GSAV-Entwurf unter wissenschaftlichen und ökonomischen Aspekten optimieren

Biosimilar-Versorgung und Wettbewerb in Deutschland nachhaltig sichern

Anders Fogstrup, Geschäftsführer Mundipharma Deutschland

Der aktuelle Kabinettsentwurf des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sieht „zur Förderung der Verordnung und Abgabe von Biosimilars“ u.a. auch eine automatische Austauschbarkeit in Apotheken von Biologika und Biosimilars nach einer Vorlaufzeit von drei Jahren vor (Aut-idem-Regelung vergleichbar Generika). Kriterien zur Austauschbarkeit soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes regeln. Innerhalb der drei Jahre sollen Erfahrungen und Erkenntnisse zur Austauschbarkeit sowie der Versorgungspraxis gesammelt und bewertet werden.

 

GSAV-Kabinettsentwurf verbessern

  • Die automatische Substitution von Biologicals in der Apotheke wäre ein dirigistischer Eingriff ohne Notwendigkeit sowie ohne internationale Referenzlösung und sollte gestrichen werden.
  • Eine Evaluation zum Austausch von Biologicals muss wissenschaftlichen und rechtlichen Kriterien Rechnung tragen und ergebnisoffen durchgeführt werden.
  • Die Vorwegnahme der Evaluationsergebnisse durch Festschreibung der automatischen Substitution drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes widerspricht der Intention des Gesetzes.

Auch in der Stellungnahme des Bundesrats zum GSAV wird eine ergebnisoffene Evaluation durch den G-BA nach einer Vorlaufzeit von drei Jahren befürwortet [1]. Gleichzeitig wird empfohlen, bereits zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes die Auswirkungen der gesetzlichen Änderung auf die Therapiesicherheit sowie das Einsparpotenzial in einem Bericht zu bewerten, da eine mögliche Gefährdung des Therapieerfolgs sowie der Patientensicherheit durch die Substitution besteht.

Im Tenor bezüglich der Substitution in Apotheken inhaltsgleiche Stellungnahmen liegen u.a. auch von der BÄK/AdKÄ bzw der AMK vor [2,3].

 

Die aktuelle Marktdynamik belegt, dass eine „Apothekensubstitution“ wirtschaftlich unnötig ist

Wie die letzten Markteinführungen (z.B. Adalimumab, Rituximab, Pegfilgrastim) zeigen, kommen Biosimilars immer schneller in der Versorgung an und führen alleine durch die Listenpreisabschläge gegenüber den Originalpräparaten zu hohen Kosteneinsparungen in dreistelliger Millionenhöhe. Durch die bereits etablierte Bildung von Festbetragsgruppen, die einer regelmäßigen Absenkung unterliegen und flächendeckende Abschlüsse von Krankenkassen-Rabattverträgen für Biosimilars und biologische Wirkstoffe („Open-House-Verträge“) werden die Preise dieser Produkte zusätzlich in sehr erheblichem Umfang herabgesetzt und so weitere signifikante Einsparungen erzielt. Faktisch ist daher die Notwendigkeit einer automatischen Substitution von Biologika in der Apotheke nicht gegeben, allerdings würde eine solche Regelung mit einer deutlichen Steigerung des administrativen Aufwands einhergehen.

 

Apothekensubstitution in Deutschland wäre eine Insellösung  

Diese Regelung wirft darüber hinaus erhebliche Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen und wissenschaftlichen Bewertungen auf. Aktuell gibt es international keine vergleichbare regulatorische Vorgabe für einen automatischen Austausch in der Apotheke. Begrenzte wissenschaftliche Erkenntnisse einerseits, wie auch die durch die europäischen bzw. deutschen Zulassungsbehörden andererseits auferlegten Vorschriften zur Pharmakovigilanz stehen dagegen. In Ländern wie Frankreich, Estland, den Niederlanden, Lettland und Polen kann ein Austausch lediglich unter bestimmten Bedingungen erfolgen, beispielweise wenn die Substitution klinisch überwacht wird oder der Patient umfassend über den Austausch aufgeklärt wird.

