Die Krankenhausreform muss gelingen

Bundesgesundheitsminister verliert sich in taktischen Winkelzügen

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland e. V.

Im Dezember 2022 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gemeinsam mit der von ihm eingesetzten Regierungskommission erste Vorschläge für eine Krankenhausreform vorgestellt. Die geweckten Erwartungen waren hoch. Das Kommissionskonzept entpuppte sich dann allerdings als praxisfernes Gedankenkonstrukt, das bei den Ländern und den Kliniken großen Unmut erzeugte.

Nicht zuletzt aufgrund fehlenden Einbezugs von Experten aus der realen Versorgungspraxis und fehlender Analysen, wie sich die erdachten Reformideen auf die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung auswirken könnte.

Nun ist ein Jahr vergangen, und in wenigen Tagen, am 1. Januar 2024, sollten die ersten Elemente der Reform in Kraft treten. Dass dies nicht gelingen wird, hat sich seit mehreren Monaten abgezeichnet. Die Verantwortung dafür liegt vor allem beim Bundesgesundheitsminister selbst, denn es ist ihm nicht gelungen, einen konstruktiven und zielorientierten Arbeitsrhythmus mit den Ländern zu finden. Mehr noch: Er hat sich in taktischen Winkelzügen verloren und weigert sich bis heute, die Vertreter:innen der Krankenhaus-Praxis mit in die Ausgestaltung der Reform einzubeziehen. Vorgeblich will er die Reformbemühungen nicht von Lobbyinteressen beeinträchtigen lassen. Faktisch gewinnt man nun den Eindruck, er wollte freie Bahn haben für politische Machtspiele mit den Ländern.

 

Wirtschaftliche Not spitzt sich zu

Unterdessen spitzt sich die finanzielle Not in den Krankenhäusern immer mehr zu. Neben den seit vielen Jahren unzureichenden Investitionsmitteln der Länder klafft mittlerweile auch eine beachtliche Lücke bei der Finanzierung der Betriebskosten. Im nächsten Jahr kommen zudem berechtigte Tarifsteigerungen für die Mitarbeitenden hinzu, die bislang über die Regelfinanzierung nicht refinanziert werden können.

Mehr als zwei Drittel der Kliniken bewerten ihre wirtschaftliche Lage als schlecht oder sehr schlecht. Die Zahl der Insolvenzverfahren steigt kontinuierlich, und immer mehr Kommunen greifen in den Steuertopf, um Defizitausgleiche für ihr kommunales Krankenhaus zu leisten. Diese Form der Bevorteilung von staatlichen Kliniken durch öffentliche Steuermittel wächst sich aktuell zu einer existentiellen Wettbewerbsverzerrung aus und belastet die Haushalte der Kommunen erheblich.

Freigemeinnützige Träger, zu denen die katholischen Krankenhäuser zählen, haben hierbei das Nachsehen. Sie werden in der Regel nicht von den Kommunen aufgefangen, sondern müssen sich sprichwörtlich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Dass die Praxis dieser einseitigen Defizitausgleiche nur zugunsten staatlicher Kliniken rechtswidrig ist, zeigt ein aktuelles Rechtsgutachten, welches unser Verband mit beauftragt hat. Demnach ist dies ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und gegen das europäische Beihilfenrecht.

 

Bundespolitische Lösung für chronische Unterfinanzierung fehlt

Rechtlich gesehen haben alle Plan-Krankenhäuser und somit auch freie Träger einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Länder und Kommunen müssten damit auch ihnen Defizitausgleiche zahlen. Doch was eigentlich fehlt, ist eine bundespolitische Lösung der chronischen Unterfinanzierung, unter der die Krankenhäuser leiden.

Allerdings zeigt Minister Lauterbach am Vorabend der Krankenhausreform kein Interesse daran, eine auskömmliche Finanzierung für alle bedarfsnotwendigen Plan-Krankenhäuser und deren wirtschaftliche Sicherung zu gewährleisten, wofür der Bund aber laut Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) verantwortlich ist. Lauterbachs Zusagen beschränken sich auf Energie- und Liquiditätshilfen, wobei die Gelder aus letzteren den Krankenhäusern ohnehin zustehen, nur frühzeitiger ausgezahlt werden sollen. So droht der kalte Strukturwandel mit hoher Fahrt weiterzugehen. Und bis zum Inkrafttreten der wichtigen Reform werden für die Versorgung wichtige Kliniken aus wirtschaftlicher Not verloren gehen.

Kann die Krankenhausreform überhaupt noch gelingen, nachdem die Länder dem Bundesgesundheitsminister per Brief und danach durch Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Transparenzgesetz im November ihre große Unzufriedenheit mitgeteilt haben? Die einfache Antwort ist: Die Krankenhausreform muss gelingen, die Finanzierung der Kliniken und auch die Strukturen benötigen dringend eine zukunftsfähige Erneuerung!

