Bekämpfung von Symptomen zu Lasten der Versicherten

Regierungsentwurf zum MDK-Reformgesetz: Quotierung der Krankenhausabrechnungsprüfung

Hanka Knoche, Vorstand der BAHN-BKK

Mit dem jetzt vorliegenden Regierungsentwurf eines MDK-Reformgesetzes sollen u.a. die Modalitäten der durch die gesetzlichen Krankenkassen durchgeführten oder veranlassten Krankenhausabrechnungsprüfung neu geregelt werden. Zentrale Bestandteile sind die Beschränkung der Einzelfallprüfungen auf 10 % der Fälle eines Krankenhauses pro Quartal im Jahr 2020 und ab 2021 eine quartalsbezogene Prüfquote von 5 % bis 15 %, abhängig vom Anteil der korrekten Abrechnungen eines Krankenhauses. Hintergrund ist eine stetig steigende Prüfquote, welche bei allen Beteiligten einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht und einen Großteil der Tätigkeit der Medizinischen Dienste umfasst. Insoweit ist die Absicht der Bundesregierung, die Anzahl der Krankenhausabrechnungsprüfungen senken zu wollen und die personellen Kapazitäten für die Versorgung bereitstellen zu können, durchaus zu begrüßen.

Die im Gesetzentwurf geplanten Maßnahmen würden allerdings die Kunden der gesetzlichen Krankenkassen – Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Rentner – finanziell erheblich belasten, ohne dass eine wesentliche Verbesserung der Abrechnungsqualität auf der anderen Seite zu erwarten ist.

 

Beschneidung eines weiteren Steuerungsinstrumentes in der GKV

Vielmehr erfolgt mit der geplanten Quotierung der Abrechnungsprüfung (§ 275c SGB V) die Beschneidung eines weiteren Steuerungsinstrumentes in der gesetzlichen Krankenversicherung, welches es den Kassen ermöglichen sollte, dem in § 12 SGB V formulierten Wirtschaftlichkeitsgebot im Interesse ihrer Kunden nachzukommen. Als weitere Beispiele aus der jüngsten Gesetzgebung seien in diesem Zusammenhang die Aufhebung der Möglichkeit zu Hilfsmittel-Ausschreibungen oder die bundesweite Vereinheitlichung der Höchstpreise für Heilmittelleistungen zu nennen, wodurch sinnvolle Wettbewerbselemente in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eliminiert wurden.

Bereits mit der Verkürzung der Verjährungsfrist für Krankenhausrechnungen rückwirkend auf zwei Jahre im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes hat der Gesetzgeber – weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit – angedeutet, wie die Problematik fehlerhafter Krankenhausabrechnungen aus seiner Sicht gelöst werden soll. Dies ist gerade vor dem Hintergrund, dass etwa jede zweite geprüfte Krankenhausabrechnung nachweislich Fehler aufweist, nicht nachvollziehbar. Die Datenlage der BAHN-BKK bestätigt diese Quote. Entgegen der Darstellung der Deutschen Krankenhausgesellschaft liegen den meisten der beanstandeten Rechnungen nicht nur rein formale Fehler zu Grunde.

 

Erhebliche Mehrausgaben erwartet

Bei der geplanten Begrenzung der Abrechnungsprüfungen auf bestimmte Quoten pro Krankenhaus würden GKV-Beiträge von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Rentnern in Höhe von nahezu 1,2 Mrd. € – wie vom GKV-SV prognostiziert – von den Kassen nicht mehr zurückgefordert werden können. Kein privater Haushalt und kein Unternehmen würde es akzeptieren, nur noch einen geringen Anteil der Rechnungen eines Dienstleisters überhaupt prüfen zu dürfen – gerade bei der begründeten Annahme einer 50-prozentigen Fehlerquote. Die geplante Ausgestaltung der Prüfquoten-Regelung führt zudem dazu, dass Kassen mit wenigen Versicherten und eher wenigen Belegungen in einem Krankenhaus höchstens eine Schlussrechnung dieses Krankenhauses prüfen dürfen. Die zu erwartenden Mehrausgaben der GKV bewegen sich deutlich in einem für die Höhe des Zusatzbeitrags relevanten Bereich. Hinsichtlich der sich eintrübenden wirtschaftlichen Entwicklung und der bereits im ersten Quartal 2019 ausgewiesenen Defizite der GKV kann dies politisch nicht intendiert sein.

Ein befremdliches Verständnis lässt die Bundesregierung zudem erkennen, wenn sie in der Problembeschreibung des Gesetzentwurfs feststellt, dass es besonderer Anreize für Krankenhäuser für die Erstellung regelkonformer Abrechnungen bedürfe. Es würde nahezu grotesk anmuten, wenn beispielsweise Unternehmen steuerliche Vorteile für den gesellschaftlich eigentlich hinreichend konsentierten Fall einer korrekten Rechnungsstellung erhielten.

In diesem Zusammenhang sind auch weitere im Gesetzentwurf geplante Maßnahmen zur Krankenhausabrechnungsprüfung einer äußerst kritischen Würdigung zu unterziehen. So würde ein Verbot von Aufrechnungen von Ansprüchen auf Rückforderungen geleisteter Vergütungen gegen Forderungen von Krankenhäusern (§ 109 SGB V) zu einem starken Anstieg an Sozialgerichtsverfahren führen. Bei rein formalen Fehlern, wie z.B. Fallzusammenlegungen, ist die Praxis der Aufrechnung zwischen Kassen und Krankenhäusern ohnehin unstrittig.

 

Benachteiligung von Kassen mit vielen multimorbiden Versicherten

Der geplante ausdrückliche Ausschluss der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung (§ 275c SGB V) birgt den Anreiz zur Fehlbelegung. Dies führt zu einer weiteren nicht validierbaren Ausgabe von Versichertenbeiträgen und stellt einen weiteren Widerspruch zu § 12 SGB V dar. Krankenkassen mit einem hohen Anteil an multimorbiden Versicherten werden zudem benachteiligt. Diese Prüfmöglichkeit ist den Kassen daher dringend einzuräumen.

Die beabsichtigten Strafzahlungen für Krankenhäuser für jede fehlerhafte Abrechnung (§ 275c SGB V) sind grundsätzlich zu begrüßen. Um jedoch eine Symmetrie zu der durch die Kassen zu leistende Aufwandspauschale in Höhe von 300 € bei geprüften korrekten Abrechnungen herzustellen, dürfen Strafzahlungen nicht nur für Krankenhäuser mit einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen von unter 60 % erhoben, sondern müssten für jede fehlerhafte Abrechnung entrichtet werden.

Durchaus positive Ansätze im Gesetzentwurf, wie die Anpassung des Katalogs ambulant durchführbarer Operationen als Einstieg in die sektorenübergreifende Versorgung (§ 115b SGB V), die Einführung von Strukturprüfungen (§ 275d SGB V), der verpflichtende Falldialog vor Klageerhebung (§ 17c KHG) oder der Ausschluss nachträglicher Rechnungskorrekturen (§ 17c KHG), werden allerdings insbesondere durch die dargestellten Effekte der Quotierung konterkariert.

 

Ziel muss verbesserte Abrechnungsqualität sein

Es ist zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine kritische Betrachtung der geplanten Regelungen erfolgt und letztlich doch noch ein Prozess angestoßen werden kann, der zu einer Reduzierung der Prüfquoten durch eine Verbesserung der Abrechnungsqualität führt – bestenfalls als Teil der unbedingt zu führenden Diskussion über die künftigen Strukturen der stationären Versorgung. Die Regelungen in der vorliegenden Form dienen lediglich der Bekämpfung von Symptomen – und dies einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Rentner.

 


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