Bitmarck und Rise sehen sich als treibende Kraft bei der Digitalisierung / feierliche Büroeröffnung

Erster Eindruck von der Büroeröffnung von Bitmarck und Rise in Berlin
Markus Leyck Dieken, gematik, im Gespräch mit Anita Chandrakumar, die das Berliner Büro der Bitmarck leitet.
Andreas Strausfeld, Anita Chandrakumar (beide Bitmarck), Markus Leyck Dieken und Thomas Grechenig (Rise) (v.l.n.r.)
Den Ball flach halten: das Motto von Thomas Grechenig (Rise) (l.) und Andreas Strausfeld (Bitmarck)
Andreas Strausfeld, Franz-Helmut Gerhards (beide Bitmarck) im Gespräch mit Dirk Heidenblut MdB (SPD) (v.l.n.r.)
Andreas Strausfeld (Bitmarck) (l.) und Sebastian Zillich (BMG)


Die offizielle Eröffnung des Berliner Büros von Bitmarck und Partner Rise im Helix Hub in Mitte am 7. September kann nicht besser gewählt sein. Nur wenige Stunden vorher hat das BMG zum Auftakt einer Digitalstrategie geladen – ausreichend Gesprächsstoff also für die Gäste.

Das Essener Unternehmen Bitmarck ist in Berlin angekommen. Seit 2014 mit einem Ein-Mann-Büro und jetzt also in Berlins Mitte sehr viel größer. Wenn jemand mitspielen wolle bei der Digitalisierung – als treibende Kraft –, der müsse eine Interessenvertretung in der Hauptstadt haben, sagt denn auch der Vorsitzende der Geschäftsführung, Andreas Strausfeld. Mehr als 80 Prozent der gesetzlichen Krankenkassen seien immerhin Kunden der Bitmarck-Unternehmensgruppe.

Auch Strausfeld ist bei der BMG-Veranstaltung gewesen und erinnert sich an fünf Stichworte, die er mitgenommen habe: Mutig und innovativ sein, gemeinsam anpacken; es tut auch mal weh und sich ambitionierte Ziele setzen. „Viel besser kann man die Bitmarck nicht beschreiben“, meint Strausfeld.

Franz-Helmut Gerhards, Chief Digital Officer der DAK-Gesundheit und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Bitmarck, lenkt sein Augenmerk auf den Erhalt von Daten und ihren Nutzen. Das Gesundheitsdatengesetz müsse endlich kommen. Gebraucht werde eine Ausgewogenheit zwischen Gesundheits- und Datenschutz. Derzeit gebe es das nicht. Gerhards verweist auf Skandinavien. Dort finde mehr Eigenverantwortlichkeit statt. Zudem gehe es um Kompetenz. Der Schlüssel sei künstliche Intelligenz, die Therapie unterstütze, wie auch bei der sicheren Befundung. Notwendig sei eine gesetzliche Grundlage, wie man ausgewogen Daten nutzbar machen könne.

Dirk Heidenblut, Mitglied im Gesundheitsausschuss und nicht mehr verantwortlich für Digitalisierung, plaudert dennoch über dieses Thema. Immerhin hat er es acht Jahre für die SPD im Bundestag verantwortet und war bei vielen Weichenstellungen maßgeblich dabei. Sein Vorgänger habe ihm zur Amtsübergabe einen Aktenordner gegeben. Zudem habe er eine hohe Frustrationstoleranz empfohlen. Das Brett, das dafür gebohrt werden sollte, hätte noch nicht mal im Ansatz ein Loch ergeben. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD damals, 2014, wollte man den Wandel allerdings vorantreiben, erzählt Heidenblut.

2015 sei immerhin das erste E-Health-Gesetz im Parlament verabschiedet worden. Der damalige Chef der gematik kommentierte es laut Heidenblut mit den Worten: „Nun gut, ein Quantensprung ist es nicht.“ Das Parlament habe halt mehr gewollt als das Ministerium.