Doch nach einem Jahr Diskussionen und Verhandlungen zwischen Bund und Ländern scheint, die Baustellen im Reformvorhaben sind nicht weniger geworden, so wie es scheint sogar mehr.

Das Kernstück, die Finanzierungsreform bleibt weitgehend im Unklaren. Richtig ist, das Fallpauschalensystem durch eine Vorhaltevergütung zu ergänzen. Das kann die Krankenhäuser aus dem wirtschaftlichen Hamsterrad befreien, wenn das Konzept richtig aufgesetzt ist. Wenig hilfreich wäre, einfach einen Teil der bisherigen fallbezogenen Vergütung pauschal an die Kliniken zu zahlen und den Rest über Fallmengen zu verteilen. Damit würde lediglich das ohnehin knappe Geld anders verteilt. Wirtschaftlicher Druck lässt sich so nicht mindern.

Wichtig wäre vielmehr, über die Vorhaltevergütung die tatsächlichen Kosten abzudecken, die für die Bereitstellung aller notwendigen Versorgungsangebote erforderlich ist. Im Konzept von Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist das aber noch nicht erkennbar. Genauso wenig wie irgendwelche finanziellen Anreizmechanismen zur Förderung der Ambulantisierung stationärer Klinikleistungen. Dabei könnten gerade diese ein wirklicher Game-Changer beim Umbau der Kliniklandschaft aus sich heraus sein.

 

Bedarfsgerechte Gesundheitsvorsorge vor Ort planen

Bei der Planung setzt der Minister sehr offensichtlich auf möglichst engführende bundeseinheitliche Leitplanken. Damit wäre die regionale Bedarfsplanung und die Anpassung an örtliche Gegebenheiten stark eingeschränkt. Eine bedarfsgerechte Gesundheitsvorsorge kann aber nicht am grünen Tisch in Berlin entwickelt werden, sondern sie muss vor Ort geplant werden. Zudem sind regional viele passgenau zugeschnittene Versorgungsnetzwerke entstanden, die nicht leichtfertig gefährdet werden dürfen.

Besonders kritisch zu sehen ist die unterschwellige Tendenz, eine Konzentration der stationären Versorgung an weniger, dafür deutlich größeren Klinikstandorten zu betreiben. Diesem Ziel soll auch das gerade erst vom Bundesrat angehaltene Transparenzgesetz dienen. Für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung hätte eine solche Entwicklung einschneidende Folgen. Es bedeutet nicht nur längere Fahrtwege, sondern auch längere Wartezeiten bei planbaren Behandlungen. Zudem droht Gesundheitspersonal in andere Branchen abzuwandern, wenn es den weiteren Fahrweg zum Arbeitsplatz nicht auf sich nehmen will. Wir schlagen daher vor, das dezentrale Netz an Kliniken zu erhalten und hier durch Absprachen und Kooperationen die Spezialisierung der Häuser zu fördern.

Zum Abschluss noch ein Blick auf die Pläne zur sektorenübergreifenden Versorgung. Mit den sogenannten „Level 1i“ wollte die Regierungskommission ein ambulant-stationäres Versorgungsangebot neuen Typs an den Start bringen, das gerade ältere, weniger mobile Menschen wohnortnah gut versorgt. Doch in den Arbeitsentwürfen zur Reform findet sich eher die Beschreibung einer von konzeptionellen Visionen befreiten Resterampe. Den Häusern werden Aufgaben zugewiesen, die Krankenhäuser heute ohnehin schon erbringen. Die Stärkung der Pflege beispielsweise in der Leitungsfunktion wurde wieder zurück gestutzt. Und viele offene Fragen an der Schnittstelle zwischen dem Fünften und dem Elften Sozialgesetzbuch, beispielsweise bei der Abrechnung oder der MD-Prüfungen sind nicht bedacht.

Vor dem Bundesgesundheitsminister und den Ländern liegt noch viel Arbeit, bis die Krankenhausreform eine praxistaugliche und zukunftsfeste Gestalt annimmt. Sie wären gut beraten, jetzt endlich die Akteur:innen aus der Versorgungspraxis mit an den Verhandlungstisch zu holen, damit der politische Machtkampf einer zielorientierten Sachdebatte für eine gute gesundheitliche Daseinsvorsorge in allen Regionen Deutschlands weicht. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass dieses Ringen um die nächste und nächste Version eines KHVVG-Arbeitsentwurfes aus dem BMG immer mehr zum Selbstzweck wird in einem föderalen Schaukampf.


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