Medizinforschungsgesetz: schnellere klinische Prüfungen durch verbindliche Standardvertragsklauseln

Dr. Frank Wissing, Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentags (MFT) und Vorstandsmitglied der Deutschen Hochschulmedizin (DHM)

Die Pharmastrategie der Bundesregierung verfolgt das ehrgeizige Ziel, Deutschland als Forschungs- und Produktionsstandort für innovative Medikamente wieder ganz weit nach vorn zu bringen. Dieses Ziel ist Mittel zu dem eigentlichen Zweck, Patienten in Deutschland noch schneller als bislang Zugang zu neuen Therapieverfahren zu geben und deren Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Damit ein Medikament oder ein neues Verfahren für den Einsatz am Patienten zugelassen wird, müssen klinische Prüfungen hinreichende Sicherheit und Evidenz für eine tatsächliche Wirksamkeit aufzeigen. Klinische Prüfungen können auf Basis öffentlicher Finanzierung im Rahmen von kooperativen Zusammenschlüssen mehrerer universitärer Zentren (sogenannte Investigator Initiated Trials, IITs) durchgeführt werden.

Auf einem anderen, häufig genutzten Weg beauftragt ein Sponsor aus der Privatwirtschaft akademische Prüfzentren, um z. B. eine potenzielle Marktzulassung prüfen zu lassen. Die Beteiligten eines solchen Auftragsverhältnisses – in der Regel eine einzelne Firma mit mehreren akademischen Prüfzentren – schließen im Vorfeld Verträge ab, die z. B. verbindlich festlegen: Wer hat welche Aufgaben? Wer haftet wofür? Wer erhält die Rechte an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die im Prozess der Prüfung gewonnen werden? Was wird in welcher Höhe vergütet? Etc. Klinische Prüfungen sind komplexe Vorhaben mit oftmals langjähriger Dauer und sie sind auf verschiedenen Ebenen reguliert.

 

Zügige Vertragsabschlüsse sind möglich

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass eine Vielzahl von Akteuren involviert sind. Zählt man die Mitglieder der Industrieverbände, stehen auf der einen Seite rund 300, zum Teil international aufgestellte, potenzielle Auftraggeber. Viele dieser Firmen haben eigene juristische Abteilungen, nicht selten im Ausland, und oftmals Vertragsmuster, die nicht immer gut an den deutschen Rechtsrahmen angepasst sind. Dem stehen auf der anderen Seite knapp 40 medizinische Fakultäten bzw. Unikliniken gegenüber, hinzu kommen weitere Krankenhäuser aller Größen. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter den universitären Standorten kam daher wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass im Median rund 150 Tage benötigt werden, um einen Vertrag zwischen Auftraggeber und akademischem Prüfzentrum abzuschließen. Einzelfälle können, u.a. aus oben genannten Gründen deutlich länger dauern.

Umgekehrt zeigen sehr schnelle Vertragsabschlüsse von unter einem Monat, was geht, wenn sich alle Vertragspartner einig sind (oder sein müssen). Vor diesem Hintergrund haben mehrere Verbände, die Vertragsparteien auf beiden Seiten vertreten, gemeinsam Mustervertragsklauseln erarbeitet, die die wesentlichen Teile solcher Prüfzentrenverträge abdecken und einen tragfähigen Interessenausgleich zwischen beiden Seiten darstellen. Bislang ist deren Nutzung freiwillig. Und wie die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen, werden sie noch viel zu selten als Ausgangspunkt für Vertragsverhandlungen von den Firmen genutzt. Immerhin in einem Fünftel der Vertragsverhandlungen greift man aber zu einem späteren Zeitpunkt bereits auf die Mustervertragsklauseln als Rückfallposition zurück.

 

Auf erprobte Mustervertragsklauseln zurückgreifen

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir sehr den Ansatz des Medizinforschungsgesetzes, Vertragsverhandlungen mit Hilfe von Standardvertragsklauseln zu beschleunigen. Wir schlagen vor, auf die von den Verbänden bereits ausgehandelten Mustervertragsklauseln zurückzugreifen. Deren Elemente sind in vielen Verhandlungen erprobt worden. Sie sind deutschlandweit einheitlich und indikationsübergreifend anwendbar. Darüber hinaus haben die Verbände das Mandat ihrer Mitglieder, die Klauseln weiterzuentwickeln und zu pflegen. Damit wären die wesentlichen Vertragspartner für die Auftragsforschung in Deutschland repräsentiert. Zudem ermutigen wir das BMG, statt einer Bekanntmachung den Schritt hin zu einer Vorgabe, z. B. im Rahmen einer Verordnung, zu gehen. Länder wie Spanien, Frankreich oder UK, die diesen Weg gegangen sind, weisen eine deutliche Zunahme ihrer Studientätigkeiten auf.

Ergänzend zu den Mustervertragsklauseln haben die involvierten Verbände in Deutschland ein weiteres Mittel zur Beschleunigung der Prozesse vorgelegt: In ihrer gemeinsamen Empfehlung zur Gesamtleistungsrechnung bei klinischen Prüfungen wird die Frage der Vergütung der erforderlichen Vorhaltungen und erbrachten Leistungen adressiert. Feste Kostenkataloge sind aufgrund der Unterschiedlichkeit der im Rahmen von Studien zu erbringenden Aufgaben kaum umsetzbar. Die Empfehlung skizziert aber einen Rahmen für Fragen, wie die konkreten Leistungen durch das Prüfzentrum einzupreisen sind oder wie die beihilferechtlich erforderliche Darstellung von Vorhaltungen und Vollkosten in für beide Seiten adäquater Form umgesetzt werden kann.

Wenden beide Vertragsparteien diese Mustervertragsklauseln und die Empfehlungen zur Kostenkalkulation konsequent an, können sich die Verhandlungen im Rahmen der Auftragsforschung gleich von Anfang an auf die konkreten Anforderungen der Studie und die zur zügigen Umsetzung erforderlichen Budgets fokussieren. So wäre eine Verkürzung aller Verhandlungsdauern auf weniger als die Hälfte möglich, ohne die Interessen beider Seiten einzuschränken. Das Medizinforschungsgesetz bietet jetzt die Chance, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen!


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