Digitalisierungsgesetze bleiben hinter den Erwartungen zurück

Erwin Rüddel MdB, Mitglied im Gesundheitsausschuss, Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für Digitalisierung im Gesundheitssystem

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird zweifellos die Zukunft unserer Gesundheitsversorgung prägen. Sie ist nicht nur ein Trend, sondern eine unaufhaltsame Evolution, die das Potenzial hat, die Gesundheitsversorgung für alle zu verbessern und die Gesundheit weltweit zu fördern. Der rasante Fortschritt in der Informationstechnologie hat die Art und Weise, wie wir über Gesundheit und Medizin denken und handeln, grundlegend verändert. Es liegt jetzt an uns, den Rückstand, den Deutschland in diesem Bereich leider hat, aufzuholen, um eine bessere und zugänglichere Gesundheitsversorgung für alle zu schaffen.

Wir benötigen die Digitalisierung, um Versorgungsprobleme in den Griff zu kriegen, die aufgrund der alternden Gesellschaft durch zunehmende Morbidität bei gleichzeitigem Fachkräftemangel entstehen. Insofern begrüße ich die beiden Gesetze, auch wenn ich mir gewünscht hätte, der Bundesgesundheitsminister hätte sie schon früher auf den Weg gebracht.

Die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im Digitalgesetz ist ein zentraler Aspekt der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Möglichkeit, Gesundheitsdaten digital zu speichern und auszutauschen, ermöglicht einen nahtloseren und schnelleren Informationsaustausch zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen. Dies trägt nicht nur zur Vermeidung von Fehlern bei der Diagnose und Behandlung bei, sondern ermöglicht auch eine kontinuierliche und personalisierte Betreuung der Patienten. Für den Erfolg ist eine niedrigschwellige, unkomplizierte Anwendung aller Beteiligten allerdings die wichtigste Voraussetzung.

 

Digitalisierung aller DMP erforderlich

Die Aufnahme unstrukturierter Daten in die ePA auf Wunsch des Versicherten ist allerdings fragwürdig, da diese Daten nicht systematisch durchsucht und ausgewertet werden können. Leistungserbringer werden diese Daten kaum zur Behandlung ihrer Patienten nutzen können. Hier werden Ressourcen der Krankenkassen gebunden und Kosten verursacht, ohne dass ein relevanter Mehrwert entsteht.

Während Corona haben wir gesehen, wie offen die Menschen gegenüber Telemedizin sind. Diese Therapieform auszuweiten, ist sinnvoll, um eine bessere Versorgung für Menschen im ländlichen Raum oder solche mit begrenztem Zugang zu Gesundheitsdiensten zu ermöglichen. Das reduziert Wartezeiten, erleichtert den Zugang zur Gesundheitsversorgung und verbessert letztendlich die Lebensqualität vieler Menschen. Allerdings springt der Gesetzentwurf hier zu kurz: Telemedizinische oder softwaregestützte Konsile sollten grundsätzlich und für alle medizinischen Richtungen zur Verfügung stehen. Die Aufhebung der Mengenbeschränkung und Anerkennung der Telemedizin als gleichwertig zu analogen Leistungen sollte nicht auf die Videosprechstunde beschränkt bleiben, sondern auf alle telemedizinischen Leistungen (z. B. Telemonitoring, Telediagnostik, Telekonsile) ausgeweitet werden.

Ähnliches gilt für die geplanten digitalen Disease-Management-Programme (DMP) . Menschen mit chronischer Erkrankung profitieren von digitalen Lösungen. Das für Diabetes mellitus Typ I+II geplante DMP kann deshalb nur der Einstieg sein. Perspektivisch müssen alle DMP digitalisiert werden.

Auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz begrüße ich grundsätzlich, damit eine bessere Anbindung, Verarbeitung und Nutzung von Gesundheitsdaten ermöglicht werden. Durch die Analyse großer Datenmengen kann KI bei der Früherkennung von Krankheiten, der personalisierten Medizin und der Optimierung von Behandlungsplänen unterstützen. Dies ermöglicht eine präzisere und effektivere Gesundheitsversorgung, indem sie Ärzte bei Entscheidungen unterstützt und neue Wege für die Behandlung von Krankheiten aufzeigt.

Deshalb ist es wichtig, dass es zukünftig bei länderübergreifenden Gesundheitsforschungsvorhaben eine bundeslandübergreifende Zuständigkeit geben soll. Die Anforderungen der zuständigen Datenschutzaufsicht dürfen allerdings nicht zu hoch sein, um Forschung nicht von Beginn an zu vereiteln. Um das Potenzial von Gesundheitsdaten vollständig ausschöpfen zu können, muss zudem sichergestellt sein, dass allen Akteuren mit einem legitimen Nutzungszweck gleichberechtigte Datenzugänge und Nutzungsrechte gewährt werden. Zur Vereinfachung der Weiterleitung von Sozialdaten zu Forschungszwecken sollte zudem auf die nachträgliche Einholung von Einwilligungen der Versicherten verzichtet werden.

 

Präventive Versorgung von Pflegebedürftigen ermöglichen

Es ist sinnvoll, dass die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, zur Früherkennung von Risiken und zum individuellen Gesundheitsschutz ihrer Versicherten datengestützte Auswertungen vorzunehmen, ihre Versicherten individuell anzusprechen und damit zur Verbesserung des individuellen Gesundheitsschutzes beizutragen, solange die Versicherten dem nicht widersprochen haben. Im Gegensatz zu den Leistungserbringern stehen den Krankenkassen sektorenübergreifende Daten zur Verfügung: Dieses Potenzial dürfen wir nicht vergeuden.


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