KHVVG reloaded?

Dr. Matthias Gruhl, Arzt für öffentliches Gesundheitswesen, Staatsrat a.D.

Besteht eine reale Chance, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) über den nächsten Koalitionsvertrag noch einmal aufzuschnüren? Eigentlich schien nach dem Bundesratsbeschluss vom 22. November 2024 die Debatte abgeschlossen. Doch nach dem jähen Ende der Ampel und mit den anstehenden vorgezogenen Wahlen beginnt die Diskussion über Nachbesserungen erneut. Egal, welche Koalition in der kommenden Legislatur ans Ruder kommt: Es sollte nicht zu viel erwartet werden.

Die Krankenkassen, Länder wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, selbst die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, aber vor allem die DKG reaktivierten ihre bisherigen Forderungen nach mehr Geld beziehungsweise einer anderen Lastenverteilung – durch zusätzliche Bundesmittel. Die DKG kritisiert darüber hinaus weiterhin die grundlegende Systematik der Vorhaltepauschalen.

 

Einigung im Koalitionsvertrag erforderlich

Bekanntlich geht es in der Politik nicht allein um die fachliche Sinnhaftigkeit, sondern ebenso gewichtig um die Frage, ob aus einem Vorhaben ein politischer Mehrwert erzielt werden kann, ob es sich also lohnt, ein Thema (erneut) aufzugreifen. Diese Hürde liegt nach einem Gesetzesbeschluss sehr hoch, so dass eine Verabredung zur Revision im kommenden Koalitionsvertrag geeint werden müsste.

Dazu sollte man sich die Systematik der Genese von Koalitionsverträgen vergegenwärtigen, also das Verfahren, über das fachpolitische Festlegungen im Koalitionsvertrag definiert werden. Für die einzelnen Themenfelder, so auch für die Fragen von Gesundheit und Pflege, werden Facharbeitsgruppen aus dem jeweiligen Koalitionspartner bestimmt, die hochrangig besetzt werden. Teilnehmer sind Parteigrößen aus der Bundes- oder Länderpolitik mit einem Bezug zum Fachgebiet.

Jede Koalitionspartei benennt für die Facharbeitsgruppe eine herausgehobene Person als Vorsitz, oft die bisherige Leitung des Ministeriums, Länderminister oder sogar in der Vergangenheit Ministerpräsidenten mit Affinität zu dem Themenfeld. Sollte der bisherige Bundesminister den künftigen Koalitionsparteien angehören, ist er in der Facharbeitsgruppe quasi gesetzt. Es besteht die Erwartung, einen Konsens zu erzielen, da andernfalls strittige Themen von „oben“, sprich von den jeweiligen Spitzen der Parteien sachfremd entschieden werden.

 

Schwarz-rotes Szenario

Geht man von einem schwarz-roten Koalitions-Szenario aus, so wird es für die SPD kaum zu vermeiden sein, Karl Lauterbach in die Facharbeitsgruppe zu entsenden. Dieser wird alles dafür tun, dass das KHVVG nicht erneut im Koalitionsvertrag aufgegriffen wird. Er wird gewichtige Argumente vortragen: Ein neuer Gesetzgebungsprozess, der sicher wieder nicht konfliktfrei verläuft, würde die Unsicherheit verlängern und damit die Insolvenzgefahr in der Krankenhausszene mindestens um anderthalb bis zwei Jahre erhöhen.

Die nicht nur von der Länderseite vorgetragene Erwartungen, dass der Bund zusätzliche Gelder für den Übergangprozess zur Verfügung stellt oder sich (zu ihrer Entlastung?) an dem Transformationsfonds mit eigenem Geld beteiligt, wird – so weiß es nicht nur Karl Lauterbach – angesichts der klammen Kassen nicht zu erfüllen ein. Es müsste sich im Bundeshaushalt ein bisher unbekanntes Füllhorn auftun oder die Kassen zusätzlich belastet werden. Beides ist, auch für eine CDU/CSU, kein realistisches Szenario. Selbst wenn es auf Seiten der CDU/CSU Stimmen gäbe, die Änderungen des Gesetzes befürworten, müssten sie die finanziellen beziehungsweise zeitlichen Gegenargumente entkräften können und sich gegen die SPD durchsetzen. Lauterbach, in der selbst-proklamierten Erwartung, erneut Gesundheitsminister zu werden, wird sich das nicht antun, müsste er sich doch seine eigene Unzulänglichkeit eingestehen, dass er in der letzten Legislaturperiode ein revisionsbedürftiges Gesetz produziert hat. Es erscheint also aus schwarz-roter Sicht nicht wahrscheinlich, dass man sich auf eine Revision des Gesetzes einigt.

Mit dem soeben veröffentlichten Entwurf der Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) unterstreicht Lauterbach, dass er gedenkt, den Fahrplan des bisherigen Gesetzes einzuhalten. Er setzt damit die Länder unter Druck, der Verordnung zuzustimmen, um überhaupt Geld aus dem Fonds für 2026 beantragen zu können. Als Schmankerl hat er eine sehr großzügige Auslegung der förderfähigen Maßnahmen angeboten, die neben baulichen Investitionen auch Großgeräte und selbst Schulungen und gewisse Personalkosten umfassen soll. Da fällt es schon schwer, „nein“ zu sagen.

 

Schwarz-grünes Szenario

Anders könnte es aussehen, wenn eine schwarz-grüne Koalition zum Zuge käme. Für die Grünen würde es weniger relevant, ob das Krankenhausgesetz noch einmal geöffnet wird. In ihren Reihen befinden sich zwar ministrable Gesundheitspolitiker, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Grünen einen Zugriff auf das Gesundheitsressorts priorisieren. Wenn die CDU/CSU-Seite unbedingt darauf bestehen würde, das Krankenhausgesetz noch einmal auf die Agenda zu setzen, so würden sich die Grünen dem nicht mit so hoher Vehemenz wie Lauterbach entgegenstellen. Da aber auch in der CDU die Parteistrategen die Konsequenzen einer solchen Öffnungsformulierung im Koalitionsvertrag einzuschätzen wissen, muss es schon als Herzensprojekt eines möglichen Kandidaten für den Gesundheitsministersessel durchgeboxt werden.

Hinzu kommt: Die Ergebnisse der einzelnen Facharbeitsgruppen stehen unter dem Vorbehalt einer gesamtpolitischen Bewertung von den Spitzen der Parteien, die sich im Wesentlichen an gesamtökonomischen beziehungsweise finanziellen Bewertungen orientiert. Kostenträchtige Formulierungen – und diese wäre eine Ankündigung einer Revision des KHVVG allemal – werden in dieser letzten Runde gerne gestrichen.

Insofern sollte man nicht zu hoch darauf wetten, dass das KHVVG über den Koalitionsvertrag noch einmal verbindlich geöffnet wird. Denkbar ist, wenn überhaupt, ein nichtssagender Prüfauftrag, über den nach ersten Erfahrungen mit dem KHVVG zu entscheiden sei.

 

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„Was tun mit der gesetzgeberischen Resterampe“, Observer Gesundheit, 28. Dezember 2024.


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