Ist weniger mehr als nichts?

Zur Umfirmierung der BZgA in das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG)

Dr. Matthias Gruhl, Arzt für öffentliches Gesundheitswesen, Staatsrat a.D.

Man reibt sich die Augen, wie einfach es plötzlich war, ein in der Vergangenheit mühsam mäanderndes Gesetzgebungsverfahren durch einen ministeriellen Federstrich zu ersetzen. In Anlehnung an neue US-amerikanische Gepflogenheiten wird das BIÖG per Dekret, das hier Minstererlass heißt, kurz vor Ablauf der Legislaturperiode inauguriert.

Ein Pressetermin mit feierlicher Enthüllung des neuen Standortschildes, eine wortreiche Erklärung mit allen wohlklingenden Vokabeln aus der Präventionswelt und ein wachsweicher Kooperationsvertrag mit dem RKI – mit so wenig Einsatz lässt sich also eine sperrige Anforderung des Koalitionsvertrages erfüllen. Was sind die Rahmenbedingungen aus der Metamorphose einer ehemals stolzen Bundeszentrale, die ihre besten Jahre lange hinter sich hat, in das neue, wortreich aufgeladene BIÖG?

 

Neuer Name, neues Logo und sonst?

Kein zusätzliches Geld, keine neuen Stellen, keine übertragenden Abteilungen aus dem RKI, nur die Ankündigung einer neuen Abteilung für Öffentliche Gesundheit, die aus den bestehenden Strukturen herausgespart werden muss: Andeutungen von Verlagerungen von Aufgaben aus dem RKI finden sich verschwommen nur zum KI-Zentrum. Verständlich, stehen solche Umwidmungen rechtlich auf sehr dünnem Eis. Ein schwerer Start für das BIÖG also. Dazu eine beziehungsweise zwei Belegschaften, die über die vielen Ankündigungen und Verunsicherungen der letzten Jahre alles andere als motiviert, veränderungsfreudig und kooperationsbereit sind.

Aber das ficht den Minister nicht an. Lieber spricht er davon, dass mit dieser neuen Konstruktion „wichtige Weichen für eine gute Zukunft einer alternde Gesellschaft“ gestellt werden. Wie soll das unter diesen Voraussetzungen gelingen? Bescheidenheit wäre hier angebrachter.

Das vordergründige Ziel ist jedoch erreicht: Es gibt eine vermeintlich erfolgsbesetzte Schlagzeile für den Minister, der gleichzeitig in Eigenwerbung verkündet, dass er den zu regelnden Rest – wie die fehlenden Gelder – in der nächsten Legislaturperiode persönlich durchsetzen würde. Also alles nur ein PR-Manöver um, wie in den letzten Wochen bereits vielfältig geschehen, sich als tatkräftiger Macher für die folgende Legislaturperiode zu empfehlen?

 

Riskante Wette auf die Zukunft

Was bleibt, ist das Prinzip Hoffnung. Nüchtern betrachtet, ist für die künftigen Koalitionspartner ein Bundesinstitut, das die unbestritten notwendige Koordination der kommunalen und landesbezogenen zersplitterten Öffentlichen Gesundheitsdienste fachlich zusammenführen kann, kaum von Interesse. Die Pandemie ist vorbei, es gibt wahrlich andere, wichtigere Baustellen im Gesundheitswesen als das Öffentliche Gesundheitswesen (ÖGW). Die Kraft der Krise ist verbraucht. Also war es die letzte Chance, etwas für das ÖGW zu schaffen? Jetzt oder nie?

Mit dem neuen Institut wurde ein Faktum geschaffen, das die Bedeutung des ÖGW zumindest als Anspruch vertritt.  Es ist nicht zu befürchten, dass die Lobby der BZgA so stark ist, um die Umfirmierung wieder rückabzuwickeln. Das alte BZgA hat, anders als das RKI, kein tragfähiges Renommee. Also wird es keinen Widerstand geben, das BIÖG erstmal zu belassen. Und bekanntlich sind Strukturen und Institutionen des deutschen Gesundheitswesens mit einem hohen Beharrungsvermögen ausgestattet.

Wenn der Name für das neue Institut also ein Versprechen ist, so ist es zwar nur eine leere Hülle, versehen aber mit der Chance einer inhaltlichen Weiterentwicklung. Diese passiert nicht von alleine, sondern wird von dem Personal und allen voran den Leitungen des Institutes intern und extern durchzusetzen sein. Beispiele dafür, dass Institutionen des Gesundheitswesens von Persönlichkeiten geprägt werden, die kontinuierlich über mehrere Legislaturperioden hinweg den Kurs halten, fallen uns alle ein. Also hängt sehr viel davon ab, ob der kommissarische Leiter oder insbesondere seine Nachfolge es vermag, dem Versprechen des neuen Namens gerecht zu werden.

Der Ärger und die Enttäuschung vieler wohlmeinender Protagonisten für ein gesetzlich gut aufgestelltes Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit auf den Minister, der dies auch wegen eines von ihm zu verantwortenden, sinn-entleerten Namensstreites nicht rechtzeitig umgesetzt hat, ist mehr als verständlich. Die Arbeit für das neue Institut wäre um ein Vielfaches leichter geworden.

Jetzt besteht nur eine minimale Chance, mit dieser „Not-Geburt“ doch noch etwas Vernünftiges anzufangen. Dies ist, zugegebenermaßen, eine riskante Wette auf die Zukunft.

 

Lesen Sie vom Autor auch:

„KHVVG reloaded?“, Observer Gesundheit, 23. Januar 2025,

„Was tun mit der gesetzgeberischen Resterampe“, Observer Gesundheit, 28. November 2024.


Observer Gesundheit Copyright
Alle Kommentare ansehen