Die KVen sind nicht die Handlanger für Abrechnungsbetrüger

Martin Degenhardt, Geschäftsführer Freie Allianz der Länder KVen (FALK)

Ermittler gehen mittlerweile von über einer Milliarde Euro Gesamtschaden aus, der bundesweit durch Abrechnungsbetrug bei Bürgertests entstanden ist. Im Rahmen der neuen Testverordnung wird den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgrund detaillierter Anspruchsvoraussetzungen die Abrechnungsprüfung noch weiter erschwert. Die KVen haben daher allen Grund, die Abrechnung von Corona-Bürgertests zu verweigern.

Anhand der eingangs erwähnten Schadensumme lassen sich zwei Dinge ableiten.
Zum einen scheint es, ohne alle Testellenbetreiber unter Generalverdacht zu stellen, unter diesen doch ganz offensichtlich Menschen mit krimineller Energie zu geben. Und man kommt nicht umhin, von organisierter Kriminalität sprechen. Anders kann man die Betrugsmaschinerie einiger Betreiber, wie beispielsweise der Schnelltestfirma Medican, nicht nennen. Medican hatte über seine rund 50 Teststandorte mehr Tests ans zuständige Ministerium gemeldet, als durchgeführt wurden – geschätzter Schaden ca. 25 Millionen Euro.

Zum anderen zeigt der Gesamtschaden von über einer Milliarde Euro, dass die durch das Ministerium vorgesehene und von den Kassenärztlichen Vereinigungen durchgeführte Abrechnungsprüfung Betrugsfälle schlicht und ergreifend nicht verhindern konnte. Dies ist nicht die Schuld der KVen. Wir haben immer wieder betont, dass es mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich ist, die Teststellen adäquat zu kontrollieren. Diese Warnungen wurden sowohl von der alten als auch von der neuen Bundesregierung ignoriert.

 

Kommunikation muss verbessert werden

Die Kassenärztlichen Vereinigungen tun daher gut daran, sich nicht weiter zum Handlanger für Abrechnungsbetrüger zu machen. Zumal nach den neuen Regelungen des BMG nun zusätzlich detaillierte Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen werden müssten. Völlig zu Recht fragen die KVen, wie dies funktionieren soll, wenn schon das vorherige Prüfsystem ganz offensichtlich nicht wirklich funktionsfähig war.

Eine unmögliche Aufgabe, auf die sich die KVen nicht mal vorbereiten konnten. Die KVen hatten vor Veröffentlichung der neuen Testverordnung nur 4 Stunden und 15 Minuten Zeit gehabt, die neuen Regelungen zu kommentieren. Reaktionen seitens des Ministeriums darauf hatte es keine gegeben. Stattdessen wurde die Testverordnung einen Tag vor Inkrafttreten kommentarlos veröffentlicht. Hier muss eine grundlegende Verbesserung in der Kommunikation des Bundesgesundheitsministers und seines Ministeriums stattfinden. Bei Lauterbachs Amtsvorgängern war es Usus sowohl auf Arbeits- als auch auf Führungsebene, vorab mit Ärztevertretern über solche weitreichenden Vorhaben in Abstimmung zu gehen. Zumal man ja seit mehreren Monaten weiß, wann die Dritte Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung in Kraft treten muss, um die alte abzulösen.

 

Praktikable Gestaltung dringend erforderlich

In dieser Woche soll es nun endlich Gespräche zwischen KBV und BMG geben, wie man die neue Testverordnung praktikabel gestalten kann. Dies ist dringend notwendig. Ein Problem bleibt aber bestehen: Die KVen haben weder Mittel noch Möglichkeiten, Teststellenbetreiber mit erheblicher krimineller Energie adäquat zu kontrollieren. Dies muss von den Behörden vor Ort, die auch die Teststellen genehmigen, geschehen.


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