Erfolgsgeschichte E-Rezept nicht schlechtreden

Jens Naumann, Vorstandsmitglied im Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg), Geschäftsführer medatixx

Dieses Jahr wird für die Unternehmen der Gesundheits-IT-Branche arbeitsintensiv: Zum einen ist das E-Rezept seit dem 1. Januar verpflichtend und wird weiterentwickelt; und zum anderen wird die Einführung der neuen Opt-Out-Variante der elektronischen Patientenakte (ePA) ab 2025 vorbereitet. Darüber hinaus wird das Digitalagenturgesetz, das wesentliche und dringend nötige Festlegungen der Governance-Strukturen rund um die Digitalisierung enthalten wird, mit Spannung erwartet.

Weiterhin: Unter dem Vorsitz Schleswig-Holsteins tagte kürzlich, am 29. Januar, die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) in Kiel. Die Konferenz fand virtuell statt, auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war per Video zugeschaltet. Eines der Themen war das E-Rezept: Die GMK begrüßte die verpflichtende Einführung, kritisierte jedoch, dass die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme bisher nicht ausreichend für Ausfälle zur Verantwortung gezogen würden – und behauptete damit zugleich, dass die Hersteller damit auch die Verantwortung für Probleme bei der E-Rezept-Einführung trügen. Wir sehen das anders.

 

E-Rezept in der Versorgung angekommen

Die ersten vier Wochen der Verpflichtung zur Nutzung des E-Rezeptes liegen hinter uns. Heute können wir feststellen, dass das E-Rezept – endlich – in der Versorgung angekommen ist: Allein über 50 Millionen eingelöste E-Rezepte beweisen dies.

Aus Softwarehersteller-Sicht begann die heiße Phase der Einführung in der Versorgung bereits deutlich früher. Seit etwa Mitte des Jahres 2023 stieg die Anzahl der E-Rezept-Nutzer spürbar an; erkennbar für die Branche auch an der starken Inanspruchnahme der Schulungsangebote und der Support-Anfragen, in denen die Anbieter die Praxen mit Empfehlungen zur Aktivierung und Nutzung der E-Rezept-Funktionen, bei der Umstellung ihrer Prozesse und der Beratung ihrer Patientinnen und Patienten unterstützten und unterstützen.

Die Supportanfragen fokussierten sich vor allem auf drei Schwerpunkte: unverändert häufige Störungen der zentralen TI-Dienste, Fragen der Praxen zu allen Aspekten des E-Rezeptes sowie die übergangsfristenlose Einführung der neuen TI-Finanzierung, die die Umstellung fast aller TI-Verträge nach sich zog. Die Rückfragen zum E-Rezept und zur TI-Finanzierung gehen seit einigen Tagen deutlich zurück; unverändert jedoch führt jede TI-Störung zu einer Welle von Anrufen.

Was die Hersteller bei aller Freude über den gelungenen Start befremdet, ist, dass auch eine Erfolgsgeschichte, wie es das E-Rezept trotz der unvermeidbaren Startschwierigkeiten darstellt, von Teilen der Selbstverwaltung und der Politik in seinem aktuell erfolgreichen status quo nicht anerkannt wird. Immer wieder wird – selbst noch jetzt – die unzutreffende Erzählung von der schlechten Umsetzung der E-Rezept-Funktionen in Praxis- und Apothekensystemen wiederholt; konkrete Beweise jedoch dafür bleibt man schuldig.

Dieses anhaltende Bashing – zuletzt sogar von der GMK mit großer Entschlossenheit wiederholt – führt dazu, dass Praxen unnötigerweise bei der Aktivierung der E-Rezept-Funktionen zögern, weil sie aus den Verlautbarungen der Presse und einiger ihrer Selbstverwaltungsorgane und berufsständischen Organisationen entnehmen, dass es wahrscheinlich nicht funktionieren wird.

Diese herabwürdigende pauschale Infragestellung des Willens und der Fähigkeiten der Software-Anbieter ist unverständlich, denn zum einen funktioniert das E-Rezept in großer Breite, zum anderen ist keiner Partei damit geholfen, solch ein wichtiges Projekt der langen überfälligen Digitalisierung der Versorgung stetig schlechtzureden. Vielmehr sollte es die Aufgabe der Politik, der Selbstverwaltung und der berufsständischen Vertretungen sein, die Praxen zu bestärken, das E-Rezept zu nutzen und gemeinsam mit den Anbietern die Fragestellungen, die zwangsläufig bei der initialen Etablierung einer den Versorgungsprozess nachhaltig verändernden Anwendung entstehen, zu lösen.

 

„ePA für alle“ geht nur mit respektvoller Zusammenarbeit

Das nächste große und die Versorgung noch deutlich umfassendes veränderndes Projekt der Digitalisierung, die „ePA für alle“, kann und wird nur gelingen, wenn diese polemischen, nichtzutreffenden Schuldzuweisungen unterbleiben und die Politik, die Selbstverwaltung und die Industrie auf Augenhöhe und vertrauensvoll und unter der gegenseitigen Anerkennung der Bereitschaft zur besten Lösung für die Versorgung vertrauensvoll, respektvoll und wertschätzend zusammenarbeiten.

Nur mit einem positiven Mindset aller Beteiligten kann die längst überfällige Digitalisierung des Gesundheitswesens gelingen. Nutzen wir die Chance – die Mitgliedsunternehmen des bvitg sind dazu bereit.


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