Die stationäre Versorgung ist in einer sehr schwierigen Lage

Dr. Christos Pantazis MdB, Mitglied im Gesundheitsausschuss und stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher des SPD-Bundestagsfraktion

Das Gesundheitssystem Deutschlands befindet sich bereits seit Jahren an der Belastungsgrenze. Dank äußerst engagierter Beschäftigter ist es bisher gelungen, die erheblichen Herausforderungen, denen sich der Gesundheitsbereich ausgesetzt sah und sieht, zu meistern. Die stationäre Versorgung in Deutschland kann hierfür exemplarisch herangezogen werden.

Neben multiplen Krisen, wie die Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, haben vor allem der grassierende Fachkräftemangel und die sinkenden Fallzahlen, die den Krankenhäusern finanziell zu schaffen machen, das System zusätzlich belastet. Hinzu kommt, dass der stationäre Bereich seit Jahren an einem strukturellen Reformstau leidet und sich im Umkehrschluss eine sich aufklappende Schere der medizinischen Versorgung entwickelt hat. Diese zeichnet sich durch eine Unterversorgung auf dem Land sowie eine Überversorgung im urbanen Raum aus.

Als Mediziner mit zehnjähriger Politikerfahrung auf Landesebene bin ich mit dem Anspruch in die Bundespolitik gewechselt, mein Wissen über die Fehlentwicklungen aber auch Potenziale in der stationären Versorgung in meiner politischen Arbeit Niederschlag finden zu lassen. Genau diesen Ansatz hat sich auch die Fortschrittskoalition auf die Fahne geschrieben: Wir wollen die Gesundheitsversorgung in Deutschland krisenfest und zukunftsträchtig aufzustellen. Bereits im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ haben wir uns darauf verständigt, eine Regierungskommission für die Krankenhausreform einzusetzen, damit diese Vorschläge unterbreitet, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und eine kalte Strukturbereinigung zu verhindern. Fakt ist: Ohne eine tiefgreifende Krankenhausreform werden sich zahlreiche Krankenhäuser unter den aktuell herrschenden Bedingungen nicht am Markt halten können. Unser Ziel stellt dabei die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung dar, die die Sicherheit und Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten zum obersten Grundsatz erklärt. Diesem Anspruch wollen wir mit der nun anstehenden Krankenhausreform gerecht werden.

Als Mitglied der Bund-Länder-Gruppe und zuständiger Berichterstatter für die SPD-Bundestagsfraktion stellt das Eckpunktepapier, das am 10. Juli 2023 zwischen den unterschiedlichen Akteuren konsentiert werden konnte, einen bedeutenden Schritt hin zu einer fortschrittlichen, bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung dar. Künftig soll der Fokus weitaus weniger auf möglichst vielen Fällen liegen, der zuletzt in einer erheblichen DRG-Überbetonung mündete, sondern vielmehr auf einer qualitätsorientierten Sicherung von medizinischer Versorgung durch eine stärkere Fokussierung auf Vorhaltevergütung. Hierfür werden medizinisch-fachliche Leistungsgruppen definiert, um die Qualität in der Gesundheitsversorgung künftig zu heben. Wir werden das ökonomische Hamsterrad in der stationären Versorgung verlangsamen. Wir fördern damit nicht nur die Patientensicherheit, sondern stärken den Arbeitsplatz Krankenhaus, indem 60 % der bisherigen Fallpauschale über die Vorhaltevergütung gesichert wird. Dadurch schaffen wir eine Entzerrung der Arbeitsbelastung für die Beschäftigten.

 

Bei Qualitätsindikatoren eher im Mittelfeld

Es ist unbestreitbar, dass die stationäre Versorgung in einer sehr schwierigen Lage ist. Obwohl wir uns bei Finanzströmen in den Krankenhaussektor weltweit an der Spitze befinden, liegen wir bei Qualitätsindikatoren der Versorgung eher im Mittelfeld. Viel Geld im System bedeutet folglich nicht auch entsprechende Qualität. Infolgedessen müssen wir uns perspektivisch von der Idee verabschieden, dass ein jedes Krankenhaus alle Behandlungen anbieten kann und wird. Wir brauchen eine stärkere Spezialisierung, um Behandlungs- und Ergebnisqualität sicherzustellen. Schließlich sollten für uns politisch Verantwortliche das Wohl und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten an erster Stelle stehen.

Mit der Verabschiedung des Krankenhaustransparenzgesetzes hat die Fortschrittskoalition einen ersten Baustein hin zur tiefgreifendsten Krankenhausreform der letzten Jahrzehnte geliefert. Im Rahmen dessen wollen wir einen Krankenhausatlas – ein Transparenzregister – einführen, der es allen Patientinnen und Patienten ermöglicht – unabhängig vom Alter und Bildungsstand –, sich ein fundiertes Bild über mögliche Behandlungen zu verschaffen und sich evidenzbasiert und trotzdem niedrigschwellig für oder gegen ein Krankenhaus entscheiden zu können. Somit stellen wir für Patientinnen und Patienten Transparenz über den Faktor der Behandlungsqualität her. Zur Qualitätssicherung und -verbesserung wiederum braucht es Mindeststrukturvoraussetzungen und Qualitätsstandards. In herausfordernden Zeiten des demographischen Wandels lassen sich lediglich hierdurch Patientensicherheit als auch zukunftsfähige Versorgungsstrukturen sicherstellen.

 

Fokus auf Arbeitsbedingungen vor Ort

Dazu gehört ebenfalls die Forderung eines Wandels im Gesundheitswesen und insbesondere in der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes Krankenhaus. Wir müssen unseren Fokus auf die Arbeitsbedingungen vor Ort legen, die Tariftreue in den Trägern stärken und die Arbeitsverdichtung sukzessive entzerren. Nur so kann es gelingen, dem Fachkräftemangel zu trotzen. Wir brauchen die Besten der Besten im Gesundheitswesen und das funktioniert nur, wenn wir an dieser Stelle nachsteuern und zugleich schonender mit knappen Ressourcen umgehen.

Wir stehen vor der tiefgreifendsten Strukturreform in der Gesundheitspolitik der letzten 20 Jahre. Dabei ist unser Vorhaben noch viel umfangreicher: Wir wollen eine Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger, die den Menschen und nicht den Markt im Mittelpunkt sieht. Es ist daher die Aufgabe der Bundespolitik, diesen Wandel zu vollziehen und die anstehende Krankenhausreform mit ganzer Kraft voranzutreiben.


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