Ein Paradigmenwechsel ist notwendig

Weg von der Fixierung auf Krankheiten, hin zur Fokussierung auf die Gesunderhaltung

Alexander Krauß MdB, CDU/CSU, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit

Am 26. September 2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Anlass für den Observer Gesundheit, bei den Gesundheitspolitikern nachzufragen, was für sie im Mittelpunkt in der kommenden Legislaturperiode stehen sollte. In loser Reihenfolge berichten die Abgeordneten mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik, was für sie in der kommenden Wahlperiode auf der Agenda steht. Den Anfang macht Alexander Krauß MdB, CDU/CSU, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit.

 

Die vergangenen drei Jahre waren für die Gesundheitspolitik sehr ereignisreich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte den Turbo eingeschaltet und jeden Monat einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt. Seit einem Jahr dann die Bewältigung der Pandemie – für alle im Gesundheitswesen eine Mammutaufgabe.

 

Anerkennung der Präventionsausgaben im RSA reicht nicht

Für die kommende Wahlperiode bleiben dennoch genug Aufgaben übrig. Ich finde, wir brauchen einen Paradigmenwechsel – weg von der Fixierung auf Krankheiten, hin zur Fokussierung auf die Gesunderhaltung. Die Krankenkassen bekommen derzeit Geld aus dem Gesundheitsfonds, wenn sie besonders viele kranke Versicherte haben. Warum bekommen sie nicht dann besonders viel Geld, wenn es ihnen gelingt, ihre Versicherten möglichst lang gesund zu erhalten? Einen ersten kleinen Schritt sind wir in dieser Richtung gegangen: Die Präventionsausgaben werden im Risikostrukturausgleich anerkannt.

Doch dieser Schritt reicht nicht. Im Bereich der Prävention können wir noch viel mehr tun! Es würde viel schneller und beherzter gegen die Tabakabhängigkeit oder chronisches Übergewicht vorgegangen, wenn eine Kasse einen starken finanziellen Anreiz hätte, die Gesundheit zu befördern. Mittelfristig machen sich diese Ausgaben auch für die Kassen bezahlt.

Mit der Personalaufstockung in den Gesundheitsämtern bietet sich die Chance, nach der Pandemie nicht nur über Public Health zu reden, sondern diesen Bereich endlich auch mit Leben zu füllen. Früher hatten die Gesundheitsämter aufgrund der chronischen Unterbesetzung, gegenwärtig mit Scherpunkt der Beschäftigung mit der Pandemie kaum Initiativen zur Gesunderhaltung der Bevölkerung starten können. Ab dem nächsten Herbst muss das anders sein. Dann könnten die Gesundheitsämter dieser ureigenen Aufgabe nachkommen! Wir brauchen konkrete kreative Lösungen vor Ort, um die Gesundheit zu fördern und Krankheiten zu verhindern. Die Menschen sind bereit dafür: Nicht erst in der Pandemie haben sie erkannt, wie wichtig die Gesundheit ist und dass man selbst etwas für sie tun kann.

Eine der größten Herausforderungen bleibt die Ausweitung der Mediziner-Ausbildung. Die ist eigentlich Ländersache, hier kann der Bund aber unterstützen. Wir brauchen deutlich mehr Medizin-Studienplätze! Und wir brauchen ein klares Bekenntnis zur selbstständigen Tätigkeit des Arztes. Jeder Arzt kann selbst entscheiden, wie er arbeiten möchte – ob in der Anstellung oder in der eigenen Praxis. Doch der Arzt in der Niederlassung arbeitet im Durchschnitt länger, deshalb möchte ich auf ihn und auf sie nicht verzichten.

 

Gesamtkonzept für Notfallreform erforderlich

Auch brauchen wir mehr Effizienz im System. Die Notfalldienstreform hat sich leider im Kompetenzwirrwarr von Bund und Ländern verfangen. In der kommenden Wahlperiode muss hier eine Reform durchgesetzt werden. Die Überlegungen des Bundesgesundheitsministeriums sind eine gute Grundlage. Die Notfalldienstreform ist ein wichtiger Baustein für eine bessere sektorübergreifende Versorgung; auch hier müssen wir weiterkommen. Das wird eine Kärrnerarbeit. Erbittert wird derzeit jeder noch so kleine und sinnlose Besitzstand verteidigt. Wir brauchen hier echte Reformen und ein Gesamtkonzept. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur sektorübergreifenden Versorgung hatte leider nur ein paar Ideenschnipsel zusammengetragen, aber keine Gesamtstrategie aufgestellt. Die Versorgung muss künftig viel stärker regional ausgestaltet werden. Was im Schwarzwald oder dem Erzgebirge nötig ist, muss es in Hamburg oder Gelsenkirchen nicht sein. Hier sollten wir experimentierfreudiger werden und den Vertragspartner mehr Freiräume lassen.


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