Auf dem Weg zu einem digitalen Gesundheitswesen

Prof. Dr. med. Sylvia Thun, Professorin für Digitale Medizin und Interoperabilität, Charité Berlin

Digitale Daten sind wichtig für die Patientensicherheit und die Forschung! Doch wie steht es aktuell um den Prozess der FAIRen Daten? FAIR heißt in diesem Zusammenhang, dass Daten auffindbar (Findable), zugänglich (Accessible), interoperabel (Interoperable) und benutzbar (Reusable) sein müssen. Und das sind unsere Gesundheitsdaten derzeit mitnichten.

Der aktuelle Stand auf dem Weg zu einem digitalen Gesundheitswesen in Deutschland ist gemischt. Einerseits wurden bereits bedeutende Fortschritte im Bereich der Abrechnung und weiterer administrativer Vorgänge der Krankenkassen erzielt. Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und des elektronischen Rezepts sind auch wichtige Meilensteine. Ebenso dürfen nun telemedizinische Anwendungen wie Videosprechstunden verstärkt genutzt werden. Daneben wurde eine effiziente, standardkonforme Forschungsdateninfrastruktur aufgebaut, die Forschungsdatenplattform Gesundheit der Medizininformatikinitiative FDPG.

 

Menschenleben in Gefahr

Andererseits wissen wir alle: Die Fragmentierung der IT-Systeme in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens sowie der Mangel an interoperablen Lösungen erschweren den nahtlosen Informationsaustausch zwischen den Akteuren. Datenschutz- und Sicherheitsbedenken sind weiterhin präsent, und die Akzeptanz digitaler Technologien sowohl bei den Patienten als auch bei den Gesundheitsdienstleistern variiert stark. Und das gefährdet mittlerweile Menschenleben!

Es wird erwartet, dass die Digitalisierung die Effizienz steigert, die Qualität der Versorgung verbessert und die Patientenversorgung stärker individualisiert. Durch den verstärkten Einsatz von Datenanalysen und künstlicher Intelligenz könnten präventive Maßnahmen optimiert und Krankheiten frühzeitig erkannt werden. Außerdem sollen digitale Lösungen die Patienten in die Lage versetzen, ihre Gesundheit aktiver zu managen und mehr Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Dafür gibt es jetzt über 50 DiGA (Digitale Anwendungen beim BfArM). Wir benötigen aber mehr.

 

Konkrete Schritte erforderlich

Um diese Erwartungen zu erfüllen, sind konkrete Schritte erforderlich. Erstens sollten interoperable IT-Systeme und Standards wie HL7 FHIR und SNOMED etabliert werden, um einen reibungslosen Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren sicherzustellen. Es ist auch eine verstärkte Investition in die IT-Infrastruktur und die digitale Bildung von Gesundheitsdienstleistern, aber auch in die Bildung der Bürger erforderlich. Datenschutz- und Sicherheitsstandards müssen dabei natürlich konsequent eingehalten und transparent kommuniziert werden, um das Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Eine verstärkte Förderung und Koordinierung von Forschung, Versorgung und Public Health im Bereich der digitalen Gesundheitstechnologien ist notwendig, um innovative Lösungen zu ermöglichen.

Eine stärkere politische Unterstützung und Koordination in der Selbstverwaltung und auch zwischen den Ministerien ist erforderlich, um die Fragmentierung zu überwinden und einen kohärenten Rahmen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu schaffen. Finanzielle Anreize für Gesundheitsdienstleister müssen verbessert werden, um die Nutzung digitaler Lösungen zu fördern und v.a. die medizinische Dokumentation zu fördern. Die Patienten sollen stärker in den Entwicklungsprozess einbezogen werden, um sicherzustellen, dass digitale Gesundheitslösungen ihren Bedürfnissen entsprechen und ihre Akzeptanz erhöht wird. Eine internationale Zusammenarbeit ist erforderlich, um von Best Practices anderer Länder zu lernen und Synergien zu nutzen.

 

Fazit

Insgesamt steht Deutschland auf dem Weg zu einem digitalen Gesundheitswesen vor bedeutenden Herausforderungen, aber auch Chancen. Es ist entscheidend, dass alle Akteure – von der Politik über die Gesundheitsdienstleister bis hin zu den Patienten – gemeinsam daran arbeiten, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Durch eine konsequente Umsetzung von Empfehlungen und die Erhebung entsprechender Forderungen kann Deutschland seine Position als Vorreiter im digitalen Gesundheitswesen stärken und langfristig von den Vorteilen einer digitalen Transformation profitieren.


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