Neue Evidenz für Intermediate Care Stationen: Chancen nutzen – Risiken vermeiden

USA-Studie: Von der Einführung einer Intermediate Care Station können Intensivpatienten und Notfallpatienten profitieren



In Zeiten von steigenden Kapazitätsauslastungen auf deutschen Intensivstationen stellt sich zunehmend die Frage nach einer bedarfsgerechten Versorgung für Intensivpatienten. Hohe Personalschlüssel müssen für die Betreuung von Intensivpatienten vorgehalten werden. Eine Aufgabe, die angesichts des herrschenden Pflegepersonalmangels schwierig zu bewältigen ist. Krankenhäuser sind dazu übergegangen, neben Intensivstationen und Normalstationen einen dritten Stationstyp einzuführen. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte „Intermediate Care Station“ (IMC-Station), auf die Intensivpatienten mit einem weitreichend stabilen Gesundheitszustand überwiesen werden können, bevor sie auf eine Normalstation verlegt werden. Damit gelingt es Krankenhäusern, Intensivpatienten eine bedarfsorientierte Versorgung zu ermöglichen und medizinische Personalressourcen gezielter einzusetzen. Eine groß angelegte Studie [1] untersucht, welche Chancen und Risiken die Überweisung von einer Intensivstation auf eine IMC-Station für Intensivpatienten tatsächlich hat und kommt in diesem Zusammenhang auch zu wertvollen Erkenntnissen für Notfallpatienten.   

Intensivstationen und Normalstationen gehören zu den grundlegenden Bestandteilen in der stationären Versorgung. Auf einer Intensivstation liegen im Vergleich zu einer Normalstation Patienten, die eine sehr betreuungsintensive Versorgung mit einer höheren Personaldichte benötigen: Eine Pflegekraft betreut zirka ein bis zwei Patienten. Das Personal-Patienten-Verhältnis ändert sich auf Normalstationen, wo eine Pflegekraft durchschnittlich sechs Patienten betreut [1].

Die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt für eine Überweisung von einer Intensivstation auf eine Normalstation gestaltet sich oftmals als schwierig. Einzelne Patienten auf einer Intensivstation können so weit genesen sein, dass eine intensivmedizinische Behandlung mit einer hohen Betreuungsintensität nicht mehr erforderlich ist. Gleichzeitig kann es jedoch vorkommen, dass der gesundheitliche Zustand bei diesen Patienten nicht-stabil genug ist, um die Überweisung auf eine Normalstation ohne Bedenken anzuordnen. Hier greift der Ursprungsgedanke der sogenannten der IMC-Station. Auf eine IMC-Station können Intensivpatienten überwiesen werden, die einen weitreichenden stabilen Gesundheitszustand haben, der eine geringere Betreuungsintensität, gemessen am Personalschlüssel, erfordert. Auf einer IMC-Station werden schätzungsweise drei Patienten durch eine Pflegekraft betreut.

Auch in den USA sind IMC-Stationen mehrfach in Krankenhäusern zu finden. Sie bieten eine Möglichkeit, Patienten eine bedarfsgerechte Versorgung zu ermöglichen, Kapazitäten auf Intensivstationen verfügbarer zu machen und gleichzeitig bestehende Personalressourcen kosten-effektiv zu nutzen.

In der Praxis werden IMC-Stationen nicht nur für Intensivpatienten genutzt. Auch für Patienten, die über die Notfallaufnahme in das Krankenhaus eingewiesen werden, ist eine Aufnahme in der IMC-Station anstelle von Normal- oder Intensivstation denkbar.

Eine Studie von Chan et al. [1] untersucht erstmalig anhand mehrerer US-Krankenhäuser, welche Chancen und Risiken eine IMC-Station für Notfall- und Intensivpatienten haben.

 

Studiendesign

Die Studie betrachtet insgesamt zehn US-Krankenhäuser im Zeitraum eines Jahres, um die Versorgungseffekte einer IMC-Station für 11.058 Intensivpatienten und 74.085 Notfallpatienten zu untersuchen. Notfallpatienten mit einem chirurgischen Krankheitsbild (z.B. Knochenbrüche) wurden von der Analyse vorab ausgeschlossen.

Um die Chancen und Risiken einer IMC-Station für Intensivpatienten und Notfallpatienten statistisch überprüfen zu können, wurden die Länge des Krankenhausaufenthaltes, die Wiedereinweisungswahrscheinlichkeit und die Sterbewahrscheinlichkeit im Krankenhaus als Kennzahlen für die Versorgungsqualität herangezogen.

Das Studiendesign mit den betrachteten Versorgungspfaden für Intensiv- und Notfallpatienten ist in der Abbildung 1 dargestellt und wird im Folgenden nähergehend erläutert.

