Das neue Qualitätssystem für Pflegeheime: gemeinsam für gute Qualität

Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes Spitzenverband Bund (MDS)

Das neue Qualitäts- und Prüfsystem in der stationären Pflege ist im Oktober 2019 gestartet. Es steht auf drei Säulen: auf der internen Qualitätssicherung in den Pflegeheimen, auf der weiterentwickelten externen Qualitätsprüfung durch den MDK und auf der neuen Qualitätsdarstellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das neue Qualitätssystem wurde auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt und wird die Versorgungsqualität verbessern. Chancen für die Weiterentwicklung sollten genutzt werden.

Was ist neu? Die Pflegeheime erheben intern ab Oktober halbjährlich Ergebnisindikatoren zur Versorgung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner und übermitteln diese an eine unabhängige Datenauswertungsstelle. Dabei erfassen die Einrichtungen, wie mobil und selbstständig die Bewohnerinnen und Bewohner sind, wie viele wie oft an Dekubitus oder an den Folgen von Stürzen leiden, ob ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust eingetreten ist und anderes mehr. Die Datenauswertungsstelle prüft diese Daten und wertet sie aus. Jedes Heim wird mit den bundesweiten Indikatorenergebnissen aller Einrichtungen verglichen.

 

Pflegefachliche Beratung auf Augenhöhe gewinnt an Bedeutung

Die externe Bewertung der Pflegequalität durch den MDK basiert wie bisher auf der persönlichen Inaugenscheinnahme sowie dem Gespräch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Der MDK stellt in jeder Einrichtung anhand einer Stichprobe von neun Bewohnerinnen und Bewohnern die Qualitätssituation fest und untersucht die individuelle Versorgung. Wesentliche Änderung gegenüber dem alten Prüfsystem: Es werden nicht mehr Einzelkriterien nach einem Ja-Nein-Schema geprüft, sondern die einzelnen Qualitätsaspekte werden mittels Leitfragen erschlossen. Zum Beispiel: Wie sieht die Unterstützung in besonderen Bedarfs- und Versorgungssituationen aus – etwa mit Blick auf die Unterstützung bei Menschen mit Demenz? Die unterschiedlichen Fallkonstellationen können mit der neuen Bewertungssystematik besser abgebildet werden. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das Fachgespräch. Das MDK-Team bespricht mit den Pflegekräften vor Ort die Prüfergebnisse. Der MDK berät das Pflegeheim und gibt Empfehlungen, wie die Qualität konkret verbessert werden kann. Die pflegefachliche Beratung auf Augenhöhe gewinnt an Bedeutung.

 

Verbraucher können aus Vielzahl an Informationen dynamisch auswählen

In die neue Qualitätsdarstellung, die für die Verbraucherinnen und Verbraucher schrittweise ab 2020 auf den Webportalen der Pflegekassen zur Verfügung stehen wird, fließen Informationen aus drei Quellen ein: der ausgewertete Bericht über die vom Heim selbst erhobenen Ergebnisindikatoren, die MDK-Prüfergebnisse und allgemeine Informationen der Einrichtung. Die Inhalte haben GKV-Spitzenverband und Verbände der Leistungserbringer auf Bundesebene in der Qualitätsdarstellungsvereinbarung festgelegt. Entsprechend dieser Vereinbarung werden die Web Portale neugestaltet. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden auf diesen aus einer Vielzahl an Informationen dynamisch auswählen können.

 

Gemeinsame Lernphase von Einrichtungen und Prüfinstitutionen

Fazit: Die neue Qualitätswelt hat ein gutes fachliches Fundament. Sie passt das Qualitätssystem an die aktuellen Entwicklungen in den Pflegeheimen an, die dadurch gekennzeichnet sind, dass immer mehr Menschen mit gerontopsychiatrischen Einschränkungen dort zu begleiten sind. Die Einführung der Ergebnisindikatoren stärkt das interne Qualitätsmanagement der Einrichtungen und ermöglicht ein besseres Zusammenspiel von interner Qualitätssicherung und externer Qualitätsprüfung.

Das neue Qualitäts- und Prüfsystem stellt alle Beteiligten vor Herausforderungen. Die Einrichtungen müssen sich in das System der Indikatorenerhebung einfinden. Im Interesse der Aussagefähigkeit der erhobenen Ergebnisindikatoren ist auf eine einheitliche Umsetzung zu achten. Auch die Prüferinnen und Prüfer von MDK und des PKV-Prüfdienstes sind in der Einarbeitungsphase. Es gilt, die neue Prüfphilosophie und eine differenzierte Bewertung der Qualitätsergebnisse umzusetzen. Die Einführungsphase sollten von allen Beteiligten als gemeinsame Lernphase gesehen werden.

 

Gutes Fundament bietet Chance für Ausbau der Versorgungsqualität

Das neue Qualitäts- und Prüfsystem wird in der Einführungsphase evaluiert. Schon heute stehen zwei grundsätzliche Fragen im Raum: Ist es fachlich angezeigt, dass die Indikatorenergebnisse dauerhaft an den Durchschnittswerten zu messen sind? Wäre es für die Versorgungsentwicklung nicht besser, wenn für die Qualitätsindikatoren fachlich entwickelte Sollwerte festgelegt und die Indikatorenergebnisse daran gemessen würden? Mit Blick auf die MDK-Prüfergebnisse ist zu schauen: Führt die derzeitige Bewertungssystematik zu einer ausreichenden Differenzierung der Prüfergebnisse?

Unser erster Eindruck ist: Bei den Pflegeeinrichtungen müssen viele Prozess- und Ergebnisdefizite vorliegen, damit negative Bewertungskategorien wie erhebliche bzw. schwerwiegende Qualitätsdefizite zum Tragen kommen. Ähnlich wie bei den Pflegenoten besteht die Gefahr, dass der Großteil der Einrichtungen überwiegend mit „keine oder geringe Qualitätsdefizite“ oder „moderate Qualitätsdefizite“ abschneiden wird, obwohl bei den Bewohnerinnen und Bewohnern deutliche Mängel festgestellt wurden. Gute und schlechte Qualität wäre so nur schwer zu unterscheiden. Dann könnte eine stärkere Differenzierung bei der Darstellung der MDK-Prüfergebnisse dies verhindern.

Insgesamt ist zu bilanzieren: Das neue Qualitäts- und Prüfsystem kann die Qualitätsentwicklung in den Pflegeeinrichtungen unterstützen und fördern. Die Qualitätssicherung und die aktuell auf der politischen Agenda stehenden Initiativen zur Stärkung der Pflege gehören zusammen. Die generalistische Pflegeausbildung, pflegewissenschaftlich qualifizierte Leitungskräfte, stärkere Personalbesetzung und bessere Vergütung müssen mitgedacht und vorangebracht werden.


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