04.06.2025
Gesundheit trifft Zirkus des IKK e.V.: ein Abend zwischen Lachen, Klartext und Klavierklängen

















Die Gäste lachen, und sie hören nicht auf. Tina Teubner, Comedian aus Leidenschaft, steht auf der Bühne der Bar jeder Vernunft. Das Klavier im Hintergrund, das Publikum wach, aufmerksam, vergnügt. Sie redet, spielt, spitzt zu – klug, frech, musikalisch. Und dann sagt sie diesen einen Satz: „Lasst uns für irgendetwas brennen. Lasst uns die Stradivari unter den Arschgeigen sein!“
Ein Satz, der mehr ist als eine Pointe. Einer, der in Erinnerung bleibt. Nicht als Motto des Abends, sondern als Appell an alle, die Gesundheitspolitik gestalten und mittragen. Gesundheit trifft Zirkus, das Event des IKK e.V. in der Bar jeder Vernunft, bringt jedes Jahr Menschen zusammen, die das Gesundheitssystem kennen, bewegen oder verändern wollen: mit Ernst, Lust auf Austausch und auch mit viel Humor.
In diesem Jahr gelingt die Verbindung von Tiefgang und Leichtigkeit besonders – dank Teubners Witz, ihrem Gespür für Zwischentöne und klaren Aussagen, und Ben Süverkrüp am Klavier, Sohn des Liedermachers Dieter Süverkrüp, Ehemann der Sängerin. Teubner, zahlreich ausgezeichnet, ist keine, die sich anbiedert. Sie erzählt, überzieht, trifft – und bringt genau die Mischung mit, die man braucht, wenn über Politik, Gesellschaft und Verantwortung, gesprochen wird, jedoch nicht belehrend.
Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., greift die Stimmung auf. In seiner Rede spricht er von der Kunst, die Sonne zu genießen, ohne den Wetterumschwung zu verdrängen. Ein gut gewähltes Bild – und zugleich ein Kommentar zur Lage im Gesundheitswesen. Denn das System ist alles andere als stabil. Die Zahlen seien bekannt, aber deswegen nicht weniger drängend. Für 2025 werde ein Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung von bis zu 4,5 Milliarden Euro erwartet. Die Sozialabgaben würden bei 42 Prozent liegen – deutlich über der lange akzeptierten Marke von 40 Prozent. Und wenn nichts passiere, drohe laut RWI bis 2035 ein Anstieg auf über 50 Prozent.
Müller formuliert es deutlich. Kleine Betriebe könnten das nicht mehr stemmen. Das belaste Beschäftigte, schwäche den Standort und sorge für Frust bei allen, die mittragen sollen, was nicht mehr gerecht verteilt sei. Seine Forderung: Jetzt handeln. Nicht erst 2027, wenn die im Koalitionsvertrag angekündigte Expertenkommission Ergebnisse liefern soll. Es brauche konkrete Schritte – eine faire Finanzierung, einen dynamisierten Bundeszuschuss, eine mutige Krankenhausreform, konsequente Digitalisierung, Abbau von Bürokratie und eine spürbare Stärkung der Selbstverwaltung.
Gerade die Selbstverwaltung sei in den vergangenen Jahren unter Druck geraten. Müller kennt das aus eigener Erfahrung – als Verwaltungsratsvorsitzender der IKK gesund plus und Mitglied im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes. Erinnert sei an die Versuche unter Ex-Minister Jens Spahn, dem Verwaltungsrat Kompetenzen zu entziehen. Teils zurückgezogen, teils über andere Wege doch durchgesetzt – etwa über neue Mehrheiten bei der gematik. Heute tragen die Verwaltungsräte große Verantwortung, etwa wenn es um Beitragssatzanpassungen geht. Während sich die Politik dabei in Zurückhaltung übt. Die Entscheidung über die Höhe – sie liegt allein bei den Verwaltungsräten der Krankenkassen.
Zum Abschluss seiner Rede widmet er sich Doris Pfeiffer, die zum 1. Juli als Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes in den Ruhestand geht. Seit 2008 habe sie das Amt geführt – ruhig, verlässlich, mit Weitblick. Ihre Fußspuren, so Müller, bleiben.
Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., ist sichtlich zufrieden. Dass Tina Teubner für diesen Abend gewonnen werden konnte, ist ein Glücksgriff. Sie habe es geschafft, Melancholie, Humor und Klartext in eine Form zu bringen, die berührt und unterhält. Davon könne man sich eine Scheibe abschneiden.
Nach dem Programm bleibt Zeit für Gespräche. Das Essen gelungen, der Wein süffig, das Bier kalt. An den Tischen wird weiter diskutiert – über Beitragssätze, Bürokratie, Selbstverwaltung, Reformtempo und die Frage, wie viel Gestaltungsspielraum das System eigentlich noch zulässt. Es ist ein Abend voller Witz, Ernst und Zwischentöne. Gesundheitspolitik geht auch anders: nahbar, klug, unterhaltsam und den Anspruch, auch für Lösungen sich stark zu machen.
Der neuen Bundesgesundheitsministerin kann kaum etwas Besseres gewünscht werden: „Lasst uns für irgendetwas brennen. Lasst uns die Stradivari unter den Arschgeigen sein!“
Fina Geschonneck
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