 

Abbildung 1: Mögliche Versorgungspfade durch eine IMC-Station für Intensiv- und Notfallpatienten.

 

Quelle: In Anlehnung an Chan et al. [1]

 

Intensivpatienten können entweder auf eine IMC-Station oder Normalstation überwiesen werden. Die Effekte dieser Überweisungsentscheidung für die betroffenen Patienten lassen sich durch die oben genannten Qualitätskennzahlen (z.B. Sterbewahrscheinlichkeit) nachweisen.

Die Entscheidung, ob ein Notfallpatient in einer Intensivstation, IMC-Station oder Normalstation stationär aufgenommen wird, hängt vor allem vom Schweregrad der Erkrankung ab. Um diese Aufnahmeentscheidungen in der Analyse zu berücksichtigen, wurden die eingeschlossenen Notfallpatienten in drei Krankheitsschweregeraden (d.h. I. hoch, II. mittel, III. niedrig) eingeteilt. Die Kategorisierung erfolgte anhand verfügbarer Patienteninformationen, wie z.B. Einweisungsdiagnose und Alter.

Von den Notfallpatienten mit einem hohen Krankheitsschweregrad wurden 54,9 % auf einer Intensivstation, 20,76 % auf einer IMC-Station und 24,35 % auf einer Normalstation aufgenommen. Außerdem zeigte sich für Notfallpatienten mit einem niedrigen Krankheitsschweregrad, dass diese vorrangig auf Normalstationen (80,62 %) oder IMC-Stationen (14,72 %) eingewiesen wurden. Es konnte gezeigt werden, dass unabhängig vom Krankheitsschweregrad Notfallpatienten in allen drei Stationstypen aufgenommen werden. Um die Chancen und Risiken einer IMC-Station besser abzubilden und um den Fokus der Studie beizubehalten, wurden die folgenden Patientengruppen in die Untersuchung eingeschlossen: (I) Notfallpatienten mit einem hohen Krankheitsschweregrad und einer Aufnahme in einer Intensiv- und IMC-Station, (II) Notfallpatienten mit einem niedrigen Krankheitsschweregrad und einer Einweisung in einer Normal- und IMC-Station, (III) Notfallpatienten mit einer mittleren Krankheitsschwere und einer Einweisung auf allen drei möglichen Stationstypen (siehe Abbildung 1).

Die Studiendaten bilden das vergangene Versorgungsgeschehen der zehn Krankenhäuser ab, ohne dass die Autoren hierauf Einfluss genommen haben. Bei der Interpretation der Studienergebnisse ist daher zu berücksichtigen, dass alle vorgenommenen Überweisungs- und Aufnahmeentscheidungen von den vorliegenden Bettenkapazitäten der Stationen abhängen. War beispielsweise die Kapazität einer IMC-Station nahezu ausgelastet und mehr Kapazität auf der Intensivstation verfügbar, so wurden schwerkranke Notfallpatienten tendenziell eher auf der Intensivstation aufgenommen. Die Kapazität auf den IMC-Stationen der zehn betrachteten Krankenhäuser variierte zwischen 11 und 32 Betten.

 

Ergebnis 1: Intensivpatienten profitieren von IMC-Station   

Die Studienergebnisse zeigen, dass mit einer stationären IMC-Versorgung für Intensivpatienten die Sterbewahrscheinlichkeit im Krankenhaus um durchschnittlich 17 % reduziert werden kann. Ebenso verringert sich die Wahrscheinlichkeit für eine Wiedereinweisung auf die Intensivstation in innerhalb von zwei Tagen um 18 %. Die Autoren stellen ebenfalls fest, dass IMC-Stationen zu einem verkürzten Krankenhausaufenthalt von Intensivpatienten beitragen. Jährlich könnten so insgesamt 3.096 Belegungstage bei Betrachtung aller eingeschlossenen Intensivpatienten eingespart werden.

 

Ergebnis 2: Schwerkranke Notfallpatienten direkt auf Intensivstation aufnehmen

Notfallpatienten mit einem niedrigen Krankheitsschweregrad werden entweder auf einer Normalstation oder auf der IMC-Station stationär aufgenommen (siehe Abbildung 1). War die Kapazität einer IMC-Station nahezu ausgelastet, wurde diese Patientengruppe tendenziell eher auf eine Normalstation überwiesen. Grundsätzlich profitieren Notfallpatienten mit einem niedrigen Krankheitsschweregrad von einer stationären IMC-Versorgung. Die Aufnahme in eine IMC-Station verringert die Sterbewahrscheinlichkeit im Krankenhaus für diese Notfallpatienten durchschnittlich um 3,2 %.

