Überraschungsauftritt des Bundesgesundheitsministers beim DKG-Sommerempfang

DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß begrüßt die Gäste.
Aufmerksame Zuhörer für den Überraschungsgast Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
GMK-Vorsitzende Kerstin von der Decken (Schleswig-Holstein) bittet um mehr Zeit für die Krankenhausreform.
Gerald Gaß (DKG) fordert faire Finanzierungsbedingungen für die Krankenhäuser.
Gesundheitsministerin Stefanie Drese (Mecklenburg-Vorpommern), Uwe Borchmann (KGMV), Staatssekretärin Sylvia Grimm (Mecklenburg-Vorpommern) (v.l.n.r.)
Sie wollen auch in der kommenden Legislatur in der Bundes-Gesundheitspolitik mitmischen: Dietrich Monstadt MdB (l.) und Erwin Rüddel MdB (beide CDU)
Mirko Papenfuß (VKD) mit Michael Jacob (LKB) und Henriette Neumeyer (DKG)
Zwei, die sich gut verstehen: Stefanie Stoff-Ahnis (GKV-SV) und Gerald Gaß (DKG).
Powerfrauen: Karin Maag (G-BA) (l.), Johanna Sell (BMG)
Hubert Hüppe MdB (CDU) mit Daniela Piossek (Paul Hartmann)
Janosch Dahmen MdB (Grüne), Carola Reimann (AOK-BV), Claus-Dieter Heidecke (IQTIG) (v.l.n.r.)
Wer schaut wohl wen an? Staatssekretärin Sabine Dittmar (BMG), GMK-Vorsitzende Kerstin von der Decken (Schleswig-Holstein), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß
Gerald Gaß (DKG) mit Ministerin Kerstin von der Decken (Schleswig-Holstein) und Thomas Lemke (BDPK)
Autoren des gerade erschienenen Fachbuches „Krankenhaus der Zukunft – Herausforderungen, Chancen, Innovation“
Der Bundesgesundheitsminister blickt interessiert auf das neue Krankenhausbuch.


Man nehme einen großen, gesundheitspolitischen Sommerempfang, lädt die derzeitige GMK-Vorsitzende Kerstin von der Decken als Rednerin per Einladung ein – und wartet ab. Siehe da: Am Tag des Empfangs kündigt sich ohne Zutun der Bundesgesundheitsminister an; und das noch mit Zugeständnissen. Er muss sich alle Reden anhören. So geschehen beim diesjährigen Sommerempfang der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Tapfer hält der Minister nach seiner Ansprache durch, starrt verlegen auf sein Handy und gibt gute Miene zum anstrengenden Spiel.

Da staunen die zahlreichen Gäste im Spreespeicher nicht schlecht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betritt den Raum und egal, wohin man hört: „Was, er ist da? War doch gar nicht angekündigt.“ Der GMK-Vorsitzenden Kerstin von der Decken, Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein, will Lauterbach augenscheinlich nicht das Feld überlassen. Erinnert sei an das vdek-Frühlingsfest. Da spricht ebenso von der Decken. Der Minister wiederum zieht an diesem Abend einen Besuch bei „Markus Lanz“ vor und schickt seinen Staatssekretär Edgar Franke. Und die GMK-Vorsitzende ist in ihrer Rede beim vdek kritisch, eloquent und sehr überzeugend zur anstehenden Krankenhausreform.

Darum geht es an diesem Abend auch dem Minister. „Die Hütte brennt, deshalb ist er hier“, meint ein Gast. Könnte sein, zwar ist eine Hürde im parlamentarischen Verfahrens genommen – die erste Lesung im Bundestag – doch es droht Ungemach. Die Länder machen sich bereit für eine Vielzahl von Gesprächen mit Bundestagsabgeordneten, um ihre Vorschläge durchzubekommen. Die lange parlamentarische Sommerpause bietet dazu viele Gelegenheiten.