Erstmalig habe es jedoch klare Vorgaben zur Telematikinfrastruktur gegeben mit Zeitvorgaben. An die Widerstände erinnert Heidenblut in diesem Zusammenhang. Gekämpft habe er mit jenen, die das Fernbehandlungsverbot verteidigt hatten. Heute rede er mit den gleichen Leuten, warum es nicht mehr Videosprechstunde geben könne. Durch die Pandemie hätten sie gelernt, dass ein neuer Service geschaffen worden sei. Bei den Anwendungen zur ePA sei man allerdings nicht viel weitergekommen, gibt Heidenblut aber unumwunden zu. Künstliche Intelligenz und Datennutzung – darauf werde jetzt das Hauptaugenmerk gelegt. Sie sei eines der schwierigsten Felder. Es gehe um zahlreiche Fragen: Wie bekommt man den Spagat zwischen Schutz der Daten und trotzdem einer sinnvollen Nutzung für die Wissenschaft hin.

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist auch für Heidenblut wichtig. Davor müsse die ePA jedoch besser funktionieren. Notwendig sei die Umstellung vom Opt-in- zum Opt-out-System. Sonst funktioniere es nicht. Es nütze auch nichts, wenn die Informationen als pdf-Datei oder E-Mail-Anhang in die ePA einfließen. Andere Formen seien wichtig, um sie weiter zu verwenden. Heidenblut blickt auf 2023, wo die Datenspende greift.

Thomas Grechenig, Sprecher der Geschäftsführung von Rise, dem Partner von Bitmarck, nennt die Zusammenarbeit mit Bitmarck „eine spannende Symbiose.“ Den „Ball flach halten“ – das sei eine der großen Stärken des Unternehmens bei gleichzeitigem Machen und Tun. Rise sei ein starker Anlagenbauer, erfahren die Gäste. Eine funktionierende ePA sei eine „richtig fette Plattform“, die es so noch nicht gebe. Man könne operativ jedoch gar nichts tun, wenn dies politisch nicht beschlossen werde. Gesundheitswesen sei ein Teil der Kultur und dies müsse digital abgebildet werden, fügt Grechenig hinzu.

Die Voraussetzungen für Digitalisierung beschreibt der Österreicher so: „verrückte unterschiedliche Anforderungen mit verrückten unterschiedlichen Denkweisen. Dann haben Sie ein tolles Produkt.“ Die Breite sei wesentlich. Deshalb sei die Bitmarck, die mehr als 80 Krankenkassen als Kunden habe, seinem Unternehmen sehr viel lieber als ein homogener Kunde.

Datennutzen und -schutz sollten sich nicht bekämpfen, sondern zusammenarbeiten. Grechenig hat ein Beispiel parat: Wenn jemand mit Applepay irgendwo in Berlin einen Espresso zahlen, dann würden die Daten nicht nur zu Apple wandern, sondern auch in ein Swift und in einer Kopie zur NSA. Mit dem Espresso werde man überprüft, ob man Terrorismusbekämpfung mache oder Geldwäsche. „Vergessen Sie das nicht“, so Grechenig. Das Gute an Europa sei, solche Systeme qualifiziert einzusetzen bei hohem Datenschutz.

Künstliche Intelligenz und Datenschutz sowie -nutzung hinsichtlich der ePA werde zum Exportschlager. Geschwindigkeit sei wichtig. Eine funktionierende Patientenakte wäre die erste große soziale Integrität für ein großes digitales Gebäude, umreißt Grechenig sein Ziel. Das gebe es derzeit noch nicht. Wenn aber wie auf der Digitalveranstaltung Bundesgesundheitsminister Lauterbach als Vorzeigebeispiele auf Israel und Dänemark verwiese, erwidert der Rise-Mann: „Die helfen nichts.“ In Israel gebe es eine andere Krankenkassensituation, eine andere Geschichte. Das könne man nicht von einem auf das andere Land übertragen. „Völliger Quatsch“, betont Grechenig. Kulturtechnologie müsse aufgebaut werden.

Und zum Schluss hat er noch eine Bitte an GKV und PKV mit Blick auf die Digitalisierung: „Ziehen Sie das durch.“ Man kann nur hoffen, dass seine Worte erhört werden – an diesem Abend drehen sich die Gespräche jedenfalls vor allem darum.

 

Fina Geschonneck


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