18.09.2019
Intersektorale Leistungen: Konzept einer sektorenübergreifenden Versorgung
Dr. med. Axel Schroeder, SpiFa-Vorstandsmitglied und Präsident des Berufsverbandes Deutscher Urologen (BDU)
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD sieht grundlegende Änderungen an der Schnittstelle ambulant/stationär vor. Erste Eckpunkte der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „sektorenübergreifende Versorgung“ machen deutlich, dass der Versorgungsauftrag für Krankenhäuser ausgeweitet werden und die Versorgung patientenzentrierter erfolgen soll. Die historisch gewachsene starre institutionelle Trennung von ambulanter und stationärer Leistungserbringung muss im Sinne der Patienten überwunden werden.
Öffnung der Kliniken
Die wesentlichen Punkte des Eckpunktepapiers der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „sektoren-übergreifende Versorgung“ sind die institutionelle Öffnung der Kliniken für eine ambulante Versorgung, eine gemeinsame fachärztliche Versorgung und eine bessere Koordination zwischen Hausärzten und Pflegediensten. Ziel ist es, den fachärztlichen Versorgungsbereich einheitlich sektorenübergreifend zu organisieren. Die Leistungen sollen dort erbracht werden, wo es qualitativ und ökonomisch am sinnvollsten ist. Dafür müssen Leistungen, die für eine ambulante Versorgung geeignet sind, aber immer noch überwiegend stationär erbracht werden, leistungs- und disziplinbezogen beschrieben werden. In dieselbe Richtung zielt auch der Regierungsentwurf des MDK-Reformgesetzes, der den Katalog durchführbarer ambulanter Eingriffe erweitern und prüfen möchte. Die Vergütung soll für ambulante und stationäre Leistungserbringer einheitlich erfolgen. Dies begrüßt der SpiFa ausdrücklich.
Einheitliche Vergütung
Nur dann, wenn eine am Patientenwohl ausgerichtete einheitliche Leistungsvergütung sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung für ärztliche Leistungen erfolgt, wird eine Überwindung der Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, ohne den ambulanten Leistungsbereich nachhaltig zu beschädigen, möglich sein.
Ausgangslange für eine gleichartige Vergütung müssen hierbei Fallpauschalen sein. Mit der angedachten institutionellen Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung wird der heutige Sicherstellungsauftrag sowie die Bedarfsplanung in der ambulanten Versorgung umfänglich in Frage gestellt. Eine schlicht einseitige Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung ist nicht zielführend und vom teuersten Ende des Versorgungsgeschehens gedacht. Vielmehr muss – wie im Sinne der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) – eine gleichberechtigte Teilnahme von Vertragsärzten und Leistungserbringern der stationären Versorgung ermöglicht werden. Getreu dem Motto, wer qualitativ versorgen kann, der soll auch – egal ob als Vertragsarzt oder als Krankenhaus.
In der Vergangenheit konnten die Akteure in der gemeinsamen Selbstverwaltung es nicht erreichen, dass eine ausschließlich am Wohl des Patienten orientierte Entscheidung, ob eine stationäre Versorgung notwendig ist oder eine ambulante Versorgung ebenso bedarfsangemessen ist, getroffen wird. Die Beharrungskräfte sektorspezifisch geprägter Sichtweisen sind dabei nicht zielführend, da ausschließlich eigene Interessen mit der Aufrechterhaltung der Sektorengrenzen verfolgt werden.
Intersektorale Leistungen
Der SpiFa gibt ganz klar dem Prinzip ambulant vor stationär den Vortritt, da wir davon überzeugt sind, dass dies für den Patienten die deutlich bessere Versorgung ist. Das Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sektorenübergreifende Versorgung ist Grundlage der Diskussion im SpiFa und gab Anlass dazu, einen Vorschlag für eine zukünftige Struktur und Vergütung intersektoraler Leistungen zu unterbreiten. Mit Hilfe der §§ 115 bis 122 im SGB V sollte die Grenze ambulant/stationär in der Vergangenheit durchlässiger gemacht werden. Aus verschiedenen Gründen sind all diese Vorgaben mehr oder weniger gescheitert. Mit dem Vorschlag des SpiFa wird der Versuch unternommen, diese Regelungen unter einen § 115 neu „Intersektorale Leistungen“ zusammenzufassen. Dabei schlagen wir vor, alle Krankheiten, die im G-DRG-System mit einer mittleren Verweildauer von weniger als vier Krankenhaustagen aufgeführt sind, auch alternativ intersektoral erbracht werden können. Die Leistung wird auf eine Behandlungsdauer von einem Kalendermonat oder alternativ auf einen Monat entsprechend der DRG-Regelung begrenzt. Das Prinzip ambulant vor stationär wird konsequent dadurch umgesetzt, dass die Erkrankungen zunächst grundsätzlich ambulant behandelt werden müssen. Eine stationäre Behandlung erfordert eine medizinische Begründung. Überprüft werden soll der Vorgang vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Entsprechend der seitherigen stationären Behandlung gilt für die intersektorale Leistungserbringung der Verbotsvorbehalt für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Damit wird gesichert, dass die Verschiebung von stationär nach ambulant wegen fehlender Abrechnungsziffern im EBM nicht behindert wird. Die Vergütung erfolgt auf Grundlage des DRG-Systems an die Leistungserbringer direkt, die die weitere Verteilung des Honorars untereinander regeln.
Das Konzept der intersektoralen Leistungen führt dazu, dass wesentlich mehr Leistungen ambulant erbracht werden könnten. Denn der SpiFa, der insbesondere die Interessen der an dieser Schnittstelle tätigen Fachärzte in Klinik und Praxis vertritt, hat an der Aufrechterhaltung der Sektorengrenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung grundsätzlich kein Interesse.
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