Burnout in der Pflege kann verhindert werden

Kanadische Studie gibt Aufschluss über Anforderungen an die Führungskraft



Erschöpft, ausgebrannt, gestresst: eine Gefahr, die Pflegekräfte selbst zum Pflegefall werden lässt. Die Problematik des generell herrschenden Personalmangels verschärft sich mit der Zunahme des Arbeitsausfalls durch Erkrankungen wie Burnout. Somit erweist es sich nicht nur als schwierig, Nachwuchs zu gewinnen und Stellen zu besetzen, sondern auch angestellte Pflegekräfte zu behalten. Doch wie kann verhindert werden, dass es zu Erkrankungen wie beispielsweise Burnout kommt? Welche Faktoren im Arbeitsumfeld von Pflegekräften fördern die Entwicklung von Burnout? Und welche Gefahren ergeben sich dadurch? Eine kanadische Studie[1] liefert Erkenntnisse, die zur Beantwortung dieser Fragen beitragen.

Mittels einer zweifachen Befragung von mehr als 400 Pflegekräften konnten Faktoren identifiziert werden, die zu Burnout bei Berufseinsteigern führen können. Insbesondere die Kompetenzen der Führungskraft erweisen sich als wesentlich. Zudem hängt ein Burnout-Leiden mit einer geringeren Arbeitszufriedenheit sowie einer von den Pflegekräften selbst als schlechter eingestuften Pflegequalität zusammen.

 

Berufsanfänger besonders anfällig für Burnout

Pflegekräfte, die am Anfang ihrer Karriere stehen und noch lernen, mit den Anforderungen an ihren Job bestmöglich umzugehen, erweisen sich als besonders anfällig für Burnout.[2] Aus diesem Grund werden in der Studie ausschließlich Pflegekräfte eingeschlossen, die erst kürzlich ihren Berufsabschluss erhalten haben.

Frühere Studien konnten bereits zeigen, dass verschiedene Faktoren einzeln betrachtet die Gefahr beeinflussen, früh in der Karriere an Burnout zu erkranken. Bis dato ist allerdings nicht klar, auf welche Weise diese Faktoren sich gegenseitig sowie die Entstehung von Burnout und letzten Endes weitere Ergebnismaßen von Pflegekräften und Patienten bedingen.

Um das Verständnis über die spezifischen Zusammenhänge zu vertiefen, modellieren die Wissenschaftler der Studie zunächst auf Basis vorhandener empirischer Evidenz die theoretischen Zusammenhänge. In einem weiteren Schritt wird das aufgestellte Modell durch die mittels der Pflegekräftebefragungen erhobenen Daten überprüft.

In dem Modell spielen zwei Kompetenzen eine Rolle, für die bereits ein positiver Einfluss auf die Reduzierung von Burnout ermittelt werden konnte: ein authentischer Führungsstil sowie eine strukturelle Ermächtigung durch die Führungskraft.

 

Authentischer Führungsstil und strukturelle Ermächtigung

Nach der Theorie von Avolio und Gardner (2005)[3] wird ein authentischer Führungsstil durch eine ehrliche Leitung, die andere mit Integrität und Respekt behandelt, verkörpert. Diese besitzt

  • ein hohes Maß an Selbstbewusstsein, d.h. ist sich ihrer Stärken, Schwächen und Auswirkungen auf andere bewusst,
  • eine ausgeglichene Verarbeitungsgabe, d.h. begrenzt sich bei der Entscheidungsfindung nicht auf einseitige Informationsquellen und Erkenntnisse, sondern bezieht eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen mit ein,
  • eine verinnerlichte Moral, d.h. verhält sich in Übereinstimmung mit persönlichen moralischen und ethischen Standards, und
  • ein hohes Maß an Transparenz, d.h. erweist sich aufrichtig zu anderen.

