Digitalisierung: Jetzt seid ihr dran

Matthias Mieves MdB, Sprecher für e-Health der SPD im Bundestag

Mit dem Digitalgesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) haben wir als Ampel zwei politische Projekte über die Ziellinie geschoben, die sehr bald in der Praxis ankommen. Die ePA funktioniert nur, wenn sie gut befüllt, und die Vorteile von allen Beteiligten kommuniziert werden. Die Politik hat geliefert, was Verbände lange gefordert haben. Ein Call to Action.

Die Technik ist nicht an allem schuld. Wenn ich noch am 2. Januar dieses Jahres höre, dass man anfange, sich mit dem E-Rezept zu beschäftigen, muss ich feststellen: Menschen aus denselben Berufen sind in Deutschland in zwei Geschwindigkeiten unterwegs, und wir müssen aufhören, auf die Langsamsten zu hören. In meinem Lieblings-Zoo KIS und PVS sind sicher manche vom Aussterben bedroht. Manche Systeme sind überholt und werden verschwinden. Der Anspruch, dass alles sicher funktionieren muss, ist ein richtiger, und auch, dass wir nicht alles auf einmal umschalten, sondern allmählich neue Prozesse etablieren. Wir können es uns aber absolut nicht leisten, stehenzubleiben. Es gibt viele Gründe, warum der Wechsel des PVS schwierig oder nicht möglich ist. Das verdammt euch doch aber nicht dazu, nur zuzusehen. Jetzt seid ihr dran, liebe Ärztinnen und Ärzte, zusammen mit den KVen eure Softwarehersteller in die Pflicht zu nehmen.

 

Systeme müssen miteinander reden können

Damit nicht doppelt und dreifach erfasst wird, müssen die Systeme miteinander reden können. Ganz wichtig beim Aufbau der Digital-Agentur als Nachfolgerin der gematik ist der Fokus auf Interoperabilität. Gewachsene Systeme müssen sich derart verschränken, dass Informationen strukturiert übergeben werden können. Ich sehe jetzt schon, dass Cluster in allen Ecken der Bundesrepublik wachsen, wo man sich auf eine gemeinsame Sprache geeinigt hat und Kooperationen forciert, die ganz viel abschreiben und telefonieren erspart. Am Anfang wird der Aufwand größer als der Nutzen sein, auf lange Sicht spart Vernetzung uns allen aber viel Doppelarbeit und verbessert die Versorgung. Vergütet wird der Aufwand auch, über die Höhe werden wir noch sprechen müssen. KVen und Apothekenverbände müssen gute Workflows präsentieren sowie Fortbildung und Materialien anbieten, die die Fragen aus der Praxis aufgreifen und die Umsetzung leichter machen.

Wir haben fantastische Innovationszentren in Deutschland. Projekte wie Optimal@NRW zeigen, wo die Reise hingehen kann, und solche mutigen Ansätze brauchen wir überall. Jeder kennt Beispiele, wo das Know-how ist und wo weiter investiert werden muss. Dazu brauchen wir keine Super-Datenbank, sondern nur den Willen und den Mut, über den eigenen Schatten zu springen. Das heißt gerade auch, dass öffentliche und private Institutionen stärker zusammenarbeiten. Die Forschung muss zeigen und ganz konkrete Geschichten erzählen können, wie der Vertrauensvorschuss der Versicherten, auf deren Daten geforscht wird, Nutzen bringt für ihre Gesundheit.

Wenn der Nutzen klar wird, die Software funktioniert, die Schulungen und Informationsmaterialien vorliegen und die ePA für alle gesetzlich Versicherten startet, dann gilt es. Die ePA funktioniert mit Vertrauensvorschuss. Erst mit den Daten kommen die Mehrwerte. Nach und nach wird es weitere Anwendungsfälle geben. Apothekerinnen, Ärztinnen und ihre Mitarbeitenden müssen sich den Nachfragen stellen. Wer dann ausweicht und die Geschichte erzählt, die Abläufe seien viel komplizierter und die ePA unsicher, der sieht nicht, wohin die Reise geht, nämlich in eine Zeit, in der wir uns mangels Fachkräften Doppel- und Dreifacherfassungen nicht mehr leisten können. Wir gehen alle zusammen in die Zukunft des Gesundheitswesens, und je weniger Doppelstrukturen wir brauchen, desto schneller kommen wir dort an. Mit Blick auf das europäische Ausland wird es Zeit. Digital ist dort längst Standard.

 

Politik über Probleme informieren

An der Stelle kann dann auch die Frage an die Politik gestellt werden: Wie stellen wir die Computing-Power zur Verfügung, damit aus Daten und KI neue Ansätze für eine bessere Versorgung wachsen? Wo muss sich der Staat an den Investitionen beteiligen, die dazu notwendig sind? Wie entwickeln wir die dezentrale Dateninfrastruktur weiter und welche Potenziale müssen wir noch heben? Wo gibt es Probleme, die von Digital-Agentur, Ministerium und Gesetzgeber geheilt werden können? Wo bei diesen Feldern noch Gesetze im Weg stehen, da gehört der Ball wieder zurück an die Politik, um auch in der nächsten Legislatur die richtig großen Vorhaben anzugehen. Mit dem Medizinforschungsgesetz, dem Digitalagentur-Gesetz und dem Bürokratieabbaugesetz machen wir jetzt schon direkt weiter. Da werden wir uns sicher nicht aus der Verantwortung stehlen. Bis dahin seid ihr dran.


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