Intensiver Einsatz für eine solidarische Gesundheitsversicherung

Kathrin Vogler MdB, Sprecherin für Gesundheits- und Queerpolitik, Obfrau im Gesundheitsausschuss, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion die Linke

„Mehr Fortschritt wagen“ haben sich die Ampel-Partner im Koalitionsvertrag vorgenommen. Knapp 180 Seiten voller Aufbruchsstimmung. Ein „vorsorgendes, krisenfestes und modernes Gesundheitssystem“ definieren SPD, Grüne und FDP als eines der zentralen Zukunftsfelder. Doch, welche Aufgaben sehen die Gesundheitspolitiker des Bundestages für sich federführend? Was wollen sie politisch verändern, an welchen Stellschrauben drehen für ein verlässliches Gesundheitssystem? Heute äußert sich Kathrin Vogler MdB, Sprecherin für Gesundheits- und Queerpolitik der Fraktion die Linke.

 

Die Linke wird sich in dieser Legislaturperiode intensiv für eine solidarische Gesundheitsversicherung einsetzen, denn die Finanzierung des Gesundheitswesens muss dringend auf eine breitere Grundlage gestellt werden. Die Wahlkampfversprechen von SPD und Grünen bezüglich einer Bürgerversicherung sind ja nun leider vom Tisch. Stattdessen ist geplant, die absehbaren Kassendefizite über Steuerzuschüsse auszugleichen.

Der letzte Steuerzuschuss von 28,5 Milliarden Euro hat schon mal nicht verhindert, dass 19 der 96 gesetzlichen Krankenkassen inzwischen die Beiträge erhöhen mussten. Und für das kommende Jahr wird sogar eine Verdopplung der Zusatzbeiträge erwartet. Dann soll auch die „Schuldenbremse“ wieder eingehalten werden, ohne die Steuern und Abgaben für Reiche und Superreiche anzuheben. Wie unter diesen Rahmenbedingungen Beitragserhöhungen, Leistungskürzungen und Kassenpleiten verhindert werden sollen, ist völlig unklar.

 

Nachhaltige GKV-Finanzierung ohne Einbeziehung großer Einkommen unmöglich

Die Ampel-Regierung wird versuchen, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Die Linke wird dagegen in den Debatten um die zu erwartenden Gesundheits-Reförmchen darauf verweisen, dass ohne eine Einbeziehung der großen Einkommen eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitssystems und eine Umorientierung auf die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten sowie Beschäftigten nicht möglich ist. Es ist auch einfach nicht einzusehen, warum durch private Krankenversicherung und Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung gerade diejenigen, die am meisten Geld haben, von der solidarischen Finanzierung ausgenommen sind.

Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung der Zukunft sind ein weiterer wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit: Wir wollen ein Gesundheitssystem, das als Teil des Sozialstaats die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zum Ziel hat und dessen Einrichtungen nicht mit einem verkürzten betriebswirtschaftlichen Blick auf Markt und Wettbewerb ausgerichtet sind. Deshalb fordern wir eine Abkehr von der Renditeorientierung und die Abschaffung des Fallpauschalensystems (DRG). Die Fehlanreize, die die DRGs setzen, sind längst nachprüfbar belegt, und die Einführung von Vorhaltepauschalen reicht bei Weitem nicht aus, um die negativen Folgen abzufedern.

 

Bedarfsgerechte Personalbemessung nur ein erster Schritt

Die Linke wird auch genau beobachten, ob die Koalition wirklich wie versprochen eine bedarfsgerechte Personalbemessung in den Krankenhäusern einführt. Das kann allerdings nur ein erster Schritt sein: Um die vielfach inakzeptablen Arbeitsbedingungen in unseren Krankenhäusern zu verändern, brauchen wir 100.000 Pflegekräfte mehr und für alle 500 Euro mehr Grundgehalt.

Wenn der Arbeitskräftemangel in der Pflege wirklich angegangen werden soll, müssen die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte deutlich verbessert werden. Dazu gehören etwa die Vereinbarung flächendeckender Tarifverträge mit auskömmlichen Gehältern und geregelten Arbeitszeiten, die Durchsetzung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse für ambulante Pflegedienste und Solo-Selbständige, kostenlose Aus- und Fortbildungen für die Pflegekräfte und eine angemessene Entlohnung von Arbeitsleistungen während der Ausbildung. Das wären unsere Mindestanforderungen, um den Pflegeberuf für mehr Menschen attraktiver zu machen.

 

Solidarische Pflege-Vollversicherung ohne Beitragsbemessungsgrenze

Aber die bestehende Pflegeversicherung als Teilleistungsversicherung reicht jetzt schon nicht, um die Pflegekosten zu decken. Immer weniger Menschen können sich eine gute Pflege im Alter leisten, viele müssen sich verschulden oder geraten in die Sozialhilfe. Deshalb fordern wir eine solidarische Pflege-Vollversicherung, in die alle, auch Beamtinnen und Beamte, Abgeordnete und Selbstständige entsprechend ihrem Einkommen einzahlen – ohne Beitragsbemessungsgrenze. So könnten wir eine verlässliche, gerechte und zukunftsfeste Finanzierung der Pflege sicherstellen, die die Kommunen entlastet und allen älteren Menschen ein würdevolles Leben ohne Angst vor Altersarmut ermöglicht.

 

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Nezahat Baradari: „Unseren Jüngsten gebe ich eine Stimme“ – 7. Mai 2022

Maria Klein-Schmeink: „Wir steuern auf einen Kollaps zu, wenn wir jetzt nicht handeln“ – 3. Mai 2022

Erwin Rüddel: „Digitale Gesundheit muss von Anfang an intersektoral ausgerichtet werden“ – 30. April 2022

Kristine Lütke: „Gesundheitspolitik 2.0: Stigmatisierung beenden! – 28. April 2022

Armin Grau: „Gesundheit muss wieder im Mittelpunkt der Menschen stehen“ – 25. April 2022

Kordula Schulz-Asche: „Pflege stärken – Arbeitsbedingungen verbessern“ – 21. April 2022

Stephan Pilsinger: „Gesundheitspolitik ist mehr als Corona-Management“ – 14. April 2022


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