Nach Kanter (1993)[4] wird unter einer strukturellen Ermächtigung verstanden, dass Führungskräfte die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beeinflussen können, indem sie ihnen den Zugang zu vier wichtigen organisatorischen Strukturen ermöglichen:

  1. zu den Informationen, die für eine effektive Arbeitsweise benötigt werden, wie den Zielen, Werten und Richtlinien der Organisation sowie dem Fachwissen und technischem Wissen;
  2. zum Anleiten und Feedback von Kollegen, unterstellten Mitarbeitern und Vorgesetzen, verbunden mit ihrer sozialen und emotionalen Unterstützung;
  3. zu Ressourcen, wie Materialien, Vorräte, Geld, Zeit und Ausrüstung, die für eine effektive Erledigung der Arbeit erforderlich sind;
  4. sollen Möglichkeiten für Mobilität und Wachstum eröffnet werden, die berufliche Entwicklungsmöglichkeiten sowie neue Herausforderungen beinhalten, die Wissen und Fähigkeiten verbessern, sowie Belohnungen und Anerkennungen fördern.

 

Auf welche Weise beeinflussen diese Führungskompetenzen die Entstehung von Burnout?

Die von den Wissenschaftlern unterstellten Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten werden in der Abbildung dargestellt. Anstatt eine direkte Beziehung der Kompetenzen einer Führungskraft auf Burnout zu implizieren, beruht das Modell auf der These, dass das Verhalten der Führungskraft zunächst einen Einfluss auf das Arbeitsumfeld, im Spezifischen die Personalknappheit und die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ausübt. Dabei wird angenommen, dass sich ein durch die Pflegekraft wahrgenommener authentischer Führungsstil zunächst positiv auf die empfundene strukturelle Ermächtigung auswirkt. Strukturelle Ermächtigung wiederum soll niedrigere Personalknappheit als auch weniger Konflikte in Bezug auf das Zusammenspiel von Berufs- und Privatleben zu Folge haben. Unabhängig von der direkten Beeinflussung der Führungsweise der Vorgesetzten soll Personalknappheit ebenso direkt dazu führen, dass die Work-Life-Balance einer Pflegekraft leidet.

 

Abbildung: Modellierte Zusammenhänge zwischen Führungsstil, Arbeitsumfeld, Burnout und weiteren Ergebnismaßen

In der Abbildung wird ein positiver Zusammenhang zwischen zwei Variablen mit einem Pluszeichen und ein negativer Zusammenhang mit einem Minuszeichen dargestellt. Die abgebildete Pfeilrichtung gibt dabei an, welche der beiden Variablen die andere beeinflusst.

 

Zudem wird angenommen, dass die Existenz beider in dem Modell als negativ einzustufenden Arbeitsbedingungen, eine vorherrschende Personalknappheit als auch eine schlechte Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, zur Entstehung von Burnout im Folgejahr beiträgt. Weiter gehen die Wissenschaftler davon aus, das Burnout-Erkrankungen sich zum einen negativ auf die Arbeitszufriedenheit der Berufseinsteiger und zum anderen auf die Qualität der Patientenversorgung durch die Pflegekräfte auswirken. Eine höhere Arbeitszufriedenheit wiederrum soll sich positiv auf die Pflegequalität ausüben.

Um die im Modell unterstellten Einflüsse auf die Entstehung von Burnout sowie die anderen Ergebnismaße adäquat untersuchen zu können, muss ein zeitlicher Abstand zwischen den beiden Befragungen eingeräumt werden. Deshalb findet die Folgebefragung der Pflegekräfte erst nach einem Jahr statt. Auf den Punkt gebracht können alle angenommenen Zusammenhänge bestätigt werden.

 

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Befragungen?

Eine von Berufseinsteigern in der Pflege wahrgenommener authentischer Führungsstil hängt positiv mit dem Gefühl der strukturellen Ermächtigung zusammen. Dabei reduziert eine Führungsweise, die strukturelle Ermächtigung ermöglicht, Personalknappheit sowie die Unvereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Der Fall der Personalknappheit sowie der Fall die Unvereinbarkeit von Berufs- und Privatleben bedingt wiederum die Entstehung von Burnout im folgenden Jahr. Hierbei beeinflusst das Vorliegen einer Personalknappheit die Entwicklung von Burnout direkt als auch indirekt – über die negative Beeinträchtigung des Zusammenspiels vom Arbeits- und Privatleben.

