Das Lobbyregister kommt – kann aber nur ein erster Schritt sein

Dr. Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency International Deutschland e.V.

In den vergangenen Wochen sind viele konkrete Fälle bekannt geworden, in welchen einzelne Abgeordnete auf Bundes- oder Landesebene für die Vermittlung von Maskengeschäften hohe Provisionen erhalten haben sollen. Die Zahlungen in Höhe von bis zu mehreren hunderttausend Euros erfolgten mit dem Ziel, dass die Abgeordneten einen direkten Zugang zur Exekutive öffnen und bei den Entscheidungsträgern für die Produkte werben sollten.

Das ist hoch problematisch. Zwar ist es üblich und im Rahmen des politischen Mandates legitim, wenn sich ein Abgeordneter für Interessen auch von Unternehmen etwa aus seinem Wahlkreis einsetzt. In der Maskenaffäre haben jedoch Abgeordnete ihre politische Macht, die für das Wohl des Volkes bestimmt ist, missbraucht, um Interessen Einzelner zu befriedigen und dabei sich selbst einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Daher sind die gezahlten Provisionen oder auch andere persönliche Vorteile problematisch. So erfüllen die Fälle fast exemplarisch die allgemeine Definition von Korruption von Transparency International: „Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“

 

Konzentrierte Macht braucht Transparenz

Diese Vorfälle haben verdeutlicht, warum dort, wo konzentrierte Macht beträchtliche Interessenkonflikte generieren kann, dringend mehr Transparenz notwendig ist. Transparenz hat nicht nur den Effekt, die „Schuldigen“ zu entlarven, vielmehr hat es eine vorbeugende Wirkung – und zwar in zwei Richtungen: Einerseits bewirken die erhöhten Transparenzerfordernisse auf Seite der Politik einen sensibleren Umgang mit potentiellen Interessenkonflikten. Andererseits ist Transparenz ein wirksames Mittel, um Entscheidungen und deren Zustandekommen nachvollziehbar zu machen. Wenn allgemein bekannt ist, dass zum Beispiel alles Relevante bezüglich der Nebentätigkeiten der Abgeordneten oder dem Einfluss von Interessenvertretern auf Gesetzgebungsprozesse im Internet zu finden ist und auch überwacht wird, trägt das nicht nur zum Verständnis der Politik bei; vielmehr stärkt es das Gesamtvertrauen der Menschen in die Politik.

Die bisher diskutierten Konsequenzen aus den Maskenaffären sind in vielen Punkten notwendig, aber noch nicht hinreichend. So ist es nur logisch, dass bezahlte Lobbytätigkeiten von Abgeordneten künftig verboten werden sollen – denn das Verbinden von bezahlter Lobbytätigkeit mit einem Bundestagsmandat ist ein im System eingebauter Interessenkonflikt. Darüber hinaus hat sich die Große Koalition darauf geeinigt, dass Abgeordnete Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen künftig ab einer Schwelle von 3.000 Euro jährlich betragsgenau (auf Euro und Cent) veröffentlichen müssen. Das ist gut, um nicht nur mögliche Interessenkonflikte erkennen, sondern auch eine Debatte darüber führen zu können, ob die Abgeordneten sich stets und prioritär um das Wohl des Volkes kümmern (können), wenn die Nebentätigkeiten in manchen Fällen die Diäten eines Abgeordneten um ein Vielfaches übersteigen.

 

Transparenz im politischen Prozess fehlt

Ende März erfolgte ein weiterer besonders symbolträchtiger Beschluss: Der Bundestag verabschiedete nach jahrelangem Ringen das Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters. Das wird aber nicht ausreichen, um den durch die bekanntgewordenen Affären entstandenen Schaden zu beseitigen und das Vertrauen wiederherzustellen. Denn: Das neue Lobbyregistergesetz bildet nur die Transparenz auf der Seite der Lobbyisten ab – sie sind diejenigen, die sich künftig hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten, Interessen und Aktivitäten erklären müssen. Was jedoch fehlt, ist, was mit diesen Interessen im politischen Prozess geschieht. Dieser Teil – so der Stand heute – wird auch künftig weitgehend im Dunkeln bleiben. Auch wenn nicht jedes Treffen zwischen Politikerinnen und Politikern sowie Lobbyvertretern dokumentiert werden muss, so müsste doch der Prozess insofern für die Menschen transparenter werden, dass sie nachvollziehen können, wer am Prozess wann mit welchen Argumenten und welchem Erfolg beteiligt war. Das verstehen wir unter einem legislativen bzw. exekutiven Fußabdruck. Mit diesen Informationen wäre dann auch zu erklären, warum ein Gesetzentwurf in einer bestimmten Art formuliert wurde und wie der Text zustande gekommen ist.

Den politischen Prozess nachvollziehen zu können, ist die Bedingung für das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie. Transparency Deutschland und vielen unserer Partner zum Beispiel im Rahmen der Lobbyallianz – darunter der VCI, der BDI, die Familienunternehmer, der NABU sowie der vzbv – geht der beschlossene Gesetzentwurf daher nicht weit genug. Auch im internationalen Vergleich schneidet das deutsche Lobbyregister erschreckend schlecht ab.

 

Eine lebendige Demokratie braucht transparenten Lobbyismus

Was außerdem oft zu kurz kommt, ist eine differenziertere Betrachtung von „Lobbyismus“ an sich. So verkündete eine der Hauptnachrichtensendungen, die Koalition wolle nun härter „gegen den Lobbyismus“ vorgehen. Darum geht es jedoch gar nicht. Der Lobbyismus an sich ist nicht schuld an den Skandalen. Lobbyismus ist vielmehr essentiell für die Demokratie. So sind auch wir bei Transparency Deutschland Interessenvertreter – ja, Lobbyisten! Für den Erfolg unserer Arbeit ist es zentral, dass wir unsere Anliegen für eine konsequentere Korruptionsbekämpfung gegenüber der Politik vertreten können.

Wir brauchen in einer pluralistischen Demokratie nicht weniger Lobbyismus, sondern im Gegenteil einen aktiven Austausch der verschiedenen Interessen. Die Politik ist auf die unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen mit den jeweiligen Bewertungen eines Sachverhalts angewiesen, um ausgewogen und klug entscheiden zu können. Dies muss jedoch transparent und für alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar erfolgen. Auf dem Weg dahin sind wir nun einen ersten wichtigen Schritt gegangen – dies kann jedoch nur ein Anfang sein, um unsere Demokratie künftig nicht nur besser vor Korruption zu schützen, sondern auch deutlich lebendiger zu gestalten und zu guten Lösungen für unsere Gesellschaft zu kommen.


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