Die Lehren aus Corona für Brandenburg

Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg

Anfang des Jahres waren wir in Brandenburg genauso im Ungewissen, was da mit dem neuen Corona-Virus auf uns zukommt, wie alle anderen auch. Wir kannten die Bilder aus Wuhan und aus Bergamo, die vielen Toten, hoffnungslos überforderte Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten auf überfüllten Krankenhausfluren. Niemand wusste, ob uns ähnliche Szenarien bevorstehen. Wir standen vor einer historischen Herausforderung ohne Blaupause.

Unser primäres Ziel war es, die Bevölkerung bestmöglich zu schützen, auf alles vorbereitet zu sein und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems mit allen Mitteln zu verhindern. Das haben wir erfolgreich geschafft, und darüber bin ich in der Rückschau aufrichtig froh. Wir können sagen: Die erste Pandemie-Welle haben wir gut gemeistert. Die Instrumente des Krankhaus-Entlastungsgesetzes haben dazu geführt, dass die Kliniken ihrem Auftrag, sehr schnell freie Betten vorzuhalten und damit angesichts rasant steigender Corona-Fallzahlen Behandlungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, nachkommen konnten.

Aber es gab auch für uns äußerst kritische Momente, wie den Corona-Ausbruch im Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum Ende März mit einer Vielzahl Infizierter und schlussendlich fast 50 Corona-assoziiert Verstorbener. Da stand Brandenburg plötzlich auch deutschlandweit in den Negativschlagzeilen. Als Fachaufsicht war das Gesundheitsministerium in enger Abstimmung mit der Landeshauptstadt Potsdam. Hier waren schnelle Entscheidungen gefragt: Es gab einen Aufnahmestopp, und Abteilungen mussten voneinander isoliert werden. Vor allem aber wurde deutlich, wie wichtig Transparenz, offene Kommunikation und schonungslose Fehlersuche in dieser Krise sind.

 

Strenge Beobachtung von Clustern von Anfang an

Für das Land Brandenburg haben wir präventiv unsere Teststrategien entwickelt, um in den besonders sensiblen Bereichen wie Kitas und Schulen und den Pflegeeinrichtungen Personal, Bewohnerinnen und Bewohner, Kinder, Schülerinnen und Schüler zu schützen. Daneben haben wir von Anfang an auf die strenge Beobachtung von Clustern gesetzt: Wo es Ausbrüche im Land gab, in Pflegeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften, haben wir in enger Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden versucht, umgehend vor Ort zu sein und nicht großflächig, sondern sehr lokal Quarantänen zu veranlassen und Infektionswege nachzuverfolgen. Mit dieser Strategie sind wir bislang gut gefahren, und die Infektionszahlen blieben erfreulich niedrig in Brandenburg.

Wir können sagen, wir haben unsere Lehren aus der ersten Welle gezogen, stehen insgesamt gut da und sind vorbereiteter als noch zu Beginn des Jahres, denn klar ist auch: Die Pandemie ist nicht vorbei, hat aber bereits den Fokus auf strukturelle Probleme gelenkt, an denen wir arbeiten:

So haben wir schmerzhaft erlebt, wie abhängig wir bei der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung oder Arzneimitteln von internationalen Lieferketten sind. Im weltweiten Kampf um Schutzkleidung mit anfangs buchstäblich mafiosen Machenschaften, wo ganze Flugzeugladungen mit Mund-Nasen-Abdeckungen im Nichts verschwanden, können wir als Land Brandenburg nicht mithalten. Da ist Selbsthilfe gefragt, und wir sind froh, dass Unternehmen im Land schnell reagiert und nun zum Beispiel Masken oder Desinfektionsmittel produzieren.

 

Umbau der Krankenhausstandorte, vor allem im ländlichen Raum

Unter dem Corona-Brennglas haben wir auch wieder gesehen, dass bestimmte Arzneimittel schwer lieferbar sind. Um die Arzneimittelversorgung auch langfristig sicherzustellen, ist die Schaffung neuer und zusätzlicher Produktionskapazitäten innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union erforderlich.

Die Corona-Krise hat auch gezeigt, dass es im Ernstfall auf alle ankommt und auf jedes freie Krankenhausbett. Es war und ist richtig, dass wir im Land Brandenburg auch an kleineren Krankenhausstandorten festhalten. Zur Qualität der Krankenhausversorgung gehört neben der Qualität der Behandlung eben auch die Erreichbarkeit der Angebote der medizinischen Versorgung für die Bevölkerung. Wir wollen keine Ausdünnung von Krankenhausstandorten, wir wollen einen Umbau der Standorte insbesondere im ländlichen Raum. Gerade in Brandenburg sehen wir, dass die demografische Entwicklung in den ländlichen Regionen Krankenhäuser vor enorme Herausforderungen stellt. Sie müssen sich weiterentwickeln. Komplexe stationäre Leistungen müssen wir an geeigneten Standorten konzentrieren. Krankenhäuser der ländlichen Grundversorgung wollen wir zu modernen ambulant-stationären Gesundheitszentren ausbauen. Sie müssen noch viel stärker mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und mit Einrichtungen für Rehabilitation und Pflege zusammenarbeiten und sich auf die immer älter werdende Gesellschaft ausrichten.

Corona hat uns zudem deutlich gemacht, wie wichtig das Thema Digitalisierung im Gesundheitsbereich ist. Wir haben ja einen regelrechten Digitalisierungsturbo durch die Pandemie erlebt. Da ist plötzlich vieles möglich, was zuvor unmöglich schien und sei es nur, dass es nicht jedes Meeting erforderlich macht, einmal kreuz und quer durch die Lande zu jetten. Vieles geht ebene auch per Videokonferenz. Das ist eine große Chance für das Flächenland Brandenburg, um auch in Zukunft eine gute Versorgung in allen Landesteilen aufrechtzuerhalten. Da müssen wir dranbleiben und die Digitalisierung in den Krankenhäusern weiter vorantreiben.

Zusammenfassend kann ich sagen: Zu Beginn der Pandemie mussten wir einfach schnell sein und entschlossen handeln. Wir wissen, dass wir der Bevölkerung mit dem Lockdown viel zugemutet haben. Aber: Durch die hohe Disziplin der meisten Brandenburgerinnen und Brandenburger haben wir es geschafft, die rasante Verbreitung des Sars-Cov-2-Virus und damit eine mögliche Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Jetzt geht es darum, im Zusammenspiel mit allen – Bevölkerung, Gesundheitswesen, Behörden, Politik – das Virus weiter einzudämmen und eine zweite Welle zu verhindern.


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