Die Auswirkungen von Burnout bei neu in den Beruf eingestiegenen Pflegekräften sind allerdings nicht nur für die Pflegekräfte selbst, sondern auch für die Patienten spürbar. Neben einer niedrigeren Arbeitszufriedenheit bewerten die Pflegekräfte die Qualität der Patientenversorgung schlechter ein. Sind Pflegekräfte jedoch zufrieden mit ihrer Arbeit, wirkt sich dies positiv auf die Pflegequalität aus.

Die Analyseergebnisse bestätigen, dass über die zwei vorherrschenden Arbeitsbedingungen, Pflegeknappheit sowie ein schlecht zu vereinbarendes Berufs- und Arbeitsleben, die Beziehung zwischen den Führungskompetenzen, einem authentischen Führungsstil sowie der strukturellen Ermächtigung, und Burnout beeinflusst wird. Es kann demnach ein indirekter Effekt zwischen dem Führungsverhalten und Burnout bestätigt werden, der durch den direkten Effekt auf die Arbeitsbedingungen, die wiederrum einen direkten Effekt auf Burnout ausüben, erklärt wird.

 

Was kann aus den Erkenntnissen abgeleitet werden?

Die Studie zeigt auf, welche essentielle Rolle die Führungsperson in der Arbeitswelt einer Pflegekraft einnimmt. Dabei erweist sich insbesondere ein authentischer Führungsstil von grundlegender Relevanz. Ein angemessenes Angebot an Förderprogrammen, die die Kompetenzen von Führungskräften stärken, können nicht nur die Arbeitswelt der Pflegekräfte verbessern und somit ihre Arbeitsfähigkeit als auch Arbeitszufriedenheit steigern, sondern sich auch für den Patienten positiv darstellen. Zudem sollte eine Führungskraft gewährleisten, dass sich die ihnen untergestellten Mitarbeiter in einem ausreichenden Maße strukturell befähigt fühlen und sie ihre Arbeit als bedeutsam ansehen.

Darüber hinaus ist wichtig, dass der Zusammenhang zwischen Personalmangel, schlechter Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben und Burnout-Erkrankungen bei Einsteigern in den Pflegeberuf durch die Führungskraft erkannt wird. Hier ist zudem auch Unterstützung des übergeordneten Managementebene gefragt, um die Ressourcen für einen angemessenen Personalstand sicherzustellen.

Im globalen Wettbewerb um Pflegekräfte muss die Bedeutung von Führungskräften konsequent genutzt werden.

 

[1] Sheila A. Boamah, Emily A. Read und Heather K. Spence Laschinger (2017): “Factors influencing new graduate nurse burnout development, job satisfaction and patient care quality: a time-lagged study”. Journal of Advanced Nursing.
Ann Rudman und J. Petter Gustavsson (2011): “Early-career burnout among new graduate nurses: a prospective observational study of intraindividual change trajectories“. International Journal of Nursing Studies.
Heather K. Spence Laschinger, Laura Borgogni, Chiara Consiglio und Emily A. Read (2015): “The effects of authentic leadership, six areas of worklife and occupational coping self-efficacy on new graduate nurses’ burnout and mental health: a cross-sectional study“. International Journal of Nursing Studies.

[2] Ann Rudman und J. Petter Gustavsson (2011): “Early-career burnout among new graduate nurses: a prospective observational study of intraindividual change trajectories“. International Journal of Nursing Studies.

[3] Bruce J. Avolio und William L. Gardner (2005): “Authentic leadership development: getting to the root of positive forms of leadership“. The Leadership Quarterly.

[4] Rosabeth M. Kanter (1993): “Men and Women of the Corporation” , 2nd edition Basic Books, New York.

 

Redaktion / Ines Niehaus


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