Health Policy Slam für Wulf-Dietrich Leber

Rebecca Leber (RWI Essen) führt versiert durch die Veranstaltung ihres Vaters.
Ein starkes Team sind Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer (GKV-SV) und der Noch-Abteilungsleiter Wulf-Dietrich Leber.
Gastgeber Wulf-Dietrich Leber begrüßt seine Gäste in der Hörsaalruine der Charité anlässlich seines anstehenden Ruhestandes.
Der Chor des GKV-Spitzenverbandes in Aktion
Friederike Kuhnt (GKV-SV) singt den St. James Infirmary Blues.
Das WIdO-Team slammt mit Jörg Friedrich, David Scheller-Kreinsen, Jürgen Klauber und Christian Günster (v.l.n.r.).
Simone Frede (GKV-SV) spricht als Archäologin über Mauerruinen und mehr.
Andreas Lehr philosophiert über Kriegerinnen und Krieger in der Gesundheitspolitik.
Ralph Bruckisch, Chirurg und „Kommunarde“ aus der Aachener WG Bismarckstraße, bei seiner Darbietung
Gerald Gaß (DKG) hat sich für seinen Part den passenden Anzug ausgewählt.
Frank Heimig (InEK) als „Bestimmer“ in einem Video von 2011 über den DRG-Grouper
Vizevorständin Stefanie Stoff-Ahnis (GKV-SV) mit Wulf-Dietrich Leber
Der frühere stellv. Vorstandsvorsitzende des GKV-SV, Johann-Magnus v. Stackelberg (l.) hat Wulf-Dietrich Leber immer unterstützt.
Franz Knieps (BKK Dachverband) (l.) und Gerald Gaß (DKG) singen gemeinsam von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens.
Wulf-Dietrich Leber zufrieden mit dem Gang der deutschen Geschichte (1990 auf dem ehemaligen Todesstreifen der Berliner Mauer)


„Das Krankenhaus ist, wie das gesamte Gesundheitswesen, eine Krise mit Zukunft. Jeder Monat, in dem nicht fünf bis zehn Krankenhäuser vom Netz gehen, ist ein verlorener Monat!“ Wer hat`s gesagt? Die Kenner nicken wissend – natürlich Wulf-Dietrich Leber. Der Kämpfer für die DRG, Meister der Konflikte, Schrecken vieler Krankenhausmanager und immer dabei die GKV im Blick. Nun tritt er ab: zumindest vorerst.  

Bis Ende Februar ist er noch Abteilungsleiter für Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband, dann verlässt er die Behörde. Sein Abschiedsfest gestaltet Leber selbst – mit einem Health Policy Slam in der Hörsaalruine der Charité. „Poetry Slam ist die Revitalisierung der Lyrik, ein wenig aus der Rapper-Szene. Wenn man es macht, muss man aufpassen, dass man nicht wiedererkannt wird“, hat Leber ihn 2007 auf dem DRG-Forum selbst beschrieben. Und damals gibt er auch gleich etwas zum Besten zum Thema selektiv und effektiv.

An diesem Abend sind es Mitstreiter, Widersacher und Freunde, die sich auf Wunsch von Leber in diesem schwierigen Metier beweisen müssen. Warmherzig moderiert und mit kleinen Geschichten gespickt von Tochter Rebecca, begutachtet von vielen, vielen Weggefährten, Kollegen, Freunde und der Familie, die allerbester Laune sind.

Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes, der im Mai seinen Ausstieg begeht, ist der erste, der sich auf die Bühne wagt. Als er seinem in der Physik promovierten Sohn und bereits mit in diesem Genre Erfahrung davon erzählt habe, hat der gemeint: „Du bist nicht witzig genug, das kannst Du vergessen.“ Zudem könne sich der Vater nichts merken hinsichtlich Gedichte aufsagen. Der erste Lacher gelingt. Knieps plaudert über seine Zeit bei der AOK – „Alles ordentliche Kerls“ –, nimmt den Faust ins Visier bei der Suche nach dem passenden Studium für eine gesundheitspolitische Führungskraft – und gibt noch Buchempfehlungen zum Schluss.

Das WIdO kommt gleich mit einer Kreativgruppe und nimmt sich einer musikalischen Beschreibung der unterschiedlichen Krankenhausstrukturen an. Die Palette reicht von Gelegenheitsversorgung mit „Up, Up and away“, Überkapazität – ein munteres Durcheinander von moderner Musik –, gesteigert noch unterhalb der Mindestmenge, ohne Zertifizierung etc. bis hin zur wirtschaftlichen Struktur der Kliniken mit bester Qualität – ein Walzer von Chopin. Mal was Anderes und ein Ergebnis der umfangreichen WIdO-Analyse. Der Praxistransfer sei allerdings noch nicht gelungen. Leber sei eingeladen, die Methodik zu verfeinern – im Krankenhausreport solle dies dann veröffentlicht werden. Es geht doch nichts über Herausforderungen.

