05.02.2018
Über die Notaufnahme ins Krankenhaus: Zweistufiges Gatekeeping-System schafft Abhilfe
In den Notaufnahmen der Krankenhäuser gehören Zeitdruck und Diagnoseunsicherheit zum Alltag der behandelnden Ärzte. Fehler in Bezug auf eine Hospitalisierung scheinen mit erhöhtem Patientenandrang zunehmend aufzutreten. Eine neue Studie[1] aus Großbritannien zeigt, dass ein zweistufiges Gatekeeping-System Abhilfe schaffen kann: Zum einen kann die Fehlerrate von unnötigen Krankenhauseinweisungen um 16,5 Prozent, zum anderen die Fehlerrate von fälschlichen Krankenhausentlassungen um 13,8 Prozent reduziert werden.
Ärzten in den Notaufnahmen von Krankenhäusern wird oftmals abverlangt, Entscheidungen unter Unsicherheit und enormem Zeitdruck zu treffen. So heißt es in Patientenumfragen oder auch in den Medien. Die Prophezeiung: Im Hinblick auf stetig steigende Patientenzahlen wird sich diese Problematik zunehmend verschärfen. Doch wie wirkt sich wirklich der Patientenstau auf die Entscheidungsqualität von Ärzten aus? Wissenschaftler aus Großbritannien haben herausgefunden, dass mit steigendem Patientenaufkommen mehr Patienten unnötigerweise stationär ins Krankenhaus aufgenommen werden. Die Auswertungen der demnächst veröffentlichten Studie basieren dabei auf über 350.000 Patientenkontakten in der Notaufnahme eines großen britischen Lehrkrankenhauses.
In Zeiten einer überfüllten Notaufnahme agieren Ärzte gemäß des Safety-First Prinzips. Das bedeutet: Bei nicht offensichtlichen Erstdiagnosen werden lieber vermeidbare und somit unnötige Hospitalisierungen als potenzielle Fehlentlassungen – d. h. Entlassungen bei Patienten, bei denen eine Aufnahme ins Krankenhaus letztendlich die richtige Entscheidung gewesen wäre – riskiert. Diese Praxis scheint zunächst für das Wohl der Patienten zu stehen, wie eine Betrachtung aus Systemperspektive zeigt. Doch der Schein trügt, denn es kommt zu einer Überbeanspruchung von spezialisierten Krankenhausleistungen. Diese knappen und kostenintensiven Ressourcen sollten insbesondere angesichts des erhöhten Andrangs geschützt werden. Eine unnötige Nachfrage nach den knappen Fachressourcen führt dabei zu negativen Auswirkungen auf die insgesamt gesehenen Patientenergebnisse. Einer Schätzung der Autoren zufolge kosten vermeidbare Hospitalisierungen das Gesundheitssystem in Großbritannien über 600 Millionen Britische Pfund in dem Finanzjahr 2012/2013.
Um den negativen Folgen eines erhöhten Patientenandrangs entgegen zu wirken, untersucht die Studie das Verbesserungspotenzial möglicher Lösungsansätze. Mit den Mitteln der Empirie zeigen Michael Freeman und seine Kollegen, dass die Implementierung eines zweistufigen Gatekeeping-Systems einer reinen Kapazitätserhöhung der Notaufnahme vorzuziehen sei. Aktuell entscheidet standardmäßig einzig der Arzt in der Notaufnahme über die Patienteneinweisung. Demgegenüber wird bei dem vorgeschlagenen Prozess eine zusätzliche Stufe eingeführt. In einem ersten Schritt wird dann bestimmt, ob der Arzt auf Basis der vorliegenden medizinischen Daten eine eindeutige Entscheidung treffen kann. Ist die Notwendigkeit einer Einweisung bei einem Patienten unklar, soll die Entscheidung an eine dafür einberufene Einweisungsabteilung abgegeben werden. Durch diesen zweistufigen Prozess wird dem Arzt aus der Notaufnahme neben der Entlassung oder der stationären Aufnahme des Patienten eine zusätzliche Alternative geboten.
Abbildung: Flussdiagramm zu traditionellem einstufigen (gepunktete Box) und neu vorgeschlagenem zweistufigen Gatekeeping-System
Das britische Lehrkrankenhaus aus der Studie verfügt bereits über eine diesem zweistufigen Prozess entsprechende Entscheidungsabteilung und ermöglicht eine Einschätzung des Verbesserungspotenzials. Das Ergebnis: Durch das zweistufige Gatekeeping-System wird zum einen die Fehlerrate vermeidbarer Hospitalisierungen um 16,5 Prozent als auch die Fehlerrate irrtümlicher Entlassungen um 13,8 Prozent reduziert.
Die Autoren betonen, dass es bei einem zweistufigen Gatekeeping-System zu einer Win-Win-Situation für beide, den Kostenträger und den Patienten, kommt: verringerte Beanspruchung unnötiger Fachleistungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Richtigkeit der Patientenaufnahme ins Krankenhaus.
[1] Freeman, Michael, Robinson, Susan und Stefan Scholtes (2017): “Gatekeeping Under Congestion: An Empirical Study of Referral Decisions in the Emergency Department”, Working Paper
Redaktion / Mona Groß
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