31.01.2022
Klare Akzente für Pflegebedürftige und Pflegetätigkeit setzen
Claudia Moll MdB, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung
Schon seit langem mache ich mich für Verbesserungen in der Pflege stark. Aus eigener Erfahrung in meiner Arbeit als examinierte Altenpflegerin weiß ich, welche enorme Leistung Pflegekräfte tagtäglich erbringen und mit welchen Bedingungen Pflegebedürftige ringen müssen. Das Coronavirus hat die Situation, aber auch den gesellschaftlichen Fokus auf die Pflege noch einmal deutlich verschärft. Als neue Pflegebevollmächtigte werde ich in der kommenden Legislaturperiode deshalb klare Akzente für die Pflegebedürftigen und die Pflegetätigkeit setzten.
Einer der drängendsten Aufgaben ist nach wie vor, den Fach- und Hilfskräftemangel zu mindern. Bereits vor der Pandemie waren die Pflegekräfte am Limit. Und obwohl die Pflege mit der Coronapandemie stark in den Mittelpunkt geraten ist, wurden die Bedingungen für viele Pflegekräfte nicht besser, sondern eher immer schlechter. Das hat die Flucht aus dem Pflegeberuf nur noch angeheizt. Die bevorstehende weitere Bonuszahlung, die nicht nur einigen wenigen zugutekommen darf, ist deshalb nur ein erster Schritt. Denn was wir brauchen, sind nachhaltige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Löhne!
Ausbau der Personalbemessung
Wenn wir keine massenhafte Berufsflucht haben wollen, müssen zügig familien- und lebensfreundliche Arbeitszeiten Realität werden. Die Personalbemessung muss schneller vorangetrieben und ausgebaut werden. Zusätzlich muss die Pflege überall mit an den Tisch, wo über Fragen verhandelt und entschieden wird, die die Pflege betreffen. Entscheidungen über die Pflege ohne die Pflege müssten schon längst der Vergangenheit angehören.
Die Politik kann gerade bei den Arbeitsbedingungen aber nur einen Rahmen setzen. Denn Arbeitsbedingungen sind vor allem etwas, was der einzelne Arbeitgeber und die Träger in der Hand haben. Ich weiß aber natürlich auch, wie schwer es ist, im laufenden Betrieb so etwas aus eigener Kraft umzusetzen. Deshalb werde ich das Projekt „GAP – Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf“ engagiert weiter vorantreiben. Damit erhalten Pflegeeinrichtungen Zugang zu individuellen Unterstützungs- und Schulungsmaßnahmen bei der Umsetzung guter Arbeitsbedingungen. Informationen und Erfahrungsberichte finden Sie unter www.gap-pflege.de.
Stärkung der Beratungsangebote und Netzwerke
Es liegt mir außerdem sehr am Herzen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen besser zu unterstützen. Das heißt zunächst einmal, Beratungsangebote und Netzwerke stärken. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen einfachen Zugang zu Beratungsstrukturen vor Ort, um die häusliche Pflege so zu organisieren, dass sie zu ihrem Leben passt. Pflegebedürftige brauchen außerdem mehr Entlastung, Individualität und Flexibilität. Sie brauchen Angebote, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, statt sich dem System anzupassen. Und sie brauchen Möglichkeiten, diese Leistungen dann auch zu finanzieren. Ein jährliches Entlastungsbudget kann dazu den Grundstein legen. Die im Koalitionsvertrag versprochene Lohnersatzleistung für pflegebedingte Auszeiten ist für mich ein weiterer wichtiger Punkt. Viele können es sich schlicht nicht leisten, ihre Angehörigen zu pflegen, weil sie nicht auf ihr Gehalt verzichten können – auch nicht teilweise.
Damit es ein gutes Leben mit einer festgestellten Pflegebedürftigkeit gibt, brauchen wir darüber hinaus insgesamt mehr Bewusstsein für die Pflege in der Bevölkerung. Wir können alle von heute auf morgen pflegebedürftig werden. Trotzdem ist Pflege immer noch ein Thema, um das wir uns nicht kümmern. Das muss sich ändern, denn das Thema geht uns alle an.
Pflege stärker in Freiwilligendiensten verankern
Die Auseinandersetzung damit muss bereits in der Jugend anfangen. Deshalb will ich die Pflege zum Beispiel stärker in den Freiwilligendiensten verankern. Das ist eine Chance, mehr Menschen für einen Pflegeberuf zu begeistern und den Blick für die Belange von Pflegebedürftigen zu öffnen. Ich freue mich deshalb auch sehr, dass im Koalitionsvertrag steht, dass das SGB XI um innovative quartiernahe Wohnformen ergänzt werden soll, gefördert durch Bund, Länder und Kommunen. Das ist ein Meilenstein und wird hoffentlich dazu führen, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in der Gesellschaft sichtbarer werden.
Die Pflege ist ein immens komplexes Feld und es gibt viele Themen, die parallel bearbeitet werden müssen, damit die Effekte spürbar werden. Ich freue mich auf diese Herausforderung und darauf, sie mit dem neuen Amt mit noch mehr Nachdruck anzugehen!
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