Und das Hamsterrad dreht sich lustig weiter

Was von Lauterbachs Krankenhaus-Revolution noch übrig ist

Stephan Pilsinger MdB, fachpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe für Gesundheitspolitik

Auch nach dem Beschluss der Bundesregierung über ihr „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ (KHVVG) spricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach wie vor von einer „Revolution im System“, die das KHVVG für die Krankenhausversorgung mit sich bringe.

Damit meint der SPD-Politiker insbesondere, „das System der Fallpauschalen systematisch überwinden zu wollen“, also das ökonomische Bestreben der Kliniken, im DRG-System möglichst viele lukrative Fälle zu behandeln, die in der krankenhausinternen Mischkalkulation dafür sorgen, dass die Erlöse am Ende immer für schwarze Zahlen sorgen. Das nennt Lauterbach die „Entökonomisierung“ des Krankenhaussektors.

 

Ökonomische Aspekte per se keine Schande

Mal abgesehen davon, dass ökonomische Aspekte nicht nur keine Schande per se sind, sondern grundlegende Notwendigkeit jeglichen unternehmerischen Handelns, so auch der auf der ökonomischen Realität fußenden Krankenhäuser. Bei genauerem Hinsehen ist fraglich, ob es der Ampel-Koalition so gelingen wird, das „Hamsterrad“ der Fallzahloptimierung in der Logik des – übrigens von Lauterbach 2002/2003 als damaliger Berater der seinerzeitigen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt selbst mit eingefädelten – DRG-Systems zu verlangsamen oder gar zu stoppen.

In der Tat steckt im DRG-System der Fehlanreiz – insbesondere für kleinere Krankenhäuser, die überwiegend nur gering vergütete Leistungen der Grund- und Notfallversorgung anbieten (können) –, mittels künstlicher Spezialisierung z.B. in der Endoprothetik, nach der DRG-Gewichtung lukrative Fälle ins Haus zu holen, die dem Klinikum so viele Erlöse garantieren, dass es in der Mischkalkulation bilanzseitig nicht in die roten Zahlen rutscht. Darunter leiden schlussendlich die Qualität und damit die Patienten, wenn ein Oberarzt an einem kleinen Kreiskrankenhaus nur zweimal im Monat eine Hüftprothese setzt; dass dabei nicht die gleiche Qualität herauskommen kann wie bei einem Arzt in einem dafür spezialisierten Zentrum, liegt auf der Hand. Daher spreche auch ich mich für die Bündelung spezialisierter, planbarer Eingriffe an dafür geeigneten Klinikzentren aus.

 

Regelungen zur Vorhaltevergütung grotesk

Lauterbachs Clou ist dabei die Idee einer Vorhaltevergütung: Darüber sollen künftig 60 Prozent der Betriebskosten eines Krankenhauses abgedeckt sein, wenn dem Krankenhaus die entsprechenden Leistungsgruppen zugeteilt wurden. Die restlichen 40 Prozent sollen weiter über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) finanziert werden. Problematisch ist nun allerdings, wie das individuelle Vorhaltebudget ermittelt werden soll: Die Höhe des jeweiligen Vorhaltevolumens soll nämlich davon abhängen, welcher prozentuale Anteil der Leistungen einer Leistungsgruppe im Vorjahr auf dieses Krankenhaus entfällt. Heißt also: Bei geringen Leistungsmengen im Vorjahr habe ich als Krankenhaus ein niedriges Vorhaltevolumen im Folgejahr. Also werden die Krankenhäuser versuchen, einen möglichst günstigen Ausgangswert für die Erstberechnung ihres Vorhaltebudgets nach Inkrafttreten des KHVVG im nächsten Jahr zu erreichen.

Da passt was nicht zusammen. So ist das nur ein Anreiz, in diesem Jahr das Hamsterrad nach dem alten DRG-System noch schneller anzutreiben, um im nächsten Jahr ein höheres Vorhaltebudget zu bekommen. Das ist grotesk und sollte selbst dem Gesundheitsökonom Prof. Dr. (Harvard) Lauterbach auffallen. So dreht sich das Hamsterrad lustig weiter, das Rennen um das vorhandene Geld im System (frisches Geld steht ja nicht zur Verfügung) geht munter in die nächste Runde.

Sinnvoll wäre es vielmehr, eine mengenunabhängige Vergütung der Vorhaltekosten mindestens für die ersten Monate nach Inkrafttreten der Reform festzulegen, damit sich dieser Fehlanreiz erst gar nicht entfalten kann. Dabei sollten nach meiner Überzeugung Fälle in den entsprechenden Leistungsgruppen zur Abdeckung der Grund- und Notfallversorgung, aber auch der Pädiatrie – gerade an kleineren Häusern – zu 100 Prozent im Rahmen einer Vorhaltefinanzierung vergütet werden.

Nur so stoppen wir den von Lauterbach mantraartig vorgetragenen Hamsterradeffekt und garantieren eine weiterhin flächendeckende Grund- und Notfallversorgung – auch im ländlichen Raum.

 

Entökonomisierung bleibt Träumerei

Ob und in welchem Rahmen die Länder von ihrem im KHVVG-E vorgesehenen Vorrecht Gebrauch machen werden, ihren einzelnen Krankenhausstandorten Planfallzahlen zuzuweisen, womit die Länder die Vorhaltepauschale von den tatsächlichen Fallzahlen (des Vorjahres) entkoppeln könnten, bleibt abzuwarten. Es kann allerdings bezweifelt werden, dass das Geld im System ausreicht, wenn davon viele Länder regelmäßig Gebrauch machen. Womit sich wieder zeigt: Eine „Entökonomisierung“ des Krankenhaussektors ist und bleibt schlicht linke Träumerei, erst recht in Zeiten knapper (Kranken- und Staats-)Kassen.


Observer Gesundheit Copyright
Alle Kommentare ansehen