Lauterbach verbreitet positive Stimmung. Das erste Berichterstattergespräch habe stattgefunden. „Es ist gut gelaufen“, sagt der Minister. Eine dichte inhaltliche Diskussion sei jetzt angeworfen mit zahlreichen Prüfbitten. Mit den Ländern und der GMK sei er „im engen Austausch“. Und dann kommt wieder ein echter Lauterbach-Satz: „Ich bin dankbar, dass Frau von der Decken nachher ihre Position noch darstellen wird.“ Zuckerbrot und Peitsche nennt man das wohl.

Mit einigen Ländern sei er im Direktaustausch, weil dort die Reform natürlich auf ganz besondere Bedingungen stößt. Offenbar ein Hinweis auf die MPK Ost am 18. Juni mit Bundeskanzler Scholz. Gerade im Osten Deutschlands seien die Strukturreformen in der Vergangenheit gemacht worden hinsichtlich der Krankenhausstandorte, sagt Scholz in der nachfolgenden Pressekonferenz der MPK Ost: „Das ist alles getan, die sind sicher.“

 

Karl Lauterbach: Wir brauchen keinen Burgfrieden

Der Bundesgesundheitsminister wiederum redet bei der DKG über die Notwendigkeit der Krankenhausreform. Viel Neues erfahren die Gäste dabei nicht. Trotz Zusatzausgaben in der Größenausgaben von 8,5 Prozent, fast zwei Milliarden Euro, im ersten Quartal würden viele Krankenhäuser von Insolvenz bedroht. Bis 2030 würde ein Viertel der Krankenhäuser nicht mehr existieren ohne Reform. Die verteidigt er nicht, „keine Angst“, wie er meint. Doch er redet über den ländlichen Raum, die dort bestehenden Krankenhäuser. Sie würden besser abgesichert sein. „Wir werden dafür viel tun“, meint er: Zuschläge geben für die Notfallversorgung, für die Intensivversorgung, für die Traumatologie, für die Schlaganfallversorgung, für die Geburtshilfe, für die Kinderheilkunde, und Sicherstellungszuschläge gebe es auch.

„Schützen“ werde er die Häuser und unterstützen. „Wir werden die Landesbasisfallwerte im nächsten Jahr neu berechnen, dass der volle Orientierungswert ausgeglichen wird. Das schafft den Häusern Luft zum Atmen“, meint der SPD-Politiker und fügt hinzu: „Das sind Perspektiven.“ Es sei eine Reform, „die im Konflikt geboren wird.“ Und, wo es keine Konflikte gebe, würden auch keine großen Probleme gelöst. Mit Blick auf den 16:0-Beschluss der Länder in der GMK gegen die Reform bemerkt Lauterbach, dass dies nobel sei und Material zur Diskussion und zum Denken gebe. „Wir brauchen keinen Burgfrieden. Wir brauchen keine Reform, wo zum Schluss im Wesentlichen sich nicht viel ändert.“ Ein großer Wurf soll es werden. „Und ich glaube, dass ist ein Zeichen einer funktionierenden Demokratie – dass man in der Sache streitet, aber sich nicht persönlich herabsetzt und auch nicht unsachlich wird.“

 

Kerstin von der Decken: bitte nichts überstürzen

Sachlich bleibt auch GMK-Vorsitzende Kerstin von der Decken. Sie berichtet, dass sie an der ersten Lesung zum KHVVG im Bundestag teilgenommen habe, geredet allerdings nicht. „Ich hätte auf dem Ticket einer Partei sprechen müssen und das wollte ich nicht“, berichtet sie – das sei abgesprochen gewesen mit ihren GMK-Kollegen. Denn es gehe nicht um Parteipolitik.

Sie sei enttäuscht, dass der Minister die Vorschläge der Länder im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt habe. „Wir hoffen, dass wir Gehör finden bei den Bundestagsfraktionen“, ist sie überzeugt. Auf den unterschiedlichsten Kanälen und Formen werde man jetzt aktiv, wie sie hinzufügt. Und dann bringt sie einige Kritikpunkte am KHVVG vor: Es fehle eine Auswirkungsanalyse, gebraucht werde eine Überbrückungsfinanzierung für die Krankenhäuser, eine Vorhaltevergütung, die fallzahlenunabhängig sei. „Wir fragen uns, warum man Mindestvorhaltezahlen eingebaut hat, wenn es doch die Mindestmengenvorgaben des G-BA geht, die wissenschaftlich evidenzbasiert geschaffen worden sind“, richtet sie ihre Worte an den Minister. Die Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser aus dem Land begrüße sie, jedoch nicht die Strukturvorgaben.

Zwei Bitten hat von der Decken an den Minister: Vertrauen für Länder und Krankenhäuser, die seien willens, Veränderungen vorzunehmen. Sie würden jedoch Instrumente benötigen, mit denen eine flexible Arbeit möglich sei. „Bitte nichts überstürzen, so ein weiterer Vorschlag. Erst sollte die Auswirkungsanalyse abgewartet werden, bevor das Gesetz beschlossen werde. Bei jedem größerem Bauvorhaben werde eine Umweltverträglichkeitsanalyse vorgenommen, und „bei der größten Klinikreform der Geschichte wollen wir nicht vorher eine abgeschlossene Auswirkungsanalyse haben, zumindest modellhaft?“, fragt die Ministerin und erntet viel Applaus.

 

Gerald Gaß: faire Finanzierungsbedingungen notwendig

Für den Vorstandsvorsitzenden der DKG, Gerald Gaß, hat die GMK-Vorsitzende aus dem Herzen gesprochen. Vertrauen hätten die Krankenhäuser verdient, die sich tagtäglich um die Patienten kümmern. Kraft werde gebraucht für diese Reform – Gaß bittet den Minister dafür um faire Finanzierungsbedingungen. Es gehe nicht darum, jeden Standort zu erhalten, sondern „die heutige Struktur in eine gute Zukunft zu führen.“

Gaß zitiert etwas abgewandelt Ernst Bloch, wie er betont: „Man muss verliebt sein in das Gelingen, nicht in das Scheitern der Krankenhausreform.“ Und fügt hinzu: „Das will ich mal für uns in Anspruch nehmen.“ Doch der DKG-Mann macht auch klar, wo die Probleme beim derzeitigen KHVVG sind: Abgelehnt würden Mindestfallzahlen, die Verschärfung bei den Personalvorgaben und auch die Einschränkung bei den Kooperationen. Mit Blick auf den Transformationsfonds – so notwendig er auch sei – könne er sich andere Lösungen vorstellen. Derzeit sollen GKV und Länder ihn finanzieren. Gaß warnt vor der Einführung der Vorhaltefinanzierung in seiner jetzigen Form. Auch das Thema Entbürokratisierung ist für Gaß an nicht nur beim KHVVG, sondern auch beim Medizinforschungsgesetz ein Übel.

 

Ein Krankenhausbuch mit der Perspektive 2040

Zum Schluss weist Gaß auf das gerade erschienene Fachbuch „Krankenhaus der Zukunft – Herausforderungen, Chancen, Innovation“ (ISBN 978-3-95466-861-8) hin. Es beleuchtet die großen Linien der Veränderung mit der Perspektive 2040. Zu den Autoren gehören auch aus unserem Team Prof. Dr. Andreas Lehr und Dr. Ines Niehaus, die sich mit der Frage beschäftigen: „Selbstverwaltung – Innovator oder Bremse im System?“ Eingeladen wird zum Gruppenfoto von anwesenden Autoren.

Lauterbach erhält natürlich ein Exemplar. Welch schöner offizieller Abschluss. Nun können Gespräche und Plaudereien beginnen bei einem hervorragend besuchten Sommerempfang. Zahlreiche Politiker – darunter die parlamentarischen Staatssekretäre des BMG –, Verbändechefs, Institutionsleiter und viele, viele gesundheitspolitischen Akteure genießen den grandiosen Blick auf die Spree, unterhalten sich prächtig bei gutem Essen und kühlen Getränken.

 

Fina Geschonneck


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