Erstes nicht-öffentliches Krankenhaus bundesweit klagt auf Gleichbehandlung

Gutachten zur Krankenhausfinanzierung: keine Bevorzugung kommunaler Träger

Dr. Christian Friese, Vorsitzender der Geschäftsführung der DRK Kliniken Berlin

Für eine gute medizinische und pflegerische Versorgung der Berlinerinnen und Berliner ist es entscheidend, dass alle Krankenhäuser vom Land Berlin finanziell gleichbehandelt werden, unabhängig von der Trägerschaft. Berlin als wachsende Stadt braucht die Vielfalt an verschiedenen Trägern. Nur so lässt sich eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung langfristig sicherstellen.

Dabei sollten faire Wettbewerbsbedingungen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber davon sind die Berliner Krankenhäuser weit entfernt. Allein zwischen 2019 und 2022 hat der landeseigene Klinikkonzern Vivantes 515 Millionen Euro an zusätzlichen Sondermitteln erhalten. Dem liegen übrigens keine über den allgemeinen Versorgungsauftrag hinausgehenden Anforderungen zu Grunde. Und auch für die kommenden Jahre sind mehrere hundert Millionen Euro vorgesehen. Mit diesen sehr großen Beträgen werden zum einen zusätzliche Investitionen finanziert, zum anderen aber eben auch massive Defizite ausgeglichen. Das ist eine deutliche Verzerrung des Wettbewerbs.

 

Keine ausreichenden Investitionsmittel durch das Land

Das heißt: Während wir abwägen müssen, ob wir eher das Dach reparieren oder Patientenzimmer modernisieren, können die landeseigenen Häuser deutlich mehr Geld investieren. Wir selbst sind Jahr für Jahr gezwungen, wichtige Investitionen zurückzustellen, obwohl es doch eine gesetzliche Verpflichtung des Landes Berlin ist, ausreichende Investitionsmittel bereitzustellen. Dadurch ist, wie etwa auch bei Schulen, ein riesiger Investitionsstau bei den Berliner Kliniken entstanden, der dringend aufgelöst werden muss.

Weil unsere politischen Bemühungen in den letzten Jahren ins Leere gelaufen sind und wir eine gravierende Ungleichbehandlung durch das Land Berlin erleben, haben sich 29 Berliner Krankenhäuser im Aktionsbündnis „Ein gesundes Berlin – nicht ohne uns“ zusammengeschlossen. Sie alle unterstützen die Klage der DRK Kliniken Berlin Köpenick gegen das Land, die wir Ende August vor dem Verwaltungsgericht eingereicht haben.

Ende November wurde nun ein Gutachten von Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Potsdam veröffentlicht, das in vielen Punkten sehr ähnlich argumentiert und damit unsere Klageschrift stützt. In Auftrag gegeben wurde das Gutachten vom Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK), vom Deutschen Evangelischen Krankenhausverband (DEKV), dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Katholischer Krankenhausverband Deutschland (kkkvd). Diese ungewöhnliche Allianz zeigt schon, welche Relevanz dem Thema beizumessen ist, auch wenn sich die Politik – im Bund wie in den Ländern – wegzuducken droht.

 

Wettbewerbswidrige Sonderzahlungen

Die Finanzlage aller Krankenhäuser ist prekär, unabhängig von der Trägerschaft. Momentan erleben wir eine „kalte Strukturbereinigung“, die vor allem frei-gemeinnützige und private Häuser trifft – denn sie können sich nicht wie viele öffentlich getragene Häuser auf scheinbar unbegrenzte Steuermittel verlassen. Strukturen brechen deswegen weg, ohne dass dahinter irgendeine Planung oder gar politische Steuerung stünde. Und das, obwohl – und das macht das Gutachten ganz klar – Länder und Kassen die rechtliche Verpflichtung haben, eine auskömmliche Finanzierung aller Plankrankenhäuser zu gewährleisten. Da dem aber seit Jahren nicht nachgekommen wird, leben die meisten Kliniken in Deutschland von der Substanz. Dass dies angesichts der enormen Kostensteigerungen bei Energie, beim Bau und bei Tarifabschlüssen nicht mehr lange funktioniert, zeigen die zunehmende Zahl an Insolvenzen.

Wie krank das Krankenhausfinanzierungssystem inzwischen geworden ist, machen gerade die wettbewerbswidrigen Sonderzahlungen an öffentlich getragene Kliniken deutlich – weil diese ohne die Extra-Mittel nicht überleben könnten. Das gilt für nicht-öffentliche Krankenhäuser aber genauso.

Das Gutachten von Prof. Dr. Brosius-Gersdorf kommt daher zu dem glasklaren Ergebnis, dass die Sonderzahlungen an öffentliche Häuser Rechtsverstöße darstellen. Sie verstoßen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und das EU-Beihilferecht. Denn auch die frei-gemeinnützigen und privaten Träger erbringen Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (sog. DAWI-Leistungen), nicht nur die öffentlichen Einrichtungen. Deswegen müssen alle Kliniken gleich behandelt werden, indem es für niemanden Sonderzahlungen gibt und die Gelder für alle Plankrankenhäuser in gleicher Weise zur Verfügung stehen.

Bisher haben die meisten Träger versucht, Klageverfahren zu vermeiden – weil sie lange dauern und die Zeit drängt. In einem Stadtstaat wie Berlin kommt hinzu, dass es sich niemand mit der Krankenhausplanungsbehörde verscherzen möchte. Vor allem aber verstehen sich Krankenhäuser als Partner im Versorgungsauftrag. Auch wir als DRK Kliniken Berlin sehen uns in dieser Rolle: Wir wollen eine qualitativ sehr gute Versorgung für die Berlinerinnen und Berliner erbringen. Wir wollen in moderne Infrastruktur zum Wohle der Patienten investieren. Wir wollen eigentlich keine Zeit vor Gericht verschwenden. Aber wir sehen es inzwischen als ultima ratio an, den Klageweg zu beschreiten, weil anders scheinbar kein Gehör bei der Politik zu finden ist.

Angesichts des nun vorgestellten Gutachtens haben wir die Vermutung, dass wir mit dem Schritt, unsere Rechte vor Gericht geltend machen, nicht allein bleiben werden. Es ist und bleibt allerdings sehr befremdlich, dass sich Akteure der Daseinsvorsorge tatsächlich grundlegende Rechte einklagen müssen.


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