11.12.2020
Welcher Test nutzt wann?
Bedeutung von Corona-Tests für unsere Wirtschaft
Markus Bazan
Dr. Martin Biller
Für viele Menschen läuft die Covid-19-Infektion asymptomatisch, das heißt unbemerkt und in vielen Fällen unentdeckt ab. Eine Studie der Universität München beziffert nun die Dunkelziffer für München während der ersten Infektionswelle. In den 3003 Haushalten mit 6117 Bewohnern in München haben sich bis Juni 2020 viermal mehr Menschen mit dem Coronavirus infiziert, als erfasst wurden. In einer Studie in Kupferzell wurden sechsmal mehr Fälle detektiert, als zuvor bekannt.[1,2]
Ist jemand nach einer Infektion bereits geschützt, und welche Schlussfolgerungen ergeben sich für die Festlegung einer Impfstrategie?
Können wir mit Hilfe von genaueren Antikörpertests entgegen der jetztigen Aussagen basierend auf wenig aussagekräftigen Antikörpertests bereits feststellen, ob Menschen, unsere Mitarbeiter, bereits – zumindest für einen Zeitraum – vor einer erneuten Infektion geschützt sind?
Ein Impfstoff, der keine sterile Immunität aufweist, führt zwar dazu, dass die Personen nicht weiter erkranken, aber durchaus noch andere infizieren können. Das ist bei Erreichen einer Herdenimmunität sicherlich ein geringeres Problem, aber werden wir genügend Impfwillige kurz- bis mittelfristig haben, die sich impfen lassen, bei Impfstoffen, deren Technik keine lange Erfahrung nachweisen können? Somit wird noch länger die Auswirkung auf die Sicherheitsmaßnahmen besonders auch im betrieblichen Kontext bestehen bleiben, und für Reisen könnte es weiterhin bedeuten, dass Einreisebeschränkungen trotz nachgewiesener Impfung bestehen bleiben. Zur Zeit ist noch nicht vollständig ersichtlich, welche Impfstoffe eine sterile Immunität verleihen. Auch ist die Frage noch offen, welcher Impfstoff für welchen Menschen geeignet ist (z.B. Altersabhängigkeit).
Die Festlegung einer Impfstrategie sollte auch folgende Fragen für jede zu impfende Person berücksichtigen:
- Wie ist der aktuelle Infektionsstatus?
- Hat die zu impfende Person bereits eine Infektion durchgemacht?
- Welche Antikörper und wie viele dieser diversen Antikörper hat die Person gebildet?
- Hat die Person bereits schützende Antikörper?
- Was bedeutet es, wenn der Impfstoff keine sterile Immunität erzeugt (s.o.)?
Unter der Bedingung knappen Impfstoffes und dem Zeitdruck, möglichst viele Personen zu immunisieren, stellt sich die Frage, ob Personen, die bereits schützende Antikörper haben, in der ersten Phase geimpft werden oder ob dieser Impfstoff Personen ohne Antikörper zur Verfügung gestellt werden sollte. Insbesondere Front-Line-Personal in Krankenhäusern könnte bereits jetzt auf Antikörper getestet werden, um geeignete Kategorien für die erste Impfphase zu definieren.
Die Voraussetzung dafür ist ein Antikörpertest, der alle relevanten Antikörper abbildet. Diese Bedingung erfüllen aber nur Multi-Antigen-Tests. Auch um das Vertrauen der Bevölkerung in die Impfungen und die Strategie zu stärken, besonders bei den Mitarbeitern im Gesundheitswesen, wären genauere Kenntnisse über den Antikörperstatus und dessen Bedeutung in Bezug auf die Impfung sicher sehr hilfreich:
Neueste Studien deuten an, dass nach einer Infektion mit SARS-Cov-2 für einen bestimmten Zeitraum und in einem bestimmten Umfang ein Schutz gegen diese Infektion besteht. So könnten Personen nach einer bereits erfolgten Infektion ein bis zu sechs Monate valides Immungedächtnis ausgebildet haben. [3,4]
Diese Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, diese Erkenntnisse in die Priorisierung der Impfungen einfließen zu lassen und so insgesamt die Impfbereitschaft zu erhöhen.
Welcher Test ist wann sinnvoll?
Eine Übersicht zu den Charakteristika und der Anwendbarkeit von derzeitig verfügbaren Test-Technologien ist in der Tabelle 1 und Grafik 1 dargestellt, welche im folgenden nähergehend beschrieben werden.
Zur Diagnose einer akuten Infektion werden PCR – Tests und jetzt auch Antigen-Schnell-Tests eingesetzt. Diese Tests weisen über einen Rachen- /Nasenabstrich direkt genetisches Material bzw. ein spezifisches Protein des SARS-CoV-2-Virus nach. Beide werden in der Akutphase einer Infektion angewendet.
Zur Frage, ob eine Infektion bereits früher erfolgte, finden Antikörpertests als Bluttests Anwendung. Sie zielen auf die Phase der Immunreaktion nach einer Infektion, indem sie auf Antikörper reagieren, die das Immunsystem gebildet hat, um das Virus abzuwehren.
Grafik 1: Anwendbarkeit von derzeitig verfügbaren Test-Technologien
Quelle: Aicone Medical 2020 (Vorbehalt: Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ergebnisse zeigt dieses Chart Durchschnittswerte)
In der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen derzeit insbesondere die Antigen-Schnelltests. Sie bieten Testergebnisse in wenigen Minuten, die sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext zu einer größeren Sicherheit führen sollen. Trotz der immer noch hohen Fehlerquote der Antigen-Schnelltests haben diese ihre Berechtigung zum Nachweis der Infektiösität, da sie gerade in der Phase der höchsten Ansteckung mit einer hohen Antigenkonzentration auf den Schleimhäuten eine Infektion nachweisen können. PCR- und Antigen-Schnelltests sind aber nur so lange sinnvoll, wie überhaupt Virusmaterial vorliegt. Überwundene Infektionen können sie nicht mehr nachweisen.
Tabelle: Übersicht zu verfügbaren Test-Technologien
Quelle: Eigene Darstellung
Nach stattgefundener Infektion, also ca. nach acht Tagen, können die Antikörpertests durchgeführt werden. Bisher werden meist Single-Antigen-Tests verwendet, d.h. sie stellen fest, ob Antikörper auf ein bestimmtes Antigen (des Virus) gebildet wurden. Der Zweck von Antikörpertests ist es, einerseits die Durchseuchung in der Bevölkerung oder in einzelnen Gruppen (Seroprävalenz) nachzuweisen und andererseits die Immunantwort nach einer Impfung als Maß für den Impferfolg festzustellen, aber auch festzustellen, ob einzelne Personen eine Infektion bereits gehabt haben.
Daher ist es entscheidend, dass Antikörpertests möglichst genaue und reproduzierbare Ergebnisse erbringen, das heißt, eine hohe Sensitivität und Spezifität aufweisen, indem sie alle SARS-Cov-2-Infektionen erkennen und diese auch sicher von anderen Infektionen (z.B. anderen Corona- Viren) unterscheiden können. Zudem sollten sie nachweisen, ob schützende Antikörper gebildet wurden.
Antikörpertests unterscheiden sich in ihrer Technik und in der Anzahl der verschiedenen Antigene oder auch Epitope (Antikörperziele, Molekülabschnitte des Antigens). Die meisten Tests testen nur mit einem Antigen. Technisch sind viele dieser Tests nicht in der Lage, die Antigene bzw. deren Epitope in ihrer korrekten Form darzustellen (was eine technische Herausforderung ist). Somit können diese Single – Antigen Tests und auch Multi-Antigen-Test mit Problemen in der korrekten Darstellung der Antikörperziele die weite Bandbreite der Antikörper nicht erkennen.
Wie dargestellt, braucht es aber mehrere Varianten der Antigene, die zudem noch korrekt gefaltet auf einem Assay (mehrere Einzeltests auf einer Trägerplatte) sicher (fest) verankert werden müssen, um die unterschiedlichen Immunantworten der Infizierten zu erkennen.
Daher bedarf es Multi – Antigen – Tests in einer hohen technischen Qualität, um die verschiedenen Antikörper sicher nachweisen zu können. Ein einfacher Single – Antigen- Tests, wie in der o.g. RKI-Studie verwendet wurde, ist dafür nicht geeignet. Nur technisch hochentwickelte Multi-Antigen-Tests können die Seroprävalenz, die Durchseuchung der Bevölkerung, genauer feststellen. Erste Vergleichsstudien sollen jetzt durchgeführt werden. Hierdurch kann auch genauer bestimmt werden, in welcher Alters- oder Bevölkerungsgruppe wie viele Menschen infiziert wurden und wie hoch die Sterblichkeit dieser Infektion tatsächlich ist.
Kommen wir zurück zur Kupferzellstudie bzw. zur München Studie: Ziel ist es, definitiv zu erkennen, ob die vormals Infizierten, bei denen keine Antikörper nachgewiesen werden konnten, diese auch wirklich nicht ausgebildet haben oder durch den eingesetzten Test nur nicht nachgewiesen werden konnten. Es ist zu vermuten, dass zumindest ein Teil der Infizierten ohne Antikörpernachweis tatsächlich doch Antikörper ausgebildet hatte, diese aber möglicherweise unentdeckt blieben.
Wie oben beschrieben, kann die Antikörpertestung zudem auch eine große Rolle in Hinsicht auf die Entwicklung und Anwendung von Impfstoffen spielen. Zumal eine Impfung ein medizinischer Eingriff ist, der nur erfolgen sollte, wenn dieser notwendig ist, da Nebenwirkungen nicht sicher auszuschließen sind und auch nicht abschließend geklärt ist, ob eine Infektion nach Impfung ggf. schwerer verlaufen könnte.
Insbesondere gilt dieses auch für Bevölkerungsgruppen, die potentiell von dieser Infektion weniger bedroht sind, wie junge Menschen. Es ist daher für eine informierte Impfentscheidung relevant, die individuellen Voraussetzungen für eine Impfung zu kennen.
Differenzierte Immunantwort
Die exakte Kenntnis der Immunantwort des Einzelnen ist somit auch für unser soziales und wirtschaftliches Leben eine wichtige Voraussetzung.
Es gibt also viele Gründe, auf Antikörper so zu testen, wie es der Stand der Forschung möglich macht, also mit einem technisch hochentwickelten Multi-Antigen-Test. Die Ergebnisse der bisherigen Antikörperstudien sollten somit re-evaluiert werden bzw. neue Studien sollten keine Single-Antigen-Tests sowie keine Tests mit weniger exakter Technik verwenden.
Deshalb kann die Verwendung von hochqualitativen Multi-Antigen-Tests auch eine Chance bieten, den Ethikrat zu überzeugen, doch für einen Immunitätspass zu votieren, der z.B. den Einsatz von Mitarbeitern im Gesundheitswesen sicherer machen kann oder Quarantäne verhindert, insbesondere wie so lange noch keine Impfung flächendeckend verfügbar ist.
Das nachfolgende Beispiel zeigt, wie unterschiedlich die Antikörperausbildung je nach Test-Person ausfällt. Das ist nur mit einem Multi-Antigen-Test, wie dem hier verwendeten ImmuSAFE™ Covid+ Test, nachweisbar.
Grafik 2: Differenzierung der Antikörper Antwort
Px:COVID -19 Patiente |
Quelle: [5] nach Daten von Sengenics Ltd.
Daten von Tests mit einem neuen Multi-Antigen Test ImmuSAFE™ Covid+ zeigen, dass es bei mit SARS-CoV-2 Infizierten eine große Varianz in der Höhe der Antikörperspiegel und ein hohes Maß an Variationen in der qualitativen Antikörperreaktion auftreten können (siehe Grafik 2). Die Feststellung dieses Sachverhaltes reduziert die Anzahl fehlerhafter Testbefunde.
Die Testdaten mit ImmuSAFE Covid+ zeigen zudem, dass die Antikörperbildung in Qualität und Antikörperspiegelhöhe auch mit dem Alter der untersuchten Personen zunimmt (siehe Grafik 3).
Grafik 3: Antikörperbildung nach Alter
Quelle: [5]
In Seroprävalenz- und Impfstudien sollten daher die untersuchten Personen stärker als bisher nach Alter und möglicherweise weiteren Parametern, wie Ethnizität und Geschlecht, differenziert werden, um die hohe Varianz der Immunantworten in der Bevölkerung exakter abzubilden.
Fazit
Managemententscheidungen sollten das ganze Spektrum an vorhandenen Testmöglichkeiten ins Kalkül einbeziehen können, um z.B. für die Personaleinsatzplanung und die Aufrechterhaltung des Betriebes, des Krankenhauses, des Alten- und Pflegeheimes usw. verantwortlich sorgen zu können. Dabei kann insbesondere der Einsatz von technisch hochentwickelten Multi-Antigen-Antikörper-Tests sinnvoll sein, auch wenn damit höhere Testkosten verbunden sind.Ebenso sollte die deutsche nationale Impfstrategie die Möglichkeiten dieser Testergebnisse nutzen, um die Impfungen erfolgreich und mit dem Vertrauen der Bürger durchführen zu können. Die Sinnhaftigkeit eines Immunitätsausweises könnte auf dem Boden differenzierter Ergebnisse neu bewertet werden.
Literatur:
- Katja Radon,et al., Protocol of a population-based prospective COVID-19 cohort study Munich, Germany (KoCo19); Katja Radon,et al. , BMC Public Health, 2020. 20 (1): p. 1-9. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.04.28.20082743v1
- Robert Koch-Institut, Corona-Monitoring lokal – Erste Eckdaten für Kupferzell, verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/cml-studie/Factsheet_Kupferzell.html (Letzer Zugriff: 08.12.20).
- Amin Addetia et al., “Neutralizing Antibodies Correlate with Protection from SARS-CoV-2 in Humans during a Fishery Vessel Outbreak with a High Attack Rate.” Amin Addetia et al. https://jcm.asm.org/content/58/11/e02107-20Journal of Clinical Microbiology, 2020. 58 (11).
- Jennifer M. Dan et al.,“ Immunological memory to SARS-CoV-2 assessed for greater than six months after infection” Jennifer M. Dan et al. bioRxiv, 2020. doi: https://doi.org/10.1101/2020.11.15.383323. https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.11.15.383323v1
- JM Blackburn et al., Quantitative, Epitope-specific, Serological Screening of COVID-2 19 Patients Using a Novel Multiplexed Array-based Immunoassay Platform. medRxiv, 2020. doi: https://doi.org/10.1101/2020.09.25.20201269.
Markus Bazan
Geschäftsführender Gesellschafter der BAZAN Managementgesellschaft mbH
Dr. Martin Biller
Gesellschafter der BAZAN Managementgesellschaft mbH
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