22.05.2018
Fremde Federn schmücken schlecht
Warum die PKV darauf verzichten sollte, sich als Solidargemeinschaft zu bezeichnen
Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung
Zum Standardrepertoire berufsmäßiger PKV-Apologeten gehört die Behauptung, auch die private Krankenversicherung (PKV) sei eine Solidargemeinschaft, da hier Gesunde für Kranken einstünden. Munter reproduzierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die These kürzlich in der Sendung „Hart aber fair“. Allein, auch die quasi ministerielle Weihe vermag nicht, das Postulat in Wahrheit umzuwandeln. Es ist schlicht falsch! Denn Solidarität ohne Sozialausgleich macht keinen Sinn.
Noch stärker als beim Ausgleich zwischen Jungen und Alten oder Gesunden und Kranken ist in der Bevölkerung der Rückhalt für das in der Beitragssystematik der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verankerte Prinzip, dass Gutverdiener mehr zahlen als Einkommensschwächere. Für das volle Solidarversprechen ist der Einkommensausgleich konstitutiv – unabhängig davon, wie er im Einzelnen ausgestaltet wird; über Beiträge oder Steuern. Eine Krankenversicherung aber, die wie die PKV die finanzielle Leistungsfähigkeit ihrer Versicherten gar nicht berücksichtigt, kann allein schon aus diesem Grund für sich keinen Anspruch erheben, als Solidargemeinschaft zu gelten. „Es liegt im System der privaten Versicherung, dass Prämien risiko-basiert sind und nicht sozial-gesteuert“, meinte jüngst der Versicherungsombudsmann Günter Hirsch. Anders als in der GKV kann es daher einem privat Versicherten passieren, dass er sich seinen Krankenversicherungsbeitrag nicht mehr leisten kann und in einen anderen, wenn nicht gar in den „Notlagentarif“ wechseln muss. Die branchentypischen Ausweichstrategien, um finanzieller Überforderung zu entrinnen, zeugen davon, dass die behauptete Solidarität nicht nur versagt, sondern im Betriebsmodell der PKV schlicht nicht vorgesehen ist. In der GKV sind solche aus der Beitragssystematik herrührende Notlagen ausgeschlossen (wenn man einmal von den derzeit für freiwillig versicherte Selbstständige noch geltenden Beitragsbemessungsregeln absieht).
Auch wer die zentrale Bedeutung des Sozialausgleichs leugnet und den Begriff der Solidarität auf Schadens– und Risikoausgleich verengt, wird kaum umhinkommen einzugestehen, dass die PKV selbst diesem reduzierten Verständnis von Solidarität nicht genügt. Ihre Zugangsbedingungen schränken qua Gesundheitsprüfung und Alterszuschlägen den Ausgleich unterschiedlicher Erkrankungsrisiken bereits im Vorherein stark ein. Gewiss verändern sich auch nach Abschluss einer Krankenversicherungspolice die Risikoprofile der privat Versicherten, so dass zumindest im Zeitverlauf innerhalb der jeweiligen Kohorte eine gewisse Risikomischung entsteht. Aber die Zugangshürde wirkt doch weiter. Ausweislich der Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung können privat Versicherte als im Durchschnitt gesünder gelten als gesetzlich Versicherte. „PKV-Versicherte haben (bei einer großen Varianz) im Durchschnitt ein höheres Einkommen als GKV-Versicherte … und haben im Durchschnitt auch eine geringere Morbidität“, schrieb kürzlich der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Das Geschäftsmodell der PKV trägt daher mit Blick auf die gesamte Bevölkerung zur Risikoentmischung bei – und das ist eben genau das Gegenteil von Solidarität.
Von einer Solidargemeinschaft ist somit die PKV mit ihrem auf Risikoselektion angelegten Geschäftsmodell ebenso weit entfernt, wie eine darauf basierende Konkurrenz der Versicherungssysteme von fairem Wettbewerb. Auch für die Verfechter der Dualität von GKV und PKV wäre es daher ein Gebot intellektueller Redlichkeit, auf das Postulat, letztere sei eine Solidargemeinschaft, einfach zu verzichten. Warum auch sollte die private Assekuranz etwas für sich beanspruchen, was sie gar nicht leisten kann? Etwa, um im viel gepriesenen „Systemwettbewerb“ auf unlautere Weise einen Punkt zu machen, auf den sie gut und gerne verzichten könnte? Immerhin leistet sie ja den Schadens- und in gewissen Grenzen sogar einen Risikoausgleich innerhalb der jeweiligen Versichertenkollektive. Warum belässt die PKV es nicht dabei und bleibt bei ihren Leisten? Es ist doch gerade der Sinn der Dualität, die Unterschiede zwischen den beiden Seiten zu betonen. Und Solidarität in einem auch nur annähernd hinreichenden Verständnis ist nun einmal keine Leistung der PKV, sondern der GKV. Warum sollte sich die PKV mit dieser fremden Feder schmücken?
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