnahmestellen auf der Basis intelligenter Softwarelösungen für Terminvergabe und Datenaustausch, die von den Testanbietern in Lizenz genutzt werden.

Die Nachfrage nach regelmäßigen Check-ups zum Tracking der eigenen Gesundheit, wie beispielsweise der Einblick in den Nährstoff- und Vitaminhaushalt des eigenen Körpers, steigt. Der Trend zum/zur aufgeklärten Patienten/Patientin, der/die seine Gesundheit aktiv mitgestaltet, sollte durch entsprechende Angebote gestärkt werden. Denn gesundheitsbewusstes Verhalten und Gesundheitskompetenz verringern die Morbidität der Bevölkerung und sparen dem Gesundheitssystem langfristig Kosten.

Das Ziel muss sein, alternative präventive Testmöglichkeiten langfristig umfassend in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung zu überführen. Hierfür sollte je nach Inanspruchnahme ein Mix aus Selbstzahler- und Krankenkassenleistungen bestehen. Diagnostik im Rahmen von telemedizinischen Sprechstunden sollten wie beim niedergelassenen Arzt Sachleistungen der Krankenkassen darstellen, die vom Leistungserbringer und dem Labor nach EBM gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden. Sinnvoll wäre auch eine Ausweitung von diagnostischen Tests im Rahmen von weiteren Check-ups gemäß § 25 Abs. SGB V und bei der Ernährungsberatung.

Für diejenigen, die für das Tracking ihrer Fitness eine Nährstoffanalyse durchführen lassen und bei denen keine medizinische Notwendigkeit für Laboranalysen besteht, kann Diagnostik als Selbstzahlerleistung nach der GOÄ angeboten werden. Für Ärzte und Labore sind diese Abrechnungswege offen. Natürlich stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Vergütungsmodell für Probeentnahmestellen, die noch nicht in der Regelversorgung etabliert sind. Im ersten Schritt könnte die Vergütung über Selektivverträge gelöst werden. Langfristig wäre die Zielsetzung das Modell als Regeleistung in das SGB V aufzunehmen.

 

Klare Regelungen für Probeentnahmestellen notwendig

Diagnostische Tests in Apotheken, Probeentnahmestellen und Laboren werden die Diagnostik in Arztpraxen nicht ablösen, bieten aber eine wichtige Ergänzung, um diese näher an den Bürger zu bringen und die frühzeitige Erkennung von Erkrankungen zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten niederschwellige Angebote geschaffen und diese als weiteres Standbein der Primärversorgung anerkannt werden. Hierfür sind durch den Gesetzgeber klare Regelungen für Probeentnahmestellen notwendig, wie etwa die mögliche Substitution der Blut- und Probenentnahme, die Erweiterung der Check-up Möglichkeiten im Rahmen des SGB V und die langfristige Überführung in die Regelversorgung. Die Zukunft wird in der Hand des aufgeklärten Patienten liegen, der seine Behandlung in einer digitalen und präventiv ausgerichteten Gesundheitsversorgung steuert und erfährt. Regelmäßige diagnostische Tests werden so zur Routine im Alltag.


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