Notfallpatienten mit einem hohen Krankheitsschweregrad können nach dem Studiendesign (siehe Abbildung 1) entweder auf die Intensivstation oder auf die IMC-Station eingewiesen werden. Es wurde festgestellt, dass bei einer hohen Kapazitätsauslastung einer Intensivstation schwerkranke Notfallpatienten eher auf einer IMC-Station aufgenommen wurden. Dieser Sachverhalt kann zu den beobachteten Risiken einer IMC-Station für diese Patientengruppe beigetragen haben. Bei schwerkranken Notfallpatienten, die auf einer IMC-Station aufgenommen wurden, erhöhte sich die Sterbewahrscheinlichkeit im Krankenhaus um durchschnittlich 12,1 % und die Wiedereinweisungswahrscheinlichkeit um 50,8 %.

 

Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis?

Nach einem Aufenthalt auf einer Intensivstation können Patienten von einer Überweisung auf eine IMC-Station nachweislich profitieren. Gleiches gilt für eine Aufnahmeentscheidung auf einer IMC-Station für Notfallpatienten mit einem geringen Krankheitsschweregrad. Für schwerkranke Notfallpatienten ist eine direkte Aufnahme auf einer Intensivstation ratsamer, um die festgestellten Risiken einer IMC-Station zu vermeiden. Dies ist jedoch für Krankenhäuser nicht immer umsetzbar, sofern die Kapazitäten auf den Intensivstationen ausgelastet sind.

Wenn Krankenhäuser eine stationäre IMC-Versorgung anwenden oder beabsichtigen diese einzuführen, ist es entscheidend herauszufinden, welche Patienten für die stationäre IMC-Versorgung geeignet sind, um Chancen zu nutzen und Risiken zu vermeiden. Diese Einschätzung ist vor allem für schwerkranke Notfallpatienten von Bedeutung, da diese nachweislich eher von einer Versorgung auf einer Intensivstation profitieren. In der Praxis übernimmt oftmals geschultes medizinisches Fachpersonal die Zuteilung der Notfallpatienten auf die einzelnen Stationen. Um Entscheidungen zur Stationszuteilung zu unterstützen, könnte beispielweise das entwickelte datenbasierte Klassifikationssystem für Notfallpatienten von Chan et al. [1] verwendet werden.

Die Relevanz von verfügbarer Bettenkapazität auf den einzelnen Stationen für eine bedarfsgerechte Patientenversorgung zeigt sich auch in dieser Studie. Grundsätzlich bietet die Einführung einer stationären IMC-Versorgung einem Krankenhaus die Möglichkeit, vorhandene Personalressourcen effizienter an die Bedürfnisse von Patienten anzupassen und damit Kapazität für betreuungsintensive Versorgungsbereiche verfügbarer zu machen. Mit einem geeigneten Klassifizierungssystem zur Einschätzung der patientenindividuellen Eignung für eine stationäre IMC-Station können Intensivpatienten und ausgewählte Notfallpatienten profitieren und damit die Chancen auf eine bessere Versorgungsqualität genutzt werden. Ferner kann mit der richtigen Anwendung einer stationären IMC-Versorgung die Verweildauer von Patienten reduziert werden, was einen positiven Aspekt für die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses unterstreicht.

Eine stationäre IMC-Versorgung bietet für Intensivpatienten und ausgewählte Notfallpatienten die Chance, die Versorgungsqualität zu verbessern. Eine kritische Prüfung der patientenindividuellen Eignung für eine stationäre IMC-Station ist entscheidend, um Risiken für schwerkranke Notfallpatienten zu vermeiden, da diese vor allem vorrangig von einer Behandlung auf einer Intensivstation profitieren. Krankenhäuser können die stationäre IMC-Versorgung nutzen, um vorhandene Personalressourcen effizienter an die Bedürfnisse der Patienten anzupassen.

 

  1. Carri W. Chan, Linda V. Green, Suparerk Lekwijit, Lijian Lu, Gabriel Escobar (2019) Assessing the Impact of Service Level When Customer Needs Are Uncertain: An Empirical Investigation of Hospital Step-Down Units. Management Science 65(2):751-775. https://doi.org/10.1287/mnsc.2017.2974

 

Redaktion / Ines Niehaus

 

Lesen Sie auch: „Wohin mit den Patienten, wenn kein Platz mehr frei ist?“ mit folgenden Kernaussagen:

  • Off-Service-Platzierung wird oft in Notfallaufnahmen angewendet, um lange Wartezeiten und Überbelegungen zu vermeiden. Hierbei werden Patienten von der Notfallaufnahme Betten auf einer fachfremden Station zugeordnet, sofern auf der diagnose-zugehörigen Station kein Bett mehr frei ist.
  • Bei Off-Service-Patienten besteht ein höheres Wiedereinweisungsrisiko und eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen längeren Krankenhausaufenthalt.
  • Krankenhausmanager sollten die Kommunikation zwischen Arzt und Off-Service-Patient fördern.

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