10.09.2024
Macht Pharma wirklich Spaß?
Pharma Deutschland bittet zum Empfang in das Berliner Axica
In Feierlaune eröffnet Verbandspräsident Jörg Wieczorek den Empfang von Pharma Deutschland im Axica Berlin. Nach der geplatzten Fusion mit dem Schwesterverband BPI und einem schmissigen Rebranding des BAH als „Pharma Deutschland“ sieht Wieczorek den Verband nun bestens gerüstet, die Interessen der Industrie „mit einer Stimme zusammen mit vfa und Pro Generika“ zu vertreten.
Die Wahrnehmung sei zwar noch ausbaufähig, aber es gebe bereits Erfolge. Wieczorek berichtet: Babette Reiken, Managerin bei Pohl-Boskamp und Vorsitzende des neuen Landesverbandes Nord, fragte unter dem Label „Pharma Deutschland“ bei mehreren Ministerpräsidenten um Gespräche an – und hatte nach zwei Tagen die ersten Terminvorschläge auf dem Tisch. Ob das nun dem neuen Label, dem Renommee der Vorsitzenden oder einem GeloMyrtol-Fan in der Staatskanzlei geschuldet war, sei dahingestellt. Schick ist es allemal.
Eine Botschaft gibt Wieczorek der Managerin aus Hohenlockstedt gleich mit auf den Weg: Mit Pharma kann man prima sparen! Wenn die 13 laufenden Verfahren zur Entlassung von Wirkstoffen aus der Verschreibungspflicht so ausgehen, wie gewünscht, spart die GKV 1,4 Mrd. Euro pro Jahr. Die Leute müssten ihre Arzneimittel dann nämlich als Selbst-Medikation auch selbst bezahlen. Ein Beispiel: antibiotische Augentropfen bei Bindehautentzündung. Politisch ist das Argument nicht aus der Luft gegriffen, hatte doch der Kanzler in spe, Friedrich Merz, erst vor einigen Monaten beim BPI klargestellt, wie seine Lösung für die GKV-Finanzmisere lautet: Die Menschen müssten wieder mehr für ihre Gesundheit selber leisten. Da sind die Augentropfen doch ein guter Anfang.
Auch Dorothee Brakmann hat viel vor. Die neue Geschäftsführerin von Pharma Deutschland will den Verband führen wie ein Unternehmen und dabei das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Schritt für Schritt Verbesserungen für die Industrie. Das Medizinforschungsgesetz könne nur ein erster Schritt sein. Dabei will die Verbandsmanagerin positive Botschaften nach vorne stellen: Mit Pharma kann man nicht nur sparen. Die Industrie bietet auch gute Jobs an florierenden Standorten und ermöglicht den Probanden in Studien die Versorgung mit dem Allerneuesten. Ihre Botschaften kann Brakmann an diesem Abend allerdings noch nicht an den Mann bzw. an die Frau bringen. Statt einer Runde mit Gesundheitspolitikern setzen die Veranstalter diesmal auf launige Unterhaltung. Frank Dopheide als Key Note Speaker spannt den ganz großen Bogen von Aristoteles bis ins Harvard der 60er Jahre zu einem Experiment, das sich alle Verbände ins Stammbuch schreiben sollten.
Bei dem Experiment ging es um Ratten, und zwar um dumme und um schlaue. Die Ratten selbst waren alle gleich klug. Nur die Label am Eingang machten einen Unterschied zwischen „dumme Ratte“ und „schlaue Ratte“. Die Label beeinflussten die menschlichen Probanden dahingehend, dass sie den angeblich schlauen Ratten auf ihrem Weg durch ein Labyrinth mehr Zuwendung zukommen ließen, als den angeblich dummen. Die als schlau gelabelten Ratten kamen so schneller ans Ziel. Nicht durch Klugheit oder Können, sondern durch den Einfluss ihres Labels auf ihre Begleiter. Sie ahnen es! Der Transfer auf die feierliche Abendgesellschaft bei PHARMA DEUTSCHLAND ist unausweichlich. Der erleuchtete Gast fragt sich: Wer ist hier vergleichbar mit der Ratte und wer mit dem Begleiter? Ist am Ende gar jemand klug gelabelt und doch nur durchschnittlich schlau?
Mit solch kritischen Fragen wollen sich die Industrievertreter an diesem Abend jedoch nicht beschäftigen. Die Mitglieder von Pharma D. zeigen sich so gut gelaunt, wie ihr Vorsitzender. Der anfängliche Frust über die geplatzte Fusion scheint verflogen. In der Luft liegt Lust und Freude auf Verbandsarbeit. Daraus kann eine Sogwirkung entstehen. Die anderen Herstellerverbände müssen sich wohl warm anziehen. Pharma soll ja schließlich allen Spaß machen.
Sebastian Hofmann
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