 

Austausch von Biologika muss auf einer validen Datenlage basieren

Eine Austauschbarkeit von wirkstoffvergleichbaren Biologika darf nur auf einer validen Datenlage basieren. Es ist daher begrüßenswert, dass Erkenntnisgewinne über die Austauschbarkeit von Biosimilars durch Sammlung und Bewertung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen aus der Versorgungspraxis gesteigert werden soll. Aktuell besteht jedoch noch keine wissenschaftliche Grundlage, auf deren Basis die Kriterien zur Bestimmung der Austauschbarkeit beschlossen werden können. Auch aus den Ländern, in denen eine Substitution von Biologika unter bestimmten Bedingungen erfolgen darf, existieren zum aktuellen Zeitpunkt keine veröffentlichten Erkenntnisse aus der Versorgungspraxis, die zu einer Bewertung herangezogen werden könnten.

Die Vorlaufzeit von drei Jahren bis zur automatischen Substitution in der Apotheke ist daher deutlich zu knapp bemessen.

 

Ergebnisoffenheit der Evaluation, keine Vorwegnahme

Die Tatsache, dass der vorliegende Entwurf die automatische Substitution in der Apotheke drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vorsieht, greift einer ausführlichen und evidenzbasierten Bewertung vor. Die Datenlage, die durch Austausch von Biologika in ärztlicher Verantwortung innerhalb der drei Jahre gewonnen wird, sollte vielmehr als Grundlage einer Prüfung über einen möglichen Austausch in der Apotheke herangezogen werden.

 

Der Pharmakovigilanz muss Rechnung getragen werden

Um der Pharmakovigilanz der hochkomplexen Biologika gerecht zu werden, müssten außerdem auch Rahmenbedingungen für Apotheken geschaffen werden, die dann eine von den Zulassungsbehörden geforderte, sichere Nachverfolgbarkeit und damit klare Zuordnung von möglichen auftretenden Nebenwirkungen gewährleisten. Solange diese Rückverfolgbarkeit nicht gesichert werden kann, gefährdet der automatische Austausch von Biologika in der Apotheke die Arzneimittelsicherheit und konterkariert das Ziel des Gesetzes, nämlich eine erhöhte Sicherheit in der Arzneimittelversorgung.

 

Die Einbeziehung der Ärzte und Aufklärung der Patienten ist unerlässlich

Die ausführliche Beratung und Aufklärung der Patienten beim Austausch durch den Verordner spielt neben der individuellen Therapieauswahl bereits jetzt eine entscheidende Rolle. Nur wenn Patienten in ihre Behandlung miteinbezogen werden, können Vorbehalte gegen Biosimilars, die teilweise in Nocebo-Effekten resultieren, vermindert werden. Durch Demonstration und Unterstützung bei Applikationshilfen zur Selbstanwendung können Anwendungsfehler sowie Nicht-Adhärenz deutlich reduziert werden. Ein wiederholter Wechsel in der Apotheke gefährdet massiv die Therapietreue und senkt das Vertrauen in die Behandlung mit biotechnologischen Wirkstoffen.

 

Sicherheit für Patienten, Verordner und europäische Anbieter sind zu erhalten

Der Mechanismus einer weitreichenden Apothekensubstitution und damit einer Gleichstellung mit Generika würde ausschließlich die billigsten Anbieter bevorteilen und zu einer raschen Oligopolisierung in der Herstellung führen. Hiermit einhergehend ist zwangsläufig mit einer Abhängigkeit von wenigen Lieferanten zu rechnen. Analog wäre der Abbau von Fertigungskapazitäten von Biologicals und Biosimilars, deren Herstellung wesentlich komplexer und aufwändiger als die niedermolekularer Arzneimittel ist, in Deutschland und Europa die Folge – eine Konsequenz wie sie heute schon mit all ihren negativen Auswirkungen bei den Generika zu beobachten ist. Die Gefahren von Lieferunfähigkeiten und der damit verbundenen Gefährdung der Versorgung von Patienten mit lebensbedrohlichen bzw. chronischen Erkrankungen widersprechen der eigentlichen Zielsetzung des GSAV.

 

[1] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0001-0100/53-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1

[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/633800/5d2bc7ec215b03d592bee937c7c5ba16/19_14_0068-9-_BAeK-und-AkdAe_Arzneimittelversorgung-data.pdf

[3] https://www.bundestag.de/resource/blob/633890/7844e2ddf645b2910a38f966e6104448/19_14_0068-19-_AMK_Arzneimittelversorgung-data.pdf


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