Frank Heimig, Chef des InEK, der sich per Videobotschaft meldet, erinnert den Jubilar an einen noch heute aktuellen kleinen Film über den Grouper, angelehnt an die Sendung mit der Maus. Heimig und Leber haben ihn beim DRG-Forum 2011 präsentiert – und beide nehmen sich dabei wahrlich auf die Schippe. Seit 2002 kennen sich Heimig und Leber und hätten versucht, den Chinesen das DRG-System „anzudrehen“, habe leider nicht geklappt, dafür aber vieles andere. Zwei, die sich sehr gut verstehen.

DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß nimmt für seine Darbietung ein Märchen zu Hilfe: „Der weise Druide und die Rettung der kranken Häuser.“ Für seine Darbietung habe er sich einen „traumhaft, geradezu märchenhaft schönen Anzug“ angezogen. Fürwahr: ein Augenschmaus. In der epischen Saga hat Gaß eine schillernde Figur gewählt; der Oberdruide, höchstpersönlich berufen von König Olaf. Wer da an den Bundesgesundheitsminister denkt, hat sicherlich eine blühende Fantasie – oder einfach gute politische Instinkte. Mit magischer Feder zeichnet er seine kühnen Pläne – und um sich der Weisheit sicher zu sein, ruft er eine Gruppe von 17 Weisen und Weisen zusammen, „alle ganz toll und belesen“, wie Gaß augenzwinkernd bemerkt. Die Geschichte dürfte hier wohlbekannt sein – das KHVVG in einer neuen, sagenhaft unterhaltsamen Erzählweise. Ein Druidenmärchen, das sich fast von selbst schreibt.

Simone Frede vom GKV-Spitzenverband begleitet Wulf Leber investigativ durch Berlin, spürt ihn an der Mauer auf und sorgt für den einen oder anderen Lacher.

Als außenstehender Beobachter philosophiert Andreas Lehr vom Observer Gesundheit über Kriegerinnen und Krieger in der Gesundheitspolitik. „Schauen Sie sich um“, fordert Lehr auf. „Es sitzen hier nicht nur friedliche Menschen, die keinem etwas zuleide tun können. Brachiale Durchsetzung von Interessen. All das gibt es doch auch in der Gesundheitspolitik! Das sind doch kriegerische Handlungen, auch wenn kein Blut fließt.“ Es gehe um Geld, Macht: „Funktionäre, die bis aufs letzte Gefecht ihre Pfründe verteidigen. Ein Schlachtfeld aus Akten, Mails und Gutachten.“ Die jüngste, erbittert geführte Schlacht um die letzte Gesetzgebung in dieser Legislaturperiode hätten eindeutig die Hausärzte mit einer kriegstaktischen Meisterleistung gewonnen.

Zum Schluss des Wettbewerbs dann Ralph Bruckisch, pensionierter Chirurg, Mitbewohner der WG aus Aachen von ganz, ganz früher und Freund. Noch heute, so erfahren die Gäste, werde mit den ehemaligen WG-Bewohnern plus Familie jährlich in den Winterurlaub gefahren.

Überhaupt das Private: Auch darüber redet Leber. Friederike Kuhn spielt „St. James Infirmary Blues“ auf dem Klavier – ein Wunsch des Gastgebers. „Nicht, weil es bei dem Blues irgendwie gut zum Krankenhaus passt, sondern weil es um den Verlust der Liebsten geht“, sagt Leber. Im Jahr 1999 sei die Krebsdiagnose seiner Frau festgestellt worden, vier Jahre später sei sie gestorben. Viel Unterstützung habe er damals erfahren, und dafür bedankt er sich: bei seiner Abteilung, beim damaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes und anwesenden Johann-Magnus von Stackelberg, bei Freunden, Kollegen, guten Seelen, die ihm zahlreich zur Seite gestanden haben, als Leber mit seinen zwei Töchtern Rebecca und Christina plötzlich allein gewesen sei, Teilzeit gearbeitet habe.

Vieles erfährt man in diesen Stunden. Dass er von der AOK kommt, wie so viele Gäste an diesem Nachmittag, er eine Zeitlang in Magdeburg gearbeitet hat und irgendwie nicht warm geworden ist mit dieser Stadt in Sachsen-Anhalt, dass er seit 2008 sehr gern beim GKV-Spitzenverband gewesen ist.

Verständlich: Immerhin hat Leber den Chor des GKV-Spitzenverbandes mit ins Leben gerufen im Sommer 2010. Musikalische Gesundheitsförderung auf hohem Niveau – die acht Sängerinnen und Sänger beweisen an diesem Tag, dass Prävention durchaus beeindruckend klingen kann.

Ein neues Kapitel beginnt für Wulf-Dietrich Leber. Jetzt will er – zumindest für den Moment – einen Gang zurückschalten. Mehr Sport steht auf dem Plan, sagt er. Ganz loslassen kann er sicher nicht. Die Bürgerversicherung auf den Weg bringen? Wenn man ihn fragt, ist er dabei.

Doch auf eines freut er sich nach den Jahren im GKV-Spitzenverband ganz besonders: den Mittagsschlaf. So ein Krieger verschwindet nicht einfach. Bald wird er wieder auftauchen. Denn, wie Andreas Lehr es trefflich formulierte: „Ohne Kriegerinnen und Krieger, ohne Menschen wie Dich, lieber Wulf, wäre es langweilig in der Gesundheitspolitik.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Fina Geschonneck 


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