Apothekerinnen und Apotheker setzen auf Digitalisierung, aber nicht nur

Anke Rüdinger, stellvertretende Vorsitzende Deutscher Apothekerverband e.V., Leiterin Digital Hub ABDA

Die Apotheken vor Ort arbeiten seit vielen Jahren weitgehend digital. Digitale Anwendungen unterstützen ihre Arbeit in vielen Bereichen. Beispiele sind die Warenwirtschaftssysteme, die Ausstellung digitaler Impfzertifikate während der Pandemie oder das E-Rezept. Das ist in unseren Apotheken längst Alltag.

In Zukunft wollen wir die Digitalisierung noch stärker in der Beratung unserer Patientinnen und Patienten nutzen. Da gibt es viel Potential. Aber bei allem Enthusiasmus möchte ich vorab betonen: Digitale Anwendungen können auf keinen Fall dauerhaft das vertrauensvolle persönliche Beratungsgespräch in der Apotheke vor Ort zwischen Apothekerinnen und Apothekern und ihren Patientinnen und Patienten ersetzen. Die digitalen Anwendungen sollen die Arbeit in den öffentlichen Apotheken immer dort ergänzen, wo sie die Versorgung der Bevölkerung verbessern oder den Apothekenteams die Verwaltung erleichtern können, etwa bei der Dokumentation oder bei Nachweispflichten.

 

ABDA richtet „Digital Hub“ ein

Der „Digital Hub der ABDA“ hat sich intensiv mit den digitalen Anwendungen aus öffentlichen Apotheken zur Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten beschäftigt. Für den Hintergrund: Der Digital Hub ist ein 2021 gegründeter Think tank. Er beschäftigt sich mit einigen Zukunftsthemen der Apothekerschaft: Digitalisierung im Gesundheitswesen, Digitalisierung im Apothekensektor, Telematikinfrastruktur / gematik, Künstliche Intelligenz. Bei seiner personellen Zusammensetzung wurde besonders auf die Praxisorientierung und einen engen Bezug zur täglichen Arbeit in den Apotheken Wert gelegt. Aus dem Gremium berichte ich zusammen mit meinem Vorstandskollegen Dr. Hannes Müller regelmäßig an den Geschäftsführenden ABDA-Vorstand.

Der Begriff „Telepharmazie“ ist derzeit in aller Munde: Zu ihren Chancen und Grenzen hat die Bundesapothekerkammer am 11. Juni 2024 ein Symposium veranstaltet. Begleitend haben die Bayerische Landesapothekerkammer und die Apothekerkammer Nordrhein jeweils Positionspapiere zur Telepharmazie veröffentlicht. Auch der Referentenentwurf zum Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) verwendet mehrfach den Begriff der Telepharmazie. Es gibt bislang keine allgemein verbindliche Definition. Wir als Digital Hub verstehen unter Telepharmazie die Kommunikation des pharmazeutischen Personals von öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken im Rahmen einer pharmazeutischen Tätigkeit, bei der sich das Apothekenpersonal sowie die Patientinnen und Patienten oder sonstigen Leistungsempfängerinnen und -empfänger nicht am gleichen Ort aufhalten.

 

Gleiche Regeln für Telepharmazie notwendig

Für mich ist eine Prämisse, dass es keine Zwei-Klassen-Pharmazie geben darf. Für die Telepharmazie müssen deshalb grundsätzlich die gleichen Regeln gelten, die laut Apothekenbetriebsordnung für eine pharmazeutischer Beratung in direkten Patientenkontakten gelten. So muss die Information und Beratung zu Arzneimitteln grundsätzlich durch Apothekerinnen und Apothekern ausgeübt werden. Sie kann unter Definition bestimmter Kriterien von Angehörigen des pharmazeutischen Personals übernommen werden. Die Verantwortung tragen aber immer die Apothekerin oder der Apotheker. Telepharmazeutisch Tätige unterliegen dabei immer den Weisungen der Apothekenleiterin bzw. des -leiters.

Die Abgabe von Arzneimitteln, Medizinprodukten und apothekenüblichen Waren kann durch telepharmazeutische Angebote begleitet werden, erfolgt aber weiterhin nur im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs. Die Beratung und Betreuung der Patientinnen und Patienten kann durch die Nutzung der Telepharmazie aber deutlich intensiviert und verbessert werden, so zum Beispiel durch regelmäßigen telepharmazeutischen Kontakt nach Neuverordnung eines Arzneimittels.

Die Telepharmazie eröffnet auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Apotheken die Option für die Arbeit im Home-Office. Voraussetzung dafür muss sein, dass der sichere Datenzugriff auf das Datenbank- und Betreuungssystem der jeweiligen Apotheke sichergestellt ist, die Patientin oder der Patient einwilligt und ein direkter Kontakt zuvor bestand. Dafür müssen die digitalen Anwendungen hohe Erwartungen erfüllen, was Qualität, Neutralität und Professionalität angeht.

 

Digitale Anwendungen nur mit Apotheke vor Ort

Ich kann mir für die Zukunft vorstellen, dass Apotheken verschiedene neue digitale Dienstleistungen anbieten können. Möglich wären etwa persönliche Postfächer für Patientinnen und Patienten mit individuell zugeschnittenen Gesundheitsinformationen wie Beipackzetteln (auch in Fremdsprachen) oder Erklärvideos zur Anwendung verschiedener Devices. Diese könnten gut nach der Abgabe des Arzneimittels und der entsprechenden pharmazeutischen Beratung genutzt werden. Ein Ersatz für die persönliche Beratung in der Apotheke sind sie allerdings nicht.

In Regionen mit einer geringen Apothekendichte könnten die Patientinnen und Patienten durch eine Apothekerin oder einen Apotheker digital „begleitet“ werden. Digitale Anwendungen könnten auch die Zusammenarbeit zwischen den Heilberuflerinnen und Heilberuflern verbessern, zum Beispiel bei einer Entlassmedikation aus dem Krankenhaus. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Aber all das geht nur mit der Apotheke vor Ort. Ein gleichwertiger Ersatz für den persönlichen Kontakt wird die Telepharmazie niemals sein.


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