Hilfe für die medizinische Reha in Sicht?

Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK)

Beste Freunde waren die Gesundheitspolitik und die Rehabilitation nie. Der Schock, den Seehofers Wachstumsförderungsgesetz Ende der neunziger Jahre verursachte, sitzt noch immer tief. Von jetzt auf gleich hatte der Gesetzgeber die Grundlagen der medizinischen Rehabilitation auf den Kopf gestellt. Nun verspricht der Entwurf eines Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz (RISG) endlich Verbesserungen für Patienten und Reha-Einrichtungen.

Die Reha-Kliniken haben in den letzten Jahren geräuschlos ihre Hausaufgaben gemacht und die Reha zu einer medizinisch notwendigen Leistung im Anschluss an die Krankenhausbehandlung weiterentwickelt. In der Politik jedoch war das Thema weitgehend unbeachtet. Es schien irgendwie zu funktionieren. Kein Wunder, dass die Reha bei Reformen wie Einführung des DRG-Systems oder Stärkung der Pflege stiefmütterlich behandelt wurde.

 

Finanzierung steigender Gehälter nicht gegenfinanziert

Immer wieder geraten Reha-Kliniken im Vergleich zu Akutkliniken ins Hintertreffen. Nehmen wir als Beispiel das Thema Personal: Krankenhäuser erhalten mehr Geld für mehr und besser bezahltes Personal. Schauen wir uns im Vergleich dazu Reha-Einrichtungen an, stellen wir fest, dass die Finanzierung des steigenden Gehaltsgefüges hier nicht gegenfinanziert wird. Die Gehaltsunterschiede zwischen Krankenhaus und Reha sind erheblich. Eine Pflegekraft im Krankenhaus verdient bis zu 600 Euro monatlich mehr als in der Reha. In der Folge wird es schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden.

Der Investitionsmangel bezieht sich nicht nur aufs Personal, sondern auf die gesamte Infrastruktur der Einrichtungen. Notwendig sind Investitionen in die Klinikgebäude. Diese haben teilweise 30 Jahre und mehr auf dem Buckel. Die übliche Vorgehensweise, aus Überschüssen zu investieren, funktioniert kaum, weil es sie nur sehr begrenzt gibt, vor allem dann, wenn die Kliniken überwiegend von den Krankenkassen belegt werden.

Handlungsbedarf ist auch bei den gesetzlichen und vertraglichen Anspruchsgrundlagen vorhanden. So gibt es keine transparenten Leistungskriterien. Begriffe wie Reha-Bedarf, Reha-Fähigkeit und positive Reha-Prognose sind zu unspezifisch, als dass eine nachvollziehbare Genehmigungsentscheidung der Krankenkasse ableitbar wäre und es gibt die unüberwindbare Schnittstelle zwischen Kranken- und Rentenversicherung. Die Konsequenz ist, dass eine Reha zu selten zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit genehmigt wird. Problematisch ist auch die Tatsache, dass eine Reha-Klinik mit jeder Krankenkasse eine Preisvereinbarung abschließen muss. Das führt zu Preisdumping. Akzeptiert eine Klinik nicht den bereits mit anderen Kliniken vereinbarten Preis, wird sie nicht belegt, oder der Patient muss für sein Wunsch- und Wahlrecht die Preisdifferenz zuzahlen. Konsequenz ist häufig, dass Patienten länger als nötig im Krankenhaus bleiben, weil eine Verlegung in die richtige Reha-Einrichtung nicht möglich ist, zu unterschiedlich sind die Vorstellungen zwischen Versicherten und Krankenkasse über die am besten geeignete Klinik.

 

Ohne funktionierende Reha explodieren Krankenhäuser

Die Liste der Problemfelder ist lang. Reagiert der Gesetzgeber nicht, sieht es düster für die Rehabilitation aus. „Was solls“ könnte man meinen, doch so einfach ist es nicht. Ohne eine funktionierende Reha im Anschluss an den Klinikaufenthalt explodieren die Krankenhäuser. Eine Millionen Patienten räumen dort pro Jahr ihr Bett, um eine Reha anzutreten. Fällt diese weg, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als länger im Krankenhaus zu bleiben. Das verstärkt den Pflegenotstand, und die Patienten erhalten nicht die nötige Therapie, um wieder selbständig in den Alltag zu finden. Die Konsequenz heißt: „Ab ins Pflegeheim.“ Die Reha ist und bleibt also alternativlos.

Mit der Gesetzesvorlage des RISG werden deutliche Verbesserungen für die Versorgung älterer Patienten erreicht. Das erspart die Pflegebedürftigkeit und damit die Abhängigkeit von fremder Hilfe, trägt also zur Bekämpfung des Pflegenotstands bei.

Wesentlicher Inhalt ist die Direktverordnungsmöglichkeit von Reha-Leistungen durch niedergelassene Ärzte für Leistungen der geriatrischen Rehabilitation. Damit wäre die Verordnung einer geriatrischen Rehabilitationsleistung durch den behandelnden Vertragsarzt für die Krankenkassen endlich verbindlich. Diese dürfen von der Einschätzung des behandelnden Arztes zur medizinischen Notwendigkeit der Reha-Leistungen nur noch abweichen, wenn sich das zweifelsfrei aus einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ergibt. Hier sollte noch zu ergänzen sein, dass der MDK dieses Gutachten den Patienten und dem verordnenden Arzt zur Verfügung stellt.

 

Verbindliche Rahmenempfehlungen sind wichtig

Auch das Thema Vergütung ist enthalten: Die Begrenzung der Pflegesatzsteigerungen durch die „Grundlohnrate“ – wesentliches Hemmnis bei der Refinanzierung medizinischer Rehabilitation – wird gestrichen. So bleiben die Reha-Einrichtungen wettbewerbsfähig. Wichtig ist auch, dass der GKV-Spitzenverband gemeinsam mit den Verbänden der Reha-Leistungserbringer zukünftig verbindliche Rahmenempfehlungen für Versorgungsverträge zwischen den Krankenkassen und den Kliniken vereinbaren muss. Das hebt die Übermacht der Krankenkassen gegenüber der einzelnen Reha-Einrichtung in den Verhandlungen auf.

Zum Thema Klinikwahl ist vorgesehen, dass die Patienten, obwohl sie kein berechtigtes Wunsch- und Wahlrecht haben, nur noch zur Hälfte an den entstehenden Mehrkosten beteiligt werden, wenn sie sich für eine andere als die von der Krankenkasse ausgewählte Rehabilitationsklinik entscheiden. Das ist positiv, jedoch sollte das Ziel ein gänzlich freies Wahlrecht sein.

Auch wenn an mehreren Stellen noch Nachbesserungsbedarf ist, bringt der Gesetzesentwurf die Reha vorwärts und hebt sie endlich aus der Versenkung der Bedeutungslosigkeit heraus.


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