Der Weg in die neue medizinische und gesundheitspolitische Normalität

Rudolf Henke MdB, Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Infektionskrankheiten und den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)

Seit dem Auftreten erster Infektionsketten mit dem neuartigen Coronavirus „SARS-CoV-2“ in Deutschland ab Ende Februar sind inzwischen mehr als drei Monate vergangen. Als Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Infektionskrankheiten und den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) habe ich die Entwicklung besonders eng verfolgt. Zudem war mein eigener Wahlkreis, die Stadt Aachen, durch die Nähe zum Kreis Heinsberg mit vergleichsweise hohen Fallzahlen konfrontiert.

Zum Glück ist es uns bisher mit massiven Einschnitten im öffentlichen Leben gelungen, das sich ab Mitte März ausbildende exponentielle Wachstum der Fallzahlen erfolgreich zu bremsen. Die zentrale Sorge der Gesundheitspolitik konnte mit großen Anstrengungen vorläufig gebannt werden: eine örtliche oder gar flächendeckende Überlastung der intensivmedizinischen Versorgungskapazitäten und somit eine Konkurrenz um lebenswichtige Beatmungsplätze wie andernorts. Das ist ein gemeinsamer Erfolg aller Bürgerinnen und Bürger, der Gesundheitsämter, der politisch Verantwortlichen, von Ärztinnen und Ärzte und aller anderen in Gesundheitsberufen.

 

Alle müssen Beitrag zur Bekämpfung des Virus leisten

Die weitreichende Kontrolle des Infektionsgeschehens machte und macht es Bund und Ländern möglich, die Einschränkungen unserer persönlichen Freiheit schrittweise durch andere, differenziertere Maßnahmen abzulösen. Dabei darf uns die Sehnsucht nach Lockerungen – vermutlich bis zur Verfügbarkeit sicherer und wirksamer Impfstoffe – nicht zu Leichtsinn verführen. Auch der Mangel an medizinisch-wissenschaftlichen Gewissheiten, etwa zur Bedeutung von Grunderkrankungen in verschiedenen Altersgruppen oder zu medizinischen Langzeitfolgen einer Infektion, bleibt zu bedenken. Wir alle müssen deshalb weiterhin unseren Beitrag leisten, um das Virus mit Geduld zu besiegen und im neuen internationalen Miteinander eine zweite Infektionswelle zu vermeiden. Seit dem Bund-Länder-Beschluss vom 6. Mai haben die Länder die Aufgabe, den schrittweisen Neustart unseres Alltagslebens je nach regionaler Lage zu steuern.

Meine präventionspolitische Arbeit ist in den vergangenen Monaten von den zwei Gesetzen „zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ geprägt gewesen. Das erste Gesetz beschloss der Deutsche Bundestag nach sehr eilbedürftigen Beratungen am 25. März. Es stärkte unter anderem das Robert Koch-Institut (RKI) als Koordinierungsstelle zwischen den Ländern sowie zwischen Bund und Ländern. Zudem erhielt das Bundesministerium für Gesundheit eine Reihe von vorsorglichen Verordnungsermächtigungen. Davon machte das Ministerium zum Beispiel im April mit der „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ Gebrauch. Ich habe mich im März erfolgreich dafür ausgesprochen, die Feststellung und Aufhebung der epidemischen Notlage im Infektionsschutzgesetz in die Hände des Deutschen Bundestages zu legen. Das zweite Gesetz mit diesem Titel fand am 14. Mai seinen parlamentarischen Abschluss. Es unterstützt die Länder und Kommunen mit rund 50 Millionen Euro bei der besseren Ausstattung und Digitalisierung der Gesundheitsämter. Sie nehmen mit der aufwändigen Nachverfolgung von Infektionsketten eine zentrale Rolle in der Epidemiebekämpfung ein. Ich bin froh, dass die mit diesem Gesetz ermöglichte Kostenübernahme für die COVID-19-Testung von symptomfreien Personen am 9. Juni mit Wirkung zum 14. Mai verkündet wurde.

 

Hoffnung auf Novellierung des Präventionsgesetzes

Wie geht es mittelfristig mit der Gesundheitsprävention weiter? Zum einen hat die Selbstverwaltung jüngst richtigerweise den Weg zurück in die medizinische Regelversorgung mit ihren Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen eingeschlagen. Zum anderen stellt das 2. Bevölkerungsschutzgesetz vom 14. Mai klar, dass der Anspruch der Versicherten auf Leistungen zur primären Prävention und Gesundheitsförderung in diesem Jahr unberührt fort gilt: „Bestehende Verpflichtungen der Krankenkassen gegenüber Versicherten und Leistungserbringern sind zu erfüllen.“ Angesichts der starken Einschränkungen in unserem Alltags- und Berufsleben sind die Krankenkassen bei Nichterfüllung ihrer Mindestausgabewerte in 2020 allerdings nicht zu sanktionieren. Das finde ich unter den aktuellen Umständen nachvollziehbar. Trotzdem ist mir sehr daran gelegen, dass die regulären Präventionsleistungen so schnell wie möglich wieder anlaufen und in den bewährten Settings stattfinden können. Darüber hinaus hat das Gesetz vorausschauend Maßnahmen zur Versorgung mit saisonalen Grippeimpfstoffen für den kommenden Winter getroffen.

Auch bei den Themen Blutprodukte und medizinische Rehabilitation, die in der CDU/CSU-Fraktion ebenfalls in meine Zuständigkeit fallen, gibt es trotz Corona-Dominanz neue Entwicklungen. Das 2. Bevölkerungsschutzgesetz bringt folgende Ergänzung des Transfusionsgesetzes mit sich: „Die Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von bestimmten Personengruppen von der Spende führt, ist im Fall neuer medizinischer, wissenschaftlicher oder epidemiologischer Erkenntnisse zu aktualisieren und daraufhin zu überprüfen, ob der Ausschluss oder die Rückstellung noch erforderlich ist, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau von Empfängerinnen und Empfängern von Blutspenden sicherzustellen.“ Meines Erachtens ist damit noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass die Richtlinie Hämotherapie und die Kriterien der Spenderzulassung nicht politisch zu beantworten sind. Beim Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG), dessen Kabinettsentwurf die Bedenken von 2019 aufgegriffen hat und dem Deutschen Bundestag seit Mitte Februar vorliegt, hat sich das parlamentarische Verfahren etwas verzögert. Die Anhörung des Gesundheitsausschusses fand nun aber am 17. Juni statt, und die 2./3. Lesung im Bundestag ist auf den 2. Juli terminiert. Im Kabinettsentwurf begrüße ich insbesondere den Direktzugang zu geriatrischer Rehabilitation nach ärztlicher Verordnung und die Aufhebung der Grundlohnsummenbindung, um Reha-Einrichtungen im Wettbewerb um Fachkräfte zu stärken.

Ausblickend freue ich mich darauf, die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 3. Juni in parlamentarische Form zu bringen. Das gilt ganz besonders für den „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ zwischen Bund und Ländern, der eine finanzielle, technische und ausbildungsbezogene Aufwertung der Gesundheitsämter anstrebt. Zudem hoffe ich, dass wir das Vorhaben beibehalten können, in diesem Jahr die Novellierung des 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes anzugehen.


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