19.09.2023
BAH- & BPI-Abendveranstaltung nach der gescheiterten Fusion
Die Gastgeber wollten „verschmelzen“. Aus den mittelständisch geprägten Herstellerverbänden BAH und BPI sollte der konkurrenzlose „Verband der Pharmazeutischen Industrie (VPI)“ werden. Doch die Rechnung ging nicht auf. Mittelständler haben traditionell ihren eigenen Kopf, und so verweigerten einige Delegierte dem Antrag der Vorstände ihre Zustimmung. Vor allem die Braut BPI zierte sich. Ein gutes Drittel der Delegierten lehnte die Fusion mit dem Schwesterverband BAH ab.
Die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit kam beim BPI nicht zustande, der Verschmelzung zum VPI fehlte die Basis. Eigentlich wollten BAH und BPI abends auf ihre gemeinsame Zukunft anstoßen. Nun gab es nichts zu feiern – außer der Zukunft – und die Gäste kamen trotzdem. Alle waren gespannt: Was jetzt?
Zunächst trat Jörg Wieczorek als verschmähter Bräutigam ans Rednerpult. Der Pharma-Manager aus dem Familienunternehmen Hermes hat jahrzehntelange Erfahrung v.a. mit gut eingeführten OTC-Markenprodukten wie Biolectra (Magnesium), Betaisodona (Jod) oder ANTI-BRUMM (Mücken). Diese Reputation wollte Wieczorek einbringen und als Vorsitzender des vereinten Verbandes für die ganze Breite der pharmazeutischen Industrie sprechen. Als BAH-Vorsitzender ließ er es sich nicht nehmen, das Scheitern der Fusion persönlich zu verkünden. Nach seinem Bekenntnis zu einer – nun irgendwie andersgearteten – Kooperation mit dem BPI setzte Wieczorek überraschend zum Foul an: Er habe 45 Mitgliedsanträge in der Tasche – für alle 45 BPI-Delegierten, die für eine Fusion gestimmt hatten. Da keimten kurz Zweifel an Wieczoreks Sportsgeist, trotz dessen treuer Unterstützung des KFC Uerdingen beim Abstieg in die Oberliga Niederrhein. Niederlagen gehören zum Leben, ob auf dem Spielfeld oder in der Verbandsarbeit. Bei allem Verständnis für die persönliche Enttäuschung.
Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI, zeigte sich im Anschluss zerknirscht ob des Votums seiner Delegierten und sah den BPI angesichts der gemeinsamen Herausforderungen trotzdem eng verbunden mit dem BAH. Dabei drehte er die gedämpfte Stimmung mit einer launigen Anmoderation der Gesundheitspolitiker für das traditionelle Podium. In der Diskussion erlaubte Joachimsen seinen Gästen dann aber zu oft die Flucht ins Allgemeine. Konkret mochte keiner der Abgeordneten zu den beiden Pharma-Gesetzen (ALBVVG, GKV-FinStG) etwas sagen. Hier hätte die Stunde des Publikums geschlagen. Die Industrie, die das alles ausbaden soll, war schließlich prominent im Saal vertreten. Man wartete gespannt auf zahlreiche Statements aus dem wahren Leben. Daraus wurde jedoch nichts. Die Gäste blieben reichlich zugeknöpft. Einmal musste sogar ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening einspringen, die gerne und wortreich aus dem wechselvollen Leben einer Apothekerin berichtete.
Da kann man nur sagen: Chance verpasst. Im Saal waren gestandene Unternehmer und Unternehmerinnen, deren Lebensleistung jedem Statement höchste Autorität verleiht. Es wäre eindrucksvoll gewesen zu hören, wie Herr A oder Frau B aus C damit klarkommt, dass Rabattvertrags-Arzneimittel quasi über Nacht zum Premiumprodukt mit sechsmonatiger (!) Vorratshaltung deklariert wurden – vom grünen Tisch des BMG aus. Wie sieht es nun aus mit Lagerkapazitäten für Millionen zusätzlicher Packungen, die natürlich kühl, trocken, bombensicher und garantiert ohne jede Maus gelagert werden sollen? Sieht man sich in deutschen Familienunternehmens nun als Speerspitze der deutschen Lagerlogistik, oder lagert man lieber in China ein – oder lässt man es gleich ganz bleiben? Im Podium saßen zwei Vertreter der Ampel-Koalition, mit deren Stimmen dieser beispiellose Affront gegen die Hersteller von Generika verabschiedet wurde. Sie hätten einen Bericht aus berufenem Munde wahrlich verdient. Doch der blieb aus.
Nun – jedem (Neu-) Anfang wohnt ein Zauber inne. Schaffen es die Verbände, die mittelständischen Unternehmer als Botschafter zu gewinnen, wäre ein ruhender Drachen geweckt. Funktionäre und Mitarbeiter braucht man für den professionellen Rahmen. Glaubhafte Botschaften kommen immer von den Betroffenen selbst. Die einfach gestrickte Logik von Politikern lautet: Solange die Unternehmer nicht selber in die Bütt gehen, kanns so schlimm nicht sein. Dabei ist jede Häme fehl am Platze. Kai Joachimsen sagte am Abend: „BPI und BAH vereinen große Herausforderungen.“ Dem mag man nicht widersprechen. Nach der Fiebersaftkrise drohen in diesem Winter Engpässe bei flüssigen Zytostatika. Haupt Pharma in Wolfratshausen, bisher ein wichtiger Auftragshersteller, stellt die Produktion ein. Und wer springt bitte ein? Erstmals geht es in Deutschland ums Eingemachte – die Versorgung. Um die absehbaren Krisen zu bewältigen, braucht es gut aufgestellte Verbände. Nach der geplatzten Fusion ist keine Zeit zum Wunden lecken. Man mag den Verbänden zurufen: Auf geht´s mit Plan B. Deutschland braucht Euch mehr denn je. Die Hütte brennt.
Sebastian